Ansicht umschalten
Avatar von
  • unbekannter Benutzer

712 Beiträge seit 10.01.2000

Der Mehrwert ist die Quellenbeschränkung, das Format ist nebensächlich

Ja, es war bisher schon möglich via CSS und Fontface Schriften sowohl
für moderne Browser (FF, Safari, Opera etc.) als Truetype und mit
einer einfachen Konvertierung auch im IE nachzuladen. Und viele
Designer hätten das auch gerne getan. Wenn es gescheit gemacht wird,
erhöht das auch durchaus den Wert der Websites.

Bisher haben sich aber praktisch alle Fontfoundries geweigert, Fonts
für die Verwendung im Web zu lizensieren. Ansätze mit DRM im
Font-Bereich waren eh Totgeburten, eine Weitergabe der Fonts aber
praktisch gar nicht zu verhindern. Selbst wenn Site A eine reguläre
Lizenz erworben hätte, hätte Site B schlicht auf die Fonts von Site A
verweisen können.

Mit der Beschränkung, dass Fonts nur noch vom selben Server wie die
Webseiten oder CSSs selber geladen werden können, muss nun jeder
Websitebetreiber die Fonts selber hosten.  Mit freien Fonts wie
DejaVu ist das kein Problem, mit ohne Lizenz kopierten Fonts begibt
man sich in dieselbe Problematik wie mit lizenzpflichtiger Musik oder
Bildern.

Technisch wäre es schöner, wenn es diese Beschränkung nicht gäbe,
denn auch wenn dank Komprimierung die Fonts nun kleiner sind, müssen
sie für jede Site neu geladen werden. Yahoos beschleunigt den
Download des YUI Javascript Frameworks bspw. dadurch, dass sie feste
URLs zu den Dateien anbieten, so dass alle Sitebetreiber stets auf
diese verweisen können und die Bibliotheken so meist schon im
Browsercache der User sind. Das ist mit Fonts jetzt verbaut.
Allerdings können freie Fonts natürlich genauso wie bisher auch als
TrueType eingebunden werden, so dass sie nicht betroffen sind.

Der Fortschritt hier ist also nicht technisch, das neue Format ist
primär notwendig, weil das alte "politisch" zu offen war. Man kann
jetzt natürlich argumentieren, dass alles gefälligst offen zu sein
hat, aber praktisch gesehen bleibt es die Entscheidung der Foundries,
wem sie wie die Nutzung ihrer Fonts erlauben.

Ich denke, dass es letztendlich für alle Vorteile bringt, wenn ein
für die Foundries akzeptabler Kompromiss gefunden wird. Gute Fonts zu
erstellen ist wirklich nicht leicht. Wer daran zweifelt, soll bitte
mal für ein paar Stunden die wirklich tausenden von frei verfügbaren
Fonts durchsehen. Die Suche nach vollständigen, breit einsetzbaren,
freien Fonts ist bisher ein sehr frustrierendes Unterfangen, da die
meisten dieser Fonts von Einzelpersonen für den speziellen
Eigenbedarf entworfen werden (Ausnahme wieder DejaVu). Wenn gute
Fonts zumindest kommerziell verfügbar werden, so wird sich auch die
Nutzung von echten Fonts (im Gegensatz zu als Bild gerenderten) im
Webdesign durchsetzen und es mehr Bedarf und dadurch Bewegung und
Kooperation bei den freien Fonts geben.

Es hat sich auch schon eine Menge getan, bspw. gibt es inzwischen
immer mehr unter SIL Open Font License verfügbare Fonts, die nicht
nur die Nutzung, sondern auch die Veränderung und Veröffentlichung
der neuen Fonts (unter neuem Namen) erlauben, eine zentrale Forderung
für gemeinschaftliche Verbesserung von Fonts.

Ach ja, das ganze "Warum nicht alles in Arial" oder "Lynx rules!":
Typographie hat eine lange Tradition und man kann mit Fonts die
Lesbarkeit, Ausdrucksfähigkeit und Wirkung von Texten sehr stark
beeinflussen. Es hat durchaus Gründe, warum Zeitschriften und Bücher
nicht alle nur in Times oder Helvetica gesetzt sind. Und ebensowenig
wie das Aufkommen von mit Word oder DTP-WYSIWYG gestalteten
Augenkrebs-Fontsuppenflyern in den 90ern auf einmal den Wert von
guter Typographie geschmälter hat, werden Websites durch die
zwangsweise zu erwartende Myspace Cartoon-Font Blink-Tag Orgie
insgesamt an Lesbarkeit verlieren. Die Profis werden es gescheit
nutzen, die etwas ambitionierteren Webdesigner halt mehr Typo lernen
und der Rest bleibt genauso furchtbar wie bisher, nur dass der orange
Text auf grünem Grund in Zukunft zusätzlich verschnörkelt ist. Lesbar
war es auch vorher nicht.
Bewerten
- +
Ansicht umschalten