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  • /mecki78

mehr als 1000 Beiträge seit 03.07.2004

IMHO: Strikes System passt nicht in unser Rechtssystem

Ein Rechtssystem, zumindest so wie die Mehrheit der Menschen der
westlichen Welt diesen Begriff interpretieren, funktioniert nach
relativen einfachen Prinzipien:

Der Staat macht Gesetze, die sich grob in drei Kategorien einteilen
lassen: Rechte, Pflichten und Verbote. Daraus leiten sich drei Arten
von Rechtsbrüchen ab. Zum einen begeht man einen Rechtsbruch, wenn
man die Rechte einer anderen Person verletzt. Zum anderen wenn man
einer geforderten Pflicht nicht nachkommt. Und zu guter Letzt begeht
man natürlich einen Rechtsbruch, wenn man ein Verbot verletzt.

Das Rechtssystem sieht zwei Möglichkeiten der "Heilung" von
Rechtsbrüchen vor (AFAIK spricht man juristisch wirklich von
Heilung). Zum einen kann der Staat den Rechtsbruch bestrafen, zum
anderen kann eine Person gegen eine andere Person klagen
(Firmen/Organisationen zählen hier auch als Person, sie sind sog.
"juristische Personen"). Welche Heilung hier angemessen ist, hängt
davon ab, ob wir uns im Privatrecht oder von öffentlichen Recht
bewegen.

Das Urheberrecht ist hier interessanter Weise ein "Zwitterrecht". Es
wird zwar hauptsächlich als ein Privatrecht angesehen, aber im
Abschnitt 2, "Rechtsverletzungen", gibt es drei Unterabschnitte.
Hierbei ist nur der Unterabschnitt 1, "Bürgerlich-rechtliche
Vorschriften; Rechtsweg", tatsächlich Privatrecht, der Unterabschnitt
2, "Straf- und Bußgeldvorschriften", sowie der Unterabschnitt 3,
"Vorschriften über Maßnahmen der Zollbehörde" sind in der Tat
öffentliches Recht.

Unser Rechtssystem kennt nur zwei Zustände: Entweder es wurde ein
Rechtsbruch begangen oder nicht. Dazwischen gibt es nichts. Ob ein
Rechtsbruch begangen ist, entscheiden Gerichte, außer die
beschuldigte Seite gesteht freiwillig den Rechtsbruch ein und man
einigt sich außergerichtlich.

Ich verstehe nicht wie dieser Strikes-Nonsense in unser Rechtssystem
passen soll. Wenn ich irgend einen anderen Rechtsbruch begehe, dann
bekomme ich dafür auch keine Verwarnung. Ich bekomme vielleicht eine
milde Bewährungsstrafe, aber ich bekomme entweder eine Strafe oder
ich werde frei gesprochen. Es gibt auch kein Two/Three/Four-Strikes
System bei anderen Rechtsbrüchen, frei nach dem Motto, X solche
Fehltritte darfst du dir erlauben, dann aber beim "X+1"einten mal hat
es Konsequenzen. Man stelle sich so eine Regelung im Strafrecht
vor... gruselig. Oder im BGB: Jeder Händler darf dich zweimal
betrügen, aber beim dritten mal darfst du ihn dann verklagen.

Sicher gibt es in unserem Rechtssystem vergleichbares:
Wiederholungstäter werden z.B. härter bestraft; aber deswegen gehen
Ersttäter nicht gänzlich straffrei aus. Das ist so ein aufgeweichter
Schlingerkurs, der hier gefahren werden soll. Man will sich nicht
festlegen, ob bzw. ab wann eine Rechtsverletzung so gravierend ist,
dass sie Konsequenzen haben muss. Statt hier mal aufzuräumen und
klare Grenzen zu ziehen, die genau festlegen wo die Grenzlinie
zwischen den Rechten der Nutzer und den Rechten der Urheber verläuft,
denn tatsächlich haben beiden Seiten Rechte (auch wenn das von der
anderen Seite gerne absichtlich übersehen wird), will man ein System
mit einer weichen Grenze und die daraus resultierenden Probleme
dadurch verschleiern, dass man einfach die ersten X Rechtsbrüche gar
nicht ahndet, damit man dann hinter den "X+1"ten Rechtsbruch um so
deutlich ahnden kann ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu
müssen, dass die Strafe völlig unverhältnismäßig ist.

Ganz ehrlich: Das ist doch alles ein riesengroßer Bockmist!

/Mecki

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