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  • Bajoboes

837 Beiträge seit 14.11.2012

illegale Kinderpornospeicherpflicht ist für die Kommission also was tolles

https://community.beck.de/2017/04/27/das-bundesverfassungsgericht-wird-das-netzwerkdurchsetzungsgesetz-kippen

daraus:

"4. Verpflichtung zu strafbarem Kinderpornographie-Besitz

Das BMJV ist als Exekutivorgan nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem vom BMJV ebenfalls verantworteten Sexualstrafrecht Verbotstatbestände für die Speicherung und den Besitz bestimmter strafbarer Inhalte ergeben. Insbesondere wird nach § 184b Abs. 3 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine kinderpornographische Schrift besitzt. Auch die vorsätzliche Speicherung von kinderpornographischen Dateien erfüllt den Straftatbestand.

§ 3 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 1 Abs. 3 NetzDG-Entwurf verpflichtet nunmehr Betreiber sozialer Netzwerke zur vorsätzlichen Speicherung kinderpornographischer Schriften durch ihre Mitarbeiter für einen Zeitraum von 10 Wochen.

Die Besitzstrafbarkeit wird nach § 184b Abs. 5 StGB nur ausgenommen für die rechtmäßige Erfüllung (1.) staatlicher Aufgaben, (2.) Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder (3) dienstliche oder berufliche Pflichten. Die Ausnahmen werden von der Rechtsprechung tendenziell eng ausgelegt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 2. 11. 2012 – 2 Ws 114/12).

Da Betreiber sozialer Netzwerke weder staatliche Aufgaben erfüllen, noch auf der Grundlage von Vereinbarungen mit staatlichen Stellen, noch aufgrund einer dienstlichen oder beruflichen Pflicht Kinderpornographie gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 1 Abs. 3 NetzDG-Entwurf speichern sollen, machen sich die betreffenden Mitarbeiter des Netzwerks nach § 184b Abs. 3 StGB bei der Umsetzung des Meinungsfreiheitsbekämpfungsgesetzes strafbar."

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Auch völlig in Ordnung, findet die EU-Kommunistion, ist die Außerkraftsetzung der Strafprozessordnung und des ganzen Strafprozessrechtssinns, wenn man zu horrenden Strafen und zur vollständigen Deanonymisierung "verurteilt" werden, aber bei keinem Richter nirgends dafür irgendwie Gehör finden kann, bevor das Urteil gefällt wird, weil: ein Richter ist sozusagen "erstinstanzlich" gar nicht irgendwo vorgesehen und auch niemand, der statt des Richters die Befähigung zur Ausübung hätte:
https://community.beck.de/2017/05/26/netzdg-entwurf-basiert-auf-bewertungen-von-rechtslaien

Ebenfalls völlig töfte ist natürlich die durch die Speicherpflicht entstehende Riesensammlung von Informationen über die Bürger und dass diese Informationen dann bei Privatunternehmen liegen, die damit machen können, was sie wollen - und die sich verknacken lassen dürfen, wenn diese Daten dann gestohlen werden, denn daran sind dann ohne Zweifel sie selbst schuld. Noch besser wird das Szenario natürlich, wenn rechtswidrig, aber nach NetzDG verpflichtend zu speichernde Kinderpornographie geklaut wird, denn dann hat man an deren Verbreitung durch seine Fahrlässigkeit als Unternehmen auch gleich noch schön mitgewirkt.

Der Meinungsunterdrückungseffekt kommt der EU-Kommission natürlich ebenfalls sehr gelegen, denn dann werden sowohl die als auch das EU-"Parlament" nicht mehr so häufig von dummen Meinungen dummer Wähler genervt, was bisweilen schon einmal ein Problem sein kann, dessentwegen man dann auch mal offiziell im EU-Parlament nachfragt, wie man verdammt nochmal diese ganzen Emails blockieren könne:
https://www.youtube.com/watch?v=x6hWCIBtcUk

Aber seit dem 1. Juni ist in der ganzen Frage ohnehin das Sahnehäubchen, dass der UN-Beauftragte für Meinungs- und Redefreiheit äußerst gravierende Bedenken über dieses Gesetz äußert, und zwar
- weil es geeignet ist, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken
- weil es vermutlich zu Löschorgien seitens der Netzwerkbetreiber kommen wird aufgrund der Furcht vor einer drakonischen Strafe wegen Missachtung vollkommen unklar definierter Gesetzesinhalte
- Gesetze, welche ihrerseits von Rechtslaien umzusetzen sind
- hierauf aufbauend ebenso wegen des Wegfalls des strafprozesslich unentbehrlichen rechtlichen Gehörs vor einem Urteil und des völligen Fehlens irgend einer richterlichen Instanz während der Findung des Urteils
- dann wegen der Möglichkeit von Privatunternehmen, sich über einen ganz neuen Kanal einen Haufen an Informationen über die Bürger zu holen
- was aber gleichzeitig auch deren Verpflichtung ist, die sie an sich so gar nicht tragen können
- was aber wiederum fast egal ist, da es keine Regelung dafür gibt, was im Missbrauchsfall zu tun wäre
- zudem ist das Gesetz in sich selbst widersprüchlich, weil es Telemedien einerseits so weit definiert (Neuland halt...), dass selbst Messanger und Emailanbieter darunter fallen würden, während es diese dann aber doch wieder ausklammern will und also eine Art Grauzone schafft und zwar im Bereich der Messanger und Emails selbst
- und nicht zuletzt wegen dem ohne jeden Richtervorbehalt positiv zu bescheidenen Auskunftsanspruch über jede Person, von der man einfach nur behauptet hat, sie wäre einem auf den Schlips getreten

