Scarilla schrieb am 09.04.2019 13:18:
Um es anders auszudrücken: 0,1% entscheiden jetzt wie Systeme funktionieren, die dann für die anderen 99,9% zur Verfügung stehen?
Anfang der 1970er Jahre stolperte ich mal über ein Taschenbuch mit dem Titel: Die Diktatur der Spezialisten.
Dieses Thema ist im Zusammenhang mit zunehmend komplexen Technologien und zunehmender globaler Vernetzung relevanter als je zuvor.
Ich gehöre selber, obwohl inzwischen Rentner, als jemand, der seit Anfang der 1970er Jahre in Forschung und industriellem Umfeld immer mit der Entwicklung von Software und Systemen zu tun hatte, zu den Spezialisten.
Meine Erfahrung über die Jahrzehnte hinweg lässt mich allerdings vermuten, dass die 0,1% deutlich zu hoch gegriffen sind. 0,001% der Bevölkerung würde immer noch bedeuten, dass es 800 echte(!!!) Spezialisten im sogenannten KI-Umfeld in Deutschland gibt. Das wären immer noch ganz schön viele.
Als ich Ende der 1980er Jahre in einer technischen Stabsstelle des Alcatel-Hauptquartiers in Paris tätig war erzählte mir ein Kollege aus der Schweiz eine Begebenheit im Zusammenhang mit Atomkraftdiskussionen in der Schweiz. In den Entscheidungsgremien waren 95% Juristen und Kaufleute, aber nur 5% Naturwissenschaftler und Ingenieure vertreten. Technisch inhaltlich konnten seitens ihres Wissens also überhaupt nur 5% begründete Aussagen machen.
Heutzutage dürfte dieses Verhältnis wohl meist noch viel extremer ausfallen.
Ich beschäftige mich hobbymässig noch immer mit der Entwicklung von Software. Dabei spielen, neben der Entwicklung eines Basissystems mit Erlang/OTP, Implementierungen von Algorithmen des Natural-Language-Processing mit Haskell eine Rolle, sowie einige Algorithmen aus dem Process-Mining-Umfeld.
Das sind alles keine extrem exotischen Sachen, aber wenn es mal Probleme oder Fragen gibt, dann muss ich schon weltweit im Web nach Diskussionsgruppen oder Informationen suchen.
Selbst im Zusammenhang mit dem Deep-Learning-Schlagwort, welches ja andauernd und überall von sehr vielen benutzt wird, lässt sich deutlich sagen, dass die Schulmathemathematik bis zum Abitur nicht ausreicht es inhaltlich zu verstehen (siehe beispielsweise https://www.deeplearningbook.org/).
Die hochgradige Komplexität verlangt vertrauensvolle Zusammenarbeit, ansonsten kann das nicht funktionieren.