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1 Beitrag seit 16.09.2004

Karten- und/oder Serverlösung

Es sollte klargestellt und unterschieden werden zwischen den von der
elektronischen Gesundheitskarte (eGK), unterstützten Prozessen und
Telematikanwendungen, sowie den originären Daten auf der eGK und
Daten welche mit der eGK per Verweis verwaltet werden können.
Zudem ist es sicherlich hilfreich zwischen den gesetzlich
vorgeschriebenen administrativen Daten auf der eGK, für welche die
Krankenkassen als Kostenträger (KT) die verantwortliche Datenhoheit
(sammeln, speichern , bereitstellen) besitzen, sowie den
medizinischen Daten jedweder Couleur, für deren Erhebung und
Speicherung, ausschließlich die Ärzte als Heilberufler oder
Leistungserbringer (LE) verantwortlich sind.

Das eRezept ist lt. Gesetz eine eGK-Pflichtanwendung.
Die zur eRezept-Prozessabwicklung notwendigen Transaktionen sollen
aus Sicht der Krankenkassen (KT) ausnahmslos und medienbruchfrei als
servergestützte Lösung realisiert werden.
Als obligate Fallback-Strategie wird das bisherige papiergebundene
Rezept in abgeänderter Form fungieren.
Die Nutzung von Internet- und Versandapotheken ist problemlos
möglich.
Datensicherheit und Missbrauchsschutz, auch bei Kartenverlust oder
–ausfall, sind auf hohem Niveau.

Die Ärzte und vor allem die lobbymäßig gut vertretenen Apotheker als
Leistungserbringer (LE) präferieren demgegenüber einen
kostenträchtigen Dualbetrieb.
Dieser Medienbruch umfasst die teilweise serverbasierte und die
teilweise eGK-gestützte Prozessabwicklung, sowie die papiergebundene
Ausfallstrategie.

Die Intention zum kostenträchtigen Beharren auf der eGK als
zusätzlichem, personenbezogenem Datentransportmittel für das eRezept
liegt in der Konkurrenzangst der Apotheker gegenüber den
kostengünstigen Internet- und Versandapotheken.
Dummerweise kann sich der Versicherte, mit seinem auf der eGK
gespeicherten Rezept, physisch leider nicht dorthin hinbegeben.
Zudem muss der Patient bei Kartenverlust oder –ausfall bei der
LE-Lösung von Pont. nach Pil.

Den Versicherten und Patienten gegenüber wird, mit dem Hinweis auf
die Datenhoheit der Patientendaten, die eGK als Transportmedium
propagiert, obwohl es sich nicht um patientenbezogene Daten handelt.

Es sollte weiterhin differenziert werden zwischen den administrativen
Versichertendaten und den medizinische Notfalldaten, die auf der eGK
gespeichert sein werden, sowie der u. U. umfangreichen elektronischen
Patientenakte (ePA), welche lt. Gesetz ebenso eine freiwillige
Anwendung darstellt wie der elektronische Arztbrief und die
Arzneimitteldokumentation.
Die Krankenkassen als Herausgeber und Eigentümer der eGK sind für die
schützenswerten administrativen Versichertendaten verantwortlich.
Diese Daten werden nicht  “irgendwo im bösen Internet“ abgelegt, wo
jeder 16-jährige Hacker problemlos an die Personendaten und die
Viagra-Verordnung von Fritzchen Müller gelangen kann. Sondern - wie
bisher gesetzlich vorgegeben   auf den mehrfach geschützten Servern
der KT verwaltetet.
Dies ist schon allein aus Gründen des Datenabgleichs im Zusammenhang
mit der online zur Missbrauchtsvermeidung stattfindenden
Versichertendatenüberprüfung und  aktualisierung notwendig.
Die medizinischen Notfalldaten (Blutgruppe, etc.) stehen
dementsprechend allein in der Verantwortlichkeit der LE  und dürfen
nur von ihnen auf die eGK geschrieben werden.
Die LE sind demnach auch für die Integrität und die Verfügbarkeit der
von Ihnen verwalteten Daten gegenüber ihren Patienten verantwortlich.
Ob dies der einzelne Arzt gewährleistet, oder die Verbände der LE
dies providermäßig durch die dezentrale Verteilung der Daten
sicherstellen, wird die Zukunft zeigen; die Krankenkassen sind in
diese Prozesse nicht involviert und haben auf die originären
medizinischen Patientendaten keinen automatischen Zugriff.

Dementsprechend sind auch ausschließlich die LE für die nächste,
zukünftige eGK-Anwendung ePA verantwortlich (vielleicht so um
2008-2010).
Auch in diese Prozesse werden die Krankenkassen daten- oder
zugriffsmäßig nicht involviert sein.

