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  • Queerdenker

822 Beiträge seit 20.03.2005

Ähnlichkeit ist keine Gleichheit

Zwei kleine Parteien treffen sich und diskutieren über
Gemeinsamkeiten. Beide Parteien verdanken ihren Stimmenanteil einer
tiefsitzenden Verdrossenheit der Bürger. Beide Parteien könnten bald
schon zu einer Randnotiz der Geschichte mutieren. Das sind die
Gemeinsamkeiten. Auch wenn die Themen so nett verpackt sind für die
Generation "Web2.0", die wirklichen Lösungen für die Zukunft dieses
Staates kennen sie nicht. 

Ein völlig anderer Punkt, der zunächst nichts mit dem Thema gemeinsam
zu haben scheint. Ein Jugendforscher spricht von einer "modernen" und
einer "postmodernen" jungen Generation. Postmoderne ist für mich der
geistige Absturz, als Helmut Kohl 1982 die Rolle rückwärts begann.
Aber, was ist Moderne? Der Forscher gab sogleich die Antwort: " das
sind Jugendliche, die verstanden haben wie sie sich gut verkaufen,
die vernetzt sind, die kreativ und aktiv in unserer Gesellschaft
sind." Bei ihm stellen "postmoderne" Jugendliche Menschen dar, die an
gewissen Werten festhalten. 

Na, das könnte ja auch auf die beiden Parteien zutreffen. Doch es ist
falsch. Die Piraten stammen aus dem bürgerlich-intellektuellen
Milieu, während die Anhänger der Linken Menschen vertreten, die zu
den Verlierern der "modernen" Gesellschaft gehören. Die bürgerliche
Gesellschaftsschicht besitzt nur die Angst vor dem sozialen Abstieg,
die Wähler der Linken sind längst abgestiegen. Früher nannte man
diese bürgerliche Mittelschicht die Bourgeoisie, das klingt heute
nach Karl Marx, aber beschreibt es gut. Das ist das Wählerpotential
der "Piraten". Kennzeichen dieser Schicht ist aber die soziale
Absicherung. Es sind Menschen, die entweder im Ernstfall bei Vater
und Mutter wieder unterkriechen können, wenn es eng wird, oder sie
haben Haus- und Wohneigentum geerbt und sind so gegen die schlimmsten
Folgen der Armut abgesichert. Daher auch das Verfechten eines
bedingungslosen Grundeinkommens. Arbeit wird als isolierte
selbstständige Tätigkeit  angesehen. Die Produkte, die durch diese
Arbeit hergestellt werden, gehorchen allein dem Marktdiktat. Das
können heute virtuelle Kuckucksuhren sein, oder morgen ein neues
Design für eine Espressomaschine. Es ist das Modell einer kleinteilig
produzierenden Dienstleistungsgesellschaft auf Abruf. Solidarität und
soziale Verantwortung gilt bestensfalls für die eigene Famailie.
Diese schrumpft jedoch beständig.

Die Linke ist die Partei der Absteiger aus einer
Industriegesellschaft. Was die CDU-Politiker gern als "old
technology" bezeichnen - zu Propagandazwecken. Die
Deindustrialisierung in Deutschland hat aber so tiefgreifende
Wirkungen, dass sie die eigentliche Basis des gewachsenen Wohlstandes
zerstört. Wenn aus jeder leerstehenden Werkhalle oder Fabrik ein
Museum  oder eine neue "Loft" für FDP-Wähler entsteht, wird es bald
an Museumsbesuchern oder solventen Käufern für die Eigentumswohnungen
fehlen. Keine moderne Gesellschaft kommt ohne Massenarbeitsplätze
aus. Diese sind aber nicht in einer mittelalterlichen
Handwerksgesellschaft zu finden. Doch dahin verändert sich unser
Land. Wenn das Handwerk auch heute IT-Anwendungen, lifestyle-Artikel,
Lieferdienste, Logistikunternehmen, etc. beinhaltet. 

Die Rechnung wird erst zum Eintritt in das Rentenalter präsentiert.
Daran denken Piraten überhaupt nicht. Denn im Gegensatz zur
Staatspropaganda finanziert in Wirklichkeit noch jeder Werktätige
seine eigene Rente selbst. Man schaue sich nur einmal den eigenen
Rentenverlauf genauer an. Gerade die langjährigen Arbeitsverhältnisse
zu Entgelten aus einem Tarifvertrag ermöglichen es den Rentnern heute
auskömmlich zu leben. Bereits meine Generation muss mit empfindlichen
Einschnitten durch nicht mehr angerechnete Ausfallszeiten rechnen.
Die junge Generation wacht leider erst dann auf, wenn es zu spät ist.
Eine kleinteilige Arbeitsgesellschaft kann nur dann eine
entsprechende Altersversorgung solidarisch sichern, wenn
entsprechende Versicherungsleistungen erbracht werden. Diese sind
aber kontraproduktiv zu einer effektiven Arbeitsleistung. Die
billigste Arbeit und daher auch effektivste ist immer noch die
Sklavenhaltung. Warum sind Zeitarbeitsfirmen denn so erfolgreich? 

Beide Parteien haben ein gemeinsames Problem: diese Gesellschaft muss
völlig umgestaltet werden. Das ist mehr als nur politische
Differenzen zu erkennen und zu beseitigen. Auf diese
gesellschaftliche Umwälzung sollten sich beide Parteien
konzentrieren. Bei den etablierten Parteien ist die Entwicklung
absehbar. Das Beispiel von Deutschlands Osten führt auch im Westen zu
einer überalterten, entmündigten abgestumpften und verblödeten
Gesellschaft, die sich mit Aushilfsjobs und prekären
Arbeitsverhältnissen über die Runden hilft.Das Ganze nennt sich dann
moderne Dienstleistungsgesellschaft mit lebenslangem Lernen, wie man
die neusten Daddeläpps auf dem Tablett bedient, wo sonst nur darauf
die Beruhigungsmittel gereicht werden.         

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