Ansicht umschalten
Avatar von multics
  • multics

mehr als 1000 Beiträge seit 08.09.2004

Re: Interessant ...

Naja, du baust halt ein System was auf verbrennen von fossilen Brennstoffen beruht nicht mal eben um.

Ich sehe derzeit drei Aspekte:

1. Umbau des gesamten Energiesystems auf CO2 freie Stromerzeugung.

2. Einfangen von CO2.

3. Reduktion von CO2 Emissionen durch weniger Menschen und/oder negativem Wachstum.

Zu Punkt 1.:

Wir verbrauchen derzