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  • windseeker

790 Beiträge seit 09.01.2002

Bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne. Besser und höher als was?

Als damals diese Streiks begannen, fand ich das gefühlsmäßig sehr gut und unterstützenswert. Ein Arbeitgeber mit lukrativem Gewinn sollte seine Arbeitnehmer auch überdurchschnittlich vergüten. Mehr Gehalt ist da ja wohl nicht zuviel verlangt.

Bis ich dann - wie viele von Euch auch schon - gelesen habe, womit man so schrecklich unzufrieden ist. Die Bedingungen, die da verbessert werden sollen, sind für mein Empfinden im Vergleich zu ähnlichen Jobs bei anderen Arbeitgebern auf recht ansehnlichem Niveau und es gibt in Deutschland vermutlich eine Masse an Logistik-Angestellten, die gerne mal auf dieses Niveau kommen wollen. Jetzt weiß ich zwar, dass Verdi die Amazon Mitarbeiter mit einem Einzelhandelstarifvertrag beglücken möchte. Ich habe viel dazu gelesen und recherchiert, aber bisher hat mir keiner wirklich erklären können, weshalb Verdi diese Arbeit als Einzelhandel ansieht. Auch auf Verdi Seiten habe ich nichts dazu gefunden, was mir eingeleuchtet hätte. Hier werden keine Waren ansehnlich in Regale drapiert, kein Verkaufsraum gepflegt, keine Käufer abkassiert, keine Beratungen gegeben, nichts, was ich jetzt mit Einzelhandel verbinden würde.

Amazon stellt immer mehr Leute ein, in neuen Standorten, aber auch, wie Verdi bestätigt, in existierenden Standorten, um die Streiks abzufangen. Woher kommen diese neuen Angestellten? Wenn die Arbeitsbedingungen wie Gehalt, Urlaub, Versicherungen, Mitarbeiterrabatt etc. alle so schlecht sind, warum hat Amazon dann keine Probleme, diese Mitarbeiter einzustellen, wenn die Konkurrenz so viel bessere Bedingungen bieten würde?

Ich kann nichts zu Leistungsdruck sagen, aber wenn der zu hoch sein sollte, kann auch das, was Verdi fordert, nichts daran ändern. Das ist eine gefühlte Arbeitsbedingung, die man schwer vertraglich regeln kann und seine Grenze nur zum Mobbing hat. Das weiß Verdi und daher steht zu solchen Dingen gar nichts in den Forderungen. Auf amazon-verdi.de unter "Unsere Ziele" steht hier nur, was ihnen nicht passt, mit nichtssagenden Flosklen wie "in vielen Abteilungen wird ständig gesagt". Aber das Ziel, also was genau wie geändert werden soll, ist völlig offen. Gibt es unfaire Konsequenzen für das Nichterreichen der Ziele? Sind die Abteilungen so klein, dass Underperformer (sorry für den Sch..begriff) den Abteilungsschnitt unter das Minimum drücken können? Oder sind die Ziele so utopisch, dass sie eh nicht erreicht werden können? Wie viele Abteilungen prozentual schaffen ihre Ziele nicht? Sind "viele" 20%? Oder 70%? Ohne bewertbare Infos ist der ganze Abschnitt nur "Wir sind mit der Gesamtsituation unzufrieden".

Was bleibt, sind freiwillige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, die angeblich nur wegen den Streiks eingeführt wurden. Und Verdi streikt dennoch weiter und weiter und weiter. Da frage ich mich doch: Wenn Amazon das zu teuer werden sollte, wie Verdi das ja hofft, werden sie nicht dann all diese freiwilligen Verbesserungen einfach wieder zurückschrauben, um den finanziellen Schaden durch die abzufedern, die ihn offen und vorsätzlich erzeugen?

Wie hoch kann man Pokern, bevor man verliert? Und wenn man verliert, wer leidet dann? Verdi nicht. Die sind immer wieder groß in den Medien gewesen, die haben ihren Lohn jetzt schon bekommen, Aber die Angestellten werden das irgendwann ausbaden, sowohl die Streikteilnehmer wie auch alle anderen, denn wenn Amazon der Geduldsfaden reißen sollte, wird das Ergebnis alle treffen.

Das finde ich sehr bedauerlich und das tut mir richtig leid für diese Menschen.

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