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  • Mov Faltin

mehr als 1000 Beiträge seit 11.12.2013

Ssänk ju foa räwweling wiss Römisch-Katholische Kirche

Bahnhof, Bahnhof, Bahnhof! Ich verstehe bloß Bahnhof!

Dabei haben wir doch Advent, auch in Berlin! Schon irgendwie großer Bahnhof, aber eben nicht für glühweinaffine Liefervehikel, nicht für Laudatorenpiloten mit ihren immergleichen Nichtlandeslots abseits der Nichtlandebahnen, und auch nicht für den Vier-Stunden-plus-Südnordexpress, durch den der Hauptbahnhof im Grunde näher an Bayern, an die bayerischen Städte, heranwächst. Sondern vom Jessesné.

Wir erinnern uns: Vor rund 2017 Jahren war es eine Überwachungsaktion im Süden, welche Leute trieb zum Wagen beschwerlicher Märsche und Stallaktivitäten. Nehmen wir also einmal an, der Christenseppl und die Christenmaria hätten sich nicht nach Bethlehem geflüchtet, sondern wären zu den Eseln und Ochsen nach Berlin gefahren. Wie das? Das Kind im Bauch, Weib ans Händel, ab über die Judäischen Berge und die 80 km bis zum nächsten Schlepperhafen ans Mittelmeer. Kind trampelt im Leib, Seppl ist krank, Frau nervtötend, Blasen an den Füßen, sonnengegerbte Haut, ja, trotz der Jahreszeit, und so gut wie kein Proviant. Aber bis zu den Schleppern schleppen, das geht irgendwie. Dann erstmal 15.000 Euro abdrücken (wahlweise Gold/Myrrhe/Weihrauch -- wenn man's denn hat), für die Überfahrt, für alle drei gibt's auch Papiere. "Jupp Hauptmann" der neue Name auf dem eilig dahingelexmarkten Pass. Und bevor es aufs Wasser geht, geht es erst einmal auf der Ladefläche eines Jeeps rund 300 km an der Küste entlang, Richtung Südwest, so, als hätten die irgendwas falsch verstanden, diese Araber. Aber dann: Ankunft an einem felsigen Küstenabschnitt bei Nacht, und ein Herr namens Jafaar pumpt gerade mit einer Standluftpumpe die letzten Zehntelbar in das Schlauchboot für die Überfahrt. Also, Glück gehabt, doch keine Betrüger. Dennoch heißt es erst einmal warten, denn es sind erst rund 144 Passagiere da. Dann kurze Einweisung: Schmeißt Eure Papiere weg, dann müssen sie Euch erstmal reinlassen; tut krank; schützt die Kinder an Bord als Eure eigenen vor -- Eheproduktesplitting, hier gilt das Einkindgesetz. Jafaar -- oder wie man den schreibt -- hat schon die ungefähre Position des nächsten Bootes einer Hilfsorganisation über Funk erfahren und markiert das auf einer selbstgezeichneten Skizze, die er Jupp mit einem Fingerzeig in Richtung der Wassermitte in die Hand drückt. Der hat ab jetzt das Kommando. Denn ohne geht das nicht. Noch ein letztes Wort: Schmeißt die Siechen schon früh ins Wasser, sonst werdet Ihr nicht ankommen. Jupp bekommt eine Knarre ausgehändigt, falls irgendwer aufmucken sollte. Das tun aber nur zwei, im Laufe der Überfahrt: Eine junge Mutter, die Jupp wie befohlen ohne Umschweife erschießt und das Kind vorsorglich gleich mit, und ein ausgemergelter Halbstarker, der es sich anders überlegt habe und doch lieber im syrischen Flüchtlingslager seine Ration Brötlein und Wässerchen bevorzugen würde. Ein Schuss Darwin, peng! So rund vierzig Leute, diejenigen, die auf den Polstern außen sitzen, gehen über Bord, zwölf davon werden wiederhochgehievt, die anderen sind schlichtweg nicht auszumachen. Der Motorsprit geht aus, und das Boot wird zum Spielball der wogenden Mediterranea. Kurz vorausgegriffen: Sie werden aufgegriffen, nicht von Frontex, sondern tatsächlich von bleichen, schmächtigen Gestalten mit Unmengen an Kaffee-Latte-Vorrat und nervösem Gesichtsausdruck, und sie werden in Italien an Land gebracht. Und einkaserniert. Jupp gelingt mit Frau samt Kind die Flucht, und sie schlagen sich im Frachtraum eines LkW, der Möbelkartons geladen hat, nach Deutschland durch. Unbehelligt von den Schergen der Frontex. Ein kurzer Fußmarsch, ein paar hilfsbereite und ein paar angewiderte Menschen später -- und sie haben dank eines einigermaßen sprach- und ortskundigen Kontakts aus der Whats-App-Gruppe den Bahnhof gefunden. Bloß weg von der Grenze, weg von Frontex und den Erlebnissen rund ums Mittelmeer. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass alles noch schlimmer kommen kann. Sie haben ihre Rechnung ohne die Deutsche Bahn AG gemacht.

