Ben Bucksch schrieb am 16. Mai 2008 02:11
> Tom Stein schrieb am 15. Mai 2008 21:36
>
> > es außer vielleicht dem Prozeßgegner nichts(!) gibt,
> > was eine Zeugenaussage stützen kann, weil alles gefälscht sein kann.
> > Nun letzteres ist für die Gerichte sicher nicht ganz neu.
>
> Richtig. Das alles ist nicht ganz neu.
> Was mache ich, wenn ich einen Vertrag beweisen will? Kann ich einfach
> ein Dokument ausdrucken und sagen: "Das haben wir vereinbart"? Nein,
> das kann ich nicht. Ich muß in der Tat etwas vom *Prozessgegner*
> vorweisen, nämlich in der Regel seine Unterschrift.
Aber das Exemplar, das Du vorlegst, stammt von Dir. Wenn nicht jede
Seite paraphriert ist, kannst Du ganze Seiten austauschen (die
Unterschrift am Ende bleibt). Du kannst sogar die Unterschrift
fälschen. Abgesehen davon werden heutzutage die zahlenmäßig meisten
Verträge nicht durch Unterschirft besiegelt: Jede Internetbestellung,
jeder telefonische Bestellung beim Pizzaboten, jeder Kauf im
Warenhaus ist ein Vertrag, den man eben nicht mal eben mit einem
relativ fälschungssicheren unterschriebenen Vertrag beweisen kann,
und wo der Prozessgegner nichts geliefert hat außer dem Geld zum
Bezahlen.
> Es gibt noch andere Möglichkeiten, auch wieder normalen
> Gerichts-Prozeduren entlehnt:
> - Eine unabhängige Instanz.
> Wenn eine Bank bestätigt, daß eine bestimmte Überweisung getätigt
> wurde, ist das normalerweise ziemlich zuverlässig. Hier wäre es wohl
> der ISP, aber das geht nicht, weil die nicht loggen dürfen.
Wohlgemerkt: Dafür müssten sie inhaltlich loggen, was man getan hat.
Nicht bloß, dass man bei einer Adresse war, sondern auch was man von
dort geladen hat.
> Es gibt aber noch die Polizei. Wenn ein Polizist aussagt, daß er
> gesehen hat, wie dieser Mann dieser Frau ein Messer an die Kehle
> gehalten hat, dann wird das normalerweise auch für vertrauenswürdig
> gehalten.
Ja die gibt es. Aber sie stehen nicht neben jedem, der etwas tut, was
später vielleicht einmal bewiesen werden muss.
> Aber selbst das alleine reicht oft nicht aus.
> In diesem Fall wäre es durchaus möglich, daß die Polizeit "digital
> auf Streife geht", wie sie es nennen, im Filesharing sagen runterlädt
> und das mitloggt. Das wäre dann beweiskräftig. Würde aber nicht von
> der MI/FI ausgehen, sondern der Polizei. Das halte ich für den
> sinnvollsten Ansatz.
Quatsch mit Senfsoße.- Die Polizei ist nicht dazu da, private
Ansprüche zu verfolgen. Sie steht deshalb auch nicht in Kaufhäusern
herum und wartet auf Ladendiebe. Sie steht nicht in der Innenstadt
und wartet auf Falschparker. Sie steht nicht neben mir, um zu
beweisen, falls ich Dich jetzt beleidigen würde. Dafür ist die
Polizei nicht da!
> - Beweise, in diesem Fall wäre es die Festplatte des Benutzers, auf
> dem die inkriminierten Dateien gefunden wurden und ggf. die
> Programmkonfiguration oder gar Logs. Aber das wird in Fällen von
> Filesharing wohl unverhältnismäßig sein.
Zum einen dürfte es unverhältnismäßig sein, insbesondere wenn der
Streitwert eines kopierten Songs eben nur mit sagen wir 10 Verkäufen
gleichgesetzt wird und nicht mit 25.000 Euro, und zum anderen wird
jedes bessere Filesharing-Programm sonst dafür sorgen, dass nach dem
erfolgten Download alle Spuren beseitigt werden.