http://www.ohchr.org/Documents/Issues/Opinion/Legislation/OL-DEU-1-2017.pdf

Das alles ist für den UN-Beauftragten so derbe, dass das Gesetz den Test bezüglich erlaubter Einschränkungen von Privatheit und Meinungsfreiheit nicht bestehen würde, d.h. es würde gegen die UN-Menschenrechtscharta in Sachen Meinungsfreiheit und Redefreiheit verstoßen. Und zwar weil es diese nicht schützt, sondern teilweise aufhebt. Worüber dann in jedem Einzelfall aber maximal 7 tage gebrütet werden darf, während es wohl noch niemals vorkam, dass über eine angezeigte Meinungsäußerung innerhalb von 7 Tagen alles ermittelt, bewertet und zu einem Urteil geführt worden ist und das revisionsfest. Die Rechtslaien werden es schon schaffen, ja, die schaffen das!

Die besten Zitate aus dem kurzen Stück:

"The liability placed upon private companies to remove third party content absent a judicial oversight is not compatible with international human rights law."

"By requiring complaints and measures to be documented and stored for an undisclosed amount of time, without providing further protection mechanisms against the misuse of such data, individuals become more vulnerable to State surveillance. These provisions also allow for the collection and compilation of large amounts of data by the private sector, and place a significant burden and responsibility on corporate actors to protect the privacy and security of such data (A/HRC/23/40)."

"The absence of a judicial warrant for the disclosure of individual information would represent a restriction that is neither targeted nor protecting of due process rights, and it would therefore not meet the strict test required for restrictions on privacy and expression (A/HRC/29/32)."

Den letzten finde ich am besten, weil da im Prinzip zwischen den Zeilen steht, dass durch Teile dieses Gesetzes das gesamte Rechtsstaatsprinzip abgekanzelt wird, insofern man im rechtsstaatlichen Sinne verurteilt werden soll, aber ohne den ganzen Kram, der dafür laut Strafprozessordnungen eigentlich notwendig ist**, also letztlich so Stalinismus-Justiz-Style: sieht aus wie ein echter Rechtsstaat, hat aber alles, was ein Rechtsstaat nicht haben darf

**wie: alle Seiten anzuhören; die Möglichkeit einen Anwalt einzuschalten vor dem Urteilsspruch (ist bei einer Löschfrist von 24h gar nicht und bei 7 Tagen kaum möglich, wiefern man dazu vorher darüber informiert werden müsste, dass einen "Verfahren" gegen einen läuft); die bloße richterliche Prüfung, ob etwas überhaupt prozessfähig ist oder aber schlicht zu ertragen zb. im Sinne von "keine strafbare Beleidigung, aber äußerst anstandslos"; vollkommen unverhältnismäßige Strafen, die außerhalb des sonstigen Rahmens stehen; unverhältnismäßig weite Auslegung von Begriffen, die der Indifferenzierung von Rechtsgütern Vorschub leisten (wenn "du blöde Sau!" unter Freunden genauso strafbar ist wie "Juden ins Gas" auf einer Demo vorm Brandenburger Tor, dann relativiert das enorm den strafbaren Inhalt der zweiten Aussage oder hebt den Inhalt der ersten auf eine Vergleichsebene im Sinne von "Äpfel mit Birnen vergleichen", wobei "Kirschkerne mit Planeten vergleichen" eher treffend wäre) und ausserdem keine Klarheit, sondern Unklarheit schaffen und deswegen schlecht gemacht sind, weil ein gutes Gesetz ein klar verständliches Gesetz ist (da man prinzipiell auch als Analphabet ohne Geld für einen Anwalt in der Lage sein muss, die Gesetze zu verstehen, einmal aus dem praktischen Grund, dass sich ja jeder dran halten soll und zum anderen aufgrund Art 19. Abs. 4 GG, dass jemand, der Gesetze gar nicht verstehen kann und auch keine Kohle für den Anwalt hat dann auch nicht in der Lage wäre, ihm zugefügte Rechtsbrüche irgendwo anzuzeigen, womit ihm der Rechtsweg eben nicht mehr offen stünde) unklar ist es wie gesagt u.a. durch ungenau definierte Rechtsbegriffe und auch durch den enormen Strafrahmen, an dem man nicht mehr ohne Zweifel ablesen kann, was einen ein bestimmte Aussage wohl kosten könnte oder überhaupt welche Aussagen das genau wären, die einen überhaupt etwas kosten könnten.

Und all das findet die EU-Kommission einfach geil.

Ernsthaft, wie kann man da noch ein glühender Verteidiger der EU-Bürokratie sein und gleichzeitig von sich selbst behaupten, man stünde damit und nur damit auf der Seite von Rechtsstaat und Demokratie? Der UN-Beauftragte für Meinungs- und Redefreiheit jedenfalls sagt, dass man ganz klar weit ab von Rechtsstaat und Demokratie stehen muss, wenn man dieses Gesetz in seiner jetzigen Form toll findet und begrüßt.
Irgendwo muss man doch mal aufwachen und feststellen: also mindestens dieser Teil der EU ist einfach nur noch verrottet und absoluter Gegner von Freiheit und Pluralität (und soooo genervt von den scheiss Emails der scheiss constituents).

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.06.2017 20:29).

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