Die Dramilie steht in der Concoursemasse des Münchner Hauptbahnhofes. Schon vor vier Stunden hätte ihr Zug einfahren sollen, und hier haben sie dank eines mitmenschelnden AfD-Mitglieds tatsächlich ganz reguläre Tickets gesponsert bekommen, mit Zugbindung. Laut Plan sollten sie jetzt schon in Berlin sein, im Safe Harbour all der Linksalternativen vom Wedding -- wobei jetzt, "Wedding", das ist ja nix, nach dem ihnen der Sinn stünde. Das Kind ist ja nicht einmal von ihnen beiden gleichermaßen; Maria ist bald nur die leibliche, nicht aber die zeugende Mutter. Aber dort gebe es einen großen Fundus an nützlichen Helfern -- während in Dortmund oder Magdeburg... Auch hier sei die Tortur der Reise nur kurz in Stichworten wiedergegeben; für eine Echtzeitwiedergabe bedürfte es rund vierzigtausend Seiten DIN A4 in Zehnpunktschrift mit einfachem Zeilenabstand. Zugausfall, Toilettenvorfall mit Norodings, Krankenhaus, Heizungsausfall, Krankenhaus, Stellwerkunfall, Krankenhaus, Bordbistrosalmonellen, Krankenhaus, Selbstmordeinfall mit Aufprallschaden durch Notbremsung, Krankenhaus, Dynamo-Dresden-Hools-Vorfall, Krankenhaus, Kreischkinder im Abteil, Tinnitusklingeln, Krankenhaus, Entgleisung, Krankenhaus, Nothalt nach unplanmäßiger Zughaltdurchfahrt, klatschdiescheibe, Krankenhaus, Taschenklau durch Romakinder mit anschließender Ticketkontrolle und abschiebungspräventivem Schaffnererstechen, und dann schnell raus aus dem x-ten Umsteigezug in Südkreuz. Und jetzt das: Videokameras! Überwachung!
Also: Bäuchlings auf den Bahnsteig, Pranken und Zehen auseinandergereckt ergeben und warten auf die Schergen!

Und das wäre ja in Bethlehem ähnlich gewesen, höchstwahrscheinlich hätte das dort -- im Gegensatz zur Hauptstadt aller Blähblasen, Berlin -- sogar technisch funktioniert mit der Bildübertragung oder gar -auswertung. Hätte es damals also schon rund um Jerusalem solch eine Überwachungstechnologie gegeben, hätte es dem religiösen Narrativ bar des Christfestes an jeglichem Fundament gefehlt. Und ohne dieses Fundament hätte die Kirche ihre inquisitorischen Überwachungstechnologien gar nicht erst entwickeln können. Womit es dann heute keine solche Überwachungstechnologie gäbe. Schön wär's gewesen! Und der Wermutstropfen, der Verlust des Weihnachtsfestes, dieses Kanons an Unsinn (Oh, ein Baby, das braucht sicher... Weihrauch! Myrrhe! Bitcoins!) und -sitte (Nadelwälder abholzen, um sie anzustecken) und -singen (Wham!), der ließe sich in endlich mal qualitativ ordentlichem Rotwein ersaufen. Und nicht in diesem Punschpansch! Aber der Zug ist wohl abgefahren. Irgendwo, fernab des Kursbuchhalts. Wahrscheinlich in der Pampa.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (17.12.2017 02:03).

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