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mehr als 1000 Beiträge seit 16.06.2000

Da lehnt sich das OLG Stuttgart zu weit aus dem Fenster...

Zitat aus dem Artikel:

> Dieser Aktualitätsbezug sei bei Artikeln in einer Online-Enzyklopädie wie 
> Wikipedia jedoch nicht gegeben. „Diese sind auf ständige Aktualisierung durch 
> die Nutzer angelegt, geben also eine aktualisierte Biografie der Betroffenen 
> wieder“, heißt es in dem Urteil. Insofern können sich die Wikipedia-Betreiber 
> auch nicht auf das Urteil des Bundesgerichtshofes von 2009 berufen, dass es 
> Online-Medien erlaubt, Inhalte über abgeschlossene Strafverfahren weiterhin 
> abrufbar zu halten. Diese seien als Altmeldungen erkennbar. 

Das ist alles im Prinzip zu dünn für eine Urteilsbegründung, auf
jeden Fall spätestens dann, wenn man keine Revision zulassen möchte.
Es gibt erstmal keine rechtsverbindlichen Regelungen für
Online-Enzyklopädien, also kann man sich auch nicht irgendetwas
"erfinden" zu dem Thema. Das ist hier auch keine gute Idee, da eine
Enzyklopädie zwar "aktualisierte" Informationen bereithält, aber
dummerweise generell die meisten dieser aktualisierten Informationen
die Vergangenheit betreffen, wenn es um Personen des öffentlichen
Interesses oder die Dokumentation von Zeitgeschehen geht. Denn eine
Enzyklopädie hält ja nicht nur Einträge über aktuelle Pflanzen und
Tiere in der Biologie oder aktuelle medizinische Verfahren oder
aktuelle technische Verfahren vor, sondern auch über ausgestorbene
Pflanzen, Tiere, historische medizinische Verfahren oder historische
technische Verfahren. 

Und da Enzyklopädien im Prinzip bloße "Wissenssammlungen" sind,
spricht aus fachlicher Sicht ja nichts dagegen, dass man
Enzyklopädien den heutigen technischen Möglichkeiten anpasst und
ihnen Zeitungsarchive anschließt - denn diese beinhalten ja auch
Informationen von öffentlichem Interesse. Es gibt insofern auch
fachlich keine Auffassung, was über eine Person des öffentlichen
Interesses in einer Enzyklopädie gespeichert werden sollte und was
nicht. Man hätte sich insofern richtigerweise am Presserecht
orientieren sollen, aber das hat man ja verweigert - und dafür aber
leider keine belastbare Begründung abgeliefert.

Das Problem mit diesem Urteil kann man an einem praktischen Beispiel
verdeutlichen, das es umgehen könnte:

Sagen wir, die Wikimedia Foundation gründet morgen eine Wiki-Zeitung
und reklamiert für diese Wiki-Zeitung dann freilich alle Regelungen,
die auch für Presse-Erzeugnisse allgemein gelten. Dann könnte die
Wikipedia in Zukunft zum Beispiel zu einem Personeneintrag einen
Such-Link auf die Wiki-Zeitungsarchive anbieten, über den man
"Altmeldungen zur Person" suchen lassen kann (freilich dann als
solche gekennzeichnet).

Und damit sollte dann spätestens klar sein, wo das OLG Stuttgart sich
sozusagen verfranzt hat. Wenn es nur um Formfehler gegangen wäre, die
"Form" hätte die Wikipedia sicher geändert, oder? ;)

MFG/Z

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