> Wenn ich aber sage: "Der hat mir ein Messer an die Kehle gehalten",
> dann hilft das vor Gericht leider wenig, selbst wenn's wahr ist.
> Noch nicht mal wenn ich eine Foto oder eine Tonbandaufnahme davon
> habe gilt das als Beweise vor Gericht, darf meines Wissens oft nicht
> mal der Jury vorgelegt werden, weil man weiß, wie einfach es
> gefälscht sein kann. Und diese sind *wesentlich* schwerer zu fälschen
> als Screenshots, insofern hinkt der Vergleich.
Also eine "Jury" haben wir in Deutschland eher selten. Und vorgelegt
werden darf das Foto meistens schon. Und wenn Du vor Gericht sagst,
da war ein Messer an der Kehle, glaubt der Richter das auch - es sei
denn, die Gegenpartei bestreitet das explizit (Aussage gegen Aussage)
und verwickelt sich nicht in Widersprüche. Da reicht es dann schon,
dass jemand bestätigt, die Gegenpartei habe vorher extra ein Messer
eingesteckt, und schon wird man glauben, dass es eingesetzt wurde,
weil mehr für Deine als für die andere Version der Geschichte
spricht.
> Wie gesagt ist der selbst ausgedruckte Vertrag der beste Vergleich
> hier. Niemand würde auf die Idee kommen, dem irgendwelche Bedeutung
> zuzumessen. Wieso dann Screenshots, die fast genauso einfach zu
> fälschen sind? Ja, ich brauche etwas des Prozessgegners oder einen
> *unabhängigen* Zeugen.
Wenn Gerichte nur mit unabhängigen Zeugen arbeiten dürften, gäbe es
fast keine Gerichtsverfahren. Zeugen sind fast immer in irgend einer
Form der einen oder anderen Seite verbunden, sonst wären Sie gar
nicht Zeugen geworden, sondern hätten sich woanders aufgehalten. Nur
bei einer Tat auf einem großen öffentlichen Platz findet man
unabhängige Zeugen. Und deswegen sind alle anderen Verfahren
einzustellen, werden alle anderen Taten gar nicht verfolgt?
Tom
> Tom Stein schrieb am 15. Mai 2008 21:36
>
> > es außer vielleicht dem Prozeßgegner nichts(!) gibt,
> > was eine Zeugenaussage stützen kann, weil alles gefälscht sein kann.
> > Nun letzteres ist für die Gerichte sicher nicht ganz neu.
>
> Richtig. Das alles ist nicht ganz neu.
> Was mache ich, wenn ich einen Vertrag beweisen will? Kann ich einfach
> ein Dokument ausdrucken und sagen: "Das haben wir vereinbart"? Nein,
> das kann ich nicht. Ich muß in der Tat etwas vom *Prozessgegner*
> vorweisen, nämlich in der Regel seine Unterschrift.
Aber das Exemplar, das Du vorlegst, stammt von Dir. Wenn nicht jede
Seite paraphriert ist, kannst Du ganze Seiten austauschen (die
Unterschrift am Ende bleibt). Du kannst sogar die Unterschrift
fälschen. Abgesehen davon werden heutzutage die zahlenmäßig meisten
Verträge nicht durch Unterschirft besiegelt: Jede Internetbestellung,
jeder telefonische Bestellung beim Pizzaboten, jeder Kauf im
Warenhaus ist ein Vertrag, den man eben nicht mal eben mit einem
relativ fälschungssicheren unterschriebenen Vertrag beweisen kann,
und wo der Prozessgegner nichts geliefert hat außer dem Geld zum
Bezahlen.
> Es gibt noch andere Möglichkeiten, auch wieder normalen
> Gerichts-Prozeduren entlehnt:
> - Eine unabhängige Instanz.
> Wenn eine Bank bestätigt, daß eine bestimmte Überweisung getätigt
> wurde, ist das normalerweise ziemlich zuverlässig. Hier wäre es wohl
> der ISP, aber das geht nicht, weil die nicht loggen dürfen.
Wohlgemerkt: Dafür müssten sie inhaltlich loggen, was man getan hat.
Nicht bloß, dass man bei einer Adresse war, sondern auch was man von
dort geladen hat.
