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  • Gottwalt Thiersch

mehr als 1000 Beiträge seit 26.01.2000

Eigene Erfahrung zu Vorratsdatenspeicherung...

In der Oberstufe ging ich in Muenchen zur Schule, wohnte aber
ausserhalb.
So fuhr ich jeden Morgen eine Dreiviertelstunde mit S- und U-Bahn.
Fanden nachmittags Veranstaltungen statt, wartete ich und fuhr
zwischenzeitlich natuerlich NICHT nach hause.
An  der U-Bahn-Haltestelle vor unserer Schule war damals ein Teil der
offenen Drogenscene Muenchens. Oft fanden dort Ausweiskontrollen
statt, so dass also auch ich oft -auch nachmittags, beim Warten auf
eine spaetere Veranstaltung- kontrolliert wurde.
Eines Tages wurde ich mitgenommen in einen in der Naehe stehenden
Polizei-Bus und erst einmal vollstaendig gefilzt. Dann wurde ich
gefragt, was ich denn immer da machen wuerde und warum ich da
herumstreunen wuerde. Das sei aufgefallen und man wuerde vermuten,
dass ich irgendwas mit der Drogenscene zu tun haette. Ich verwehrte
mich vehement dagegen und verwies auf meinen Schulbesuch etc. Ich
wurde dann nicht weiter behelligt.

Einige Jahre spaeter bekam ich eine Anzeige wegen angeblicher
Fahrerflucht. Auf dem Parkplatz von Wertkauf sollte ich mit meinem
damaligen VW-Bus einen BMW angeparkt und dabei beschaedigt haben.
Der BMW-Eigentuemer hatte meine Fahrzeugnummer sowie zwei Zeugen.

In der Verhandlung wurde klar, dass ich zwar gesehen wurde, wie ich
neben dem BMW ausparkte, dass aber niemand direkt gesehen hatte, ob
ich das Fahrzeug ueberhaupt beruehrt hatte. Ich war mir sicher, das
Fahrzeug nicht beruehrt zu haben und bestand auf einem
Sachverstaendigen, der klaeren sollte, ob die Beschaedigung
ueberhaupt von meinem Auto herruehren konnte.
Nun wurde der Staatsanwalt einigermassen persoenlich und polterte
los, es sei unerhoert, dass jemand wie ich, der schon mit 16 in der
Drogenscene auffaellig geworden sei und regelmaessig nach Amsterdam
und in die Schweiz fahre (in der Schweiz wohnen meine Eltern, in
Amsterdam besuchte ich zweimal meinen Patenonkel), sich erdreiste,
Forderungen zu stellen. Ich solle wenigstens zu meinen Fehlern stehen
und fuer die Folgen einstehen.

Der Richter ordnete trotzdem einen Ortstermin mit Gegenueberstellung
beider Fahrzeuge an (allerdings erstmal ohne Sachverstaendigen).
Dabei konnte dann rasch geklaert werden, dass der Schaden gar nicht
durch mein Auto verursacht werden konnte (Stoss-Stange ist deutlich
hoeher als bei normalen PKW, so niedrig haette ich das Fahrzeug gar
nicht beruehren koennen).

Was daran deutlich wird: Daten, die an sich nichts aussagen, koennen,
aus dem Zusammenhang gerissen und anders zusammengefuegt, ein Bild
ergeben, das an sich schluessig wirkt, aber nichts mit der Realitaet
zu tun hat.
Andersrum: Wir betreiben hier im Haus einige WLAN-NATs. So kommen wir
mit einigen HanseNet-DSL-Anschluessen fuer 30 Wohnungen gut aus. Wie
will nun ein Ermittler feststellen, wer nun tatsaechlich welche Dinge
hier machte? Was nuetzen da Zugangsdaten? Und diese Situation ist
wohl nicht aussergewoehnlich, oder?
Und nochmal anders: Die Umschaltung in den Verteilerkaesten wird
inzwischen hier nicht mehr von der Telekom selbst, sondern von
beauftragten Firmen durchgefuehrt. Wie viele Menschen haben da
inzwischen Zugang zu den Schluesseln? Wie einfach ist es, so ein
Schloss zu knacken? Wie einfach ist es, sich auf den Anschluss eines
Anderen aufzuschalten und darueber illegal zu agieren? Wer wirklich
Illegales vorhat, fuer den ist das ein Leichtes. Der ist dann aber
nicht mehr durch Vorratsdatenspeicherung zu ermitteln. Fuer alle
Anderen fuehrt Vorratsdatenspeicherung hoechstens zu Situationen wie
von mir oben geschildert.

Gruss

Gottwalt
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