Nebulöse Äußerungen und Drohkulissen zu – patientenbezogenen  
medizinischen Daten, für welche gesetzlich die LE verantwortlich
sind, verwoben mit nebulösen Andeutungen zur Datenhoheit des
Patienten und der Gefahr des gläsernen Patienten (wobei wohl eher die
Angst vor dem gläsernen Arzt als Geburtshelfer fungiert), werden in
irrationalem Bezug zu rein administrativen – Verwaltungsdaten der
KT gesetzt, um eine kostengünstige und sichere, serverbasierte
eRezept-Lösung massiv zu torpedieren und gewohnheitsmäßige
Wettbewerbsvorteile aufrecht zu erhalten. Die Befürchtungen der
LE-Vertreter, dass die serverbasierte eGK-Initialanwendung wirklich
zu den prognostizierten Prozess- und Kostenoptimierungen führen,
würde hinsichtlich der zukünftigen eGK-Anwendungen, kostenträchtige
Paralleltest mit Server und eGK obsolet machen und das
Datentransportmedium eGK ad absurdum führen.

Also werden mit schablonenhaften Pressemitteilungen zu
Organspendedaten, unausgegorenen Gesetzentwürfen zu
Patientenverfügungen, Gesundheitspass, usw. (Tenor: die eGK als
eierlegende Wollmilchsau, vielleicht auch als ADAC-Ausweis zu
missbrauchen) weitere Nebelwände zur Versicherten- und
Patientenverwirrung gelegt und immense Erwartungen geweckt, die weder
zu finanzieren oder zu realisieren sind.

Die eigentlichen Kernthemen, wie die Eigenverantwortlichkeit und
Datenhoheit des Patienten, die kostensparende Optimierung von
Prozessabläufen, die notwendige Kostentransparenz durch zeitnahe
Überprüfung von Versichertenstatus und ärtzlichen Verordnungen und
Abrechnungen, werden zur Nebensache degradiert, und erringen bei
jeder politischen Äußerung leider nur noch Worthülsenfunktion.

Zum Glück – oder leider ? - haben die Versicherten bzw. die Patienten
momentan ganz andere Sorgen, als sich mit den Problemen zur
Einführung der eGK zu beschäftigen.
Ich als Versicherter oder Patient mache mir wirklich keine Gedanken
darüber, ob ich meine Patientendaten (also zusätzlich zu der
medizinischen Dokumentation meiner insgesamt dreizehn Klinikbesuche,
noch die aktuellen 23,4 GB Daten aus dem RIS/PACS der
Universitätsklinik, welche gesetzlich verpflichtetet ist, diese Daten
über Jahre im Hochsicherheits-RZ vorzuhalten) protzig bei jedem
Arztbesuch oder im Bekannten- und Freundeskreis auf 30 mini DVDs (!)
vorweisen kann. Viel wichtiger ist mir, dass der Arzt meines
Vertrauens - wenn ich ihn dazu ermächtige - auf diese Daten zugreifen
kann. Und noch viel wichtiger ist es für mich, wenn sich mein
Hausarzt Zeit dafür nimmt, meine Notfalldaten zusammenzutragen, damit
der ärztliche Nothelfer bei meinem nächsten faux pas  auf der A20
sofort sieht, dass ich einen Herzschrittmacher habe und an Hämophilie
leide.
Zudem wäre es doch grandios, wenn ich wie bei jeder kleinen sonstigen
Dienstleistung in der BRD gesetzlich vorgeschrieben, eine inhaltlich
nachvollziehbare Rechung erhalten könnte. Dann wäre ich als Patient
sogar darüber informiert, was mein Arzt meiner Versicherung in
Rechung stellt.

Also, es ist einmal wie immer.
Differierende Interessengruppen werden “aufgrund wahltaktisch
motivierter Gesetzesvorgaben zur termingerechten Konsensfindung
animiert“. Damit eröffnen sich für berufsmäßige Lobbyisten
selbstredend sehr weite Betätigungsfelder.
Leider scheint dabei absolut irrelevant zu sein, daß die in der
Diskussion befindlichen 1,5 bis 1,8 Mrd. Euro zur ersten Umsetzung
der Gesetzesvorgaben im Endeffekt von den Versicherten aufgebracht
werden müssen.

Wenn diese Ränkespiele bei den Versicherten und Patienten den
Eindruck hinterlassen, daß die Selbstverwaltung (SV) nicht
konsensfähig ist und die “harte Hand in und um Berlin“ auch nichts
bewegt, ist dies sicherlich richtig. 
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