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  • Beobachter aus Japan

97 Beiträge seit 14.03.2000

Digitale Verbannung? Zeit für Digitale Menschenrechte

99% aller deutschen Politiker in den 40ern/50ern dürften früher Musik
kopiert haben, legal, von Streaming-Medien auf Speichermedien (sprich
von Radio auf Kassette)... ich weiß nicht, wie dies in Frankreich
geregelt war/ist, aber vermutlich auch nicht viel anders.

Was sonst nur chinesischen Dissidenten unter weltweitem Protest
widerfährt, soll hier zur Regel werden? Eine kleine
Musikindustrie-Lobby schafft, was sonst nur Diktaturen gelingt? Und
die Künstler werden weiter mit "Flatrate-Verträgen" abgespeist?

Zum dritten Mal eingestellt, leider aus gegebenem Anlass (vielleicht
nochmal grün?):

Digitale Verbannung? Zeit für Digitale Menschenrechte

Ich weiß nicht, wenn über ich solche Pläne lese, muss ich an die
Praxis der Bannurteile in Südafrika denken, vor etlichen Jahren, also
an etwas, dass mit Demokratie, Freiheit, und Menschenrechten nicht
vereinbar scheint.

Zumindest in Ländern mit einer freiheitliche demokratische
Grundordnung sollte man darauf achten, dass der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

1) Die Musikindustrie rechnet Milliardenbeträge an Verlusten hoch,
ohne zeigen zu können, dass ohne illegale Downloads tatsächlich
soviel mehr erwirtschaftet würde. Es scheint wahrscheinlich, dass die
meisten teils jugendlichen "Downloader" gar nicht die finanziellen
Resourcen haben, all das zu kaufen, was sie herunterladen. Es ist
durchaus möglich, dass die "Downloader" ohne Downloadmöglichkeit
bspw. nur 10% der heruntergeladenen Songs kaufen würden. Entsprechend
beträgt dann die "Schadenssumme" nur ein Zehntel der von der
Musikindustrie genannten Zahl.

2) Auch diese deutlich kleinere Schadenssumme kann noch übertrieben
sein. Es gibt ja Studien, denen zufolge "Downloader" viel mehr Musik
kaufen, als "Nicht-Downloader" (sogar etwa fünf mal mehr, wenn ich
mich recht erinnere). Die "illegalen Downloads" könnte also
genausogut ein kostenloser Werbeeffekt für die Musikindustrie sein,
eine Art (kostenlos für die Musikindustrie organisiertes) Probehören
(ähnlich wie Youtube).

3) Angesichts neuer, digitaler, Hardware-ungebundener, günstigere
Vertriebsformen können die sinkenden Umsätze auch einfach die
sinkenden Kosten reflektieren. Könnten bei Ausnutzung dieser neuen
Möglichkeiten die Umsätze nicht auf ein Viertel der momentanen
sinken, ohne dass die Künstler weniger bekämen?

4) Ist der Versuch, die Preise im digitalen Zeitalter so hoch zu
halten, wie im Vinyl/CD-Zeitalter, ähnlich sinnlos, wie der Versuch,
den Versand von E-Mail so teuer zu halten, wie den Versand eines
echten "snail mail" Briefes? Ohne echte Gegenleistung? Ist das
"Label", ursprünglich der Aufkleber in der Mitte von Schallplatten,
beim digitalen Musikvertrieb ähnlich überflüssig, wie der Aufkleber
"Briefmarke" beim E-Mail-Versand? Ein marktwirtschafltich eigentlich
nicht überlebensfähiger Atavismus, dem deswegen nur bleibt, zu
versuchen, sich mit Lobbyarbeit am Leben zu erhalten?

5) "Downloaden" ist nicht etwa ein neues Phänomen; "schon immer"
konnte man bei Gottschalks "Pop nach acht" den Kassettenrecorder
mitlaufen lassen, völlig legal. "Schon immer" konnte man Filme im
Fernsehen auf Videoband "herunterladen". Geregelt über akzeptable
Gebühren auf Aufzeichnungsmedien; sollen sie eben ein paar Cent
Gebühr pro GB einführen.

6) Könnten von einer Kulturflatrate nicht alle profitieren, Künstler
wie Endverbraucher?

Ich gehöre zur Zeit zu den Nicht-Downloadern, insofern betrifft mich
dies zunächst wenig. Dennoch: Wenn man ernsthaft die Digitale
Verbannung erwägt, dazu noch aus völlig unverhältnismäßigen Gründen,
ist es höchste Zeit, Digitale Menschenrechte zu konkretisieren.
Einstweilen könnte man argumentieren, dass eine Digitale Verbannung
eine Reihe von bestehenden Menschenrechten in unverhältnismäßiger
Weise einschränkt (Recht auf Leben, Recht auf Freiheit, Recht auf
Bildung, Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben, Recht auf
Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, Recht auf Arbeit,...)
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