> Es gibt aber noch die Polizei. Wenn ein Polizist aussagt, daß er
> gesehen hat, wie dieser Mann dieser Frau ein Messer an die Kehle
> gehalten hat, dann wird das normalerweise auch für vertrauenswürdig
> gehalten.
Ja die gibt es. Aber sie stehen nicht neben jedem, der etwas tut, was
später vielleicht einmal bewiesen werden muss.
> Aber selbst das alleine reicht oft nicht aus.
> In diesem Fall wäre es durchaus möglich, daß die Polizeit "digital
> auf Streife geht", wie sie es nennen, im Filesharing sagen runterlädt
> und das mitloggt. Das wäre dann beweiskräftig. Würde aber nicht von
> der MI/FI ausgehen, sondern der Polizei. Das halte ich für den
> sinnvollsten Ansatz.
Quatsch mit Senfsoße.- Die Polizei ist nicht dazu da, private
Ansprüche zu verfolgen. Sie steht deshalb auch nicht in Kaufhäusern
herum und wartet auf Ladendiebe. Sie steht nicht in der Innenstadt
und wartet auf Falschparker. Sie steht nicht neben mir, um zu
beweisen, falls ich Dich jetzt beleidigen würde. Dafür ist die
Polizei nicht da!
> - Beweise, in diesem Fall wäre es die Festplatte des Benutzers, auf
> dem die inkriminierten Dateien gefunden wurden und ggf. die
> Programmkonfiguration oder gar Logs. Aber das wird in Fällen von
> Filesharing wohl unverhältnismäßig sein.
Zum einen dürfte es unverhältnismäßig sein, insbesondere wenn der
Streitwert eines kopierten Songs eben nur mit sagen wir 10 Verkäufen
gleichgesetzt wird und nicht mit 25.000 Euro, und zum anderen wird
jedes bessere Filesharing-Programm sonst dafür sorgen, dass nach dem
erfolgten Download alle Spuren beseitigt werden.
> Wenn ich aber sage: "Der hat mir ein Messer an die Kehle gehalten",
> dann hilft das vor Gericht leider wenig, selbst wenn's wahr ist.
> Noch nicht mal wenn ich eine Foto oder eine Tonbandaufnahme davon
> habe gilt das als Beweise vor Gericht, darf meines Wissens oft nicht
> mal der Jury vorgelegt werden, weil man weiß, wie einfach es
> gefälscht sein kann. Und diese sind *wesentlich* schwerer zu fälschen
> als Screenshots, insofern hinkt der Vergleich.
Also eine "Jury" haben wir in Deutschland eher selten. Und vorgelegt
werden darf das Foto meistens schon. Und wenn Du vor Gericht sagst,
da war ein Messer an der Kehle, glaubt der Richter das auch - es sei
denn, die Gegenpartei bestreitet das explizit (Aussage gegen Aussage)
und verwickelt sich nicht in Widersprüche. Da reicht es dann schon,
dass jemand bestätigt, die Gegenpartei habe vorher extra ein Messer
eingesteckt, und schon wird man glauben, dass es eingesetzt wurde,
weil mehr für Deine als für die andere Version der Geschichte
spricht.
> Wie gesagt ist der selbst ausgedruckte Vertrag der beste Vergleich
> hier. Niemand würde auf die Idee kommen, dem irgendwelche Bedeutung
> zuzumessen. Wieso dann Screenshots, die fast genauso einfach zu
> fälschen sind? Ja, ich brauche etwas des Prozessgegners oder einen
> *unabhängigen* Zeugen.
Wenn Gerichte nur mit unabhängigen Zeugen arbeiten dürften, gäbe es
fast keine Gerichtsverfahren. Zeugen sind fast immer in irgend einer
Form der einen oder anderen Seite verbunden, sonst wären Sie gar
nicht Zeugen geworden, sondern hätten sich woanders aufgehalten. Nur
bei einer Tat auf einem großen öffentlichen Platz findet man
unabhängige Zeugen. Und deswegen sind alle anderen Verfahren
einzustellen, werden alle anderen Taten gar nicht verfolgt?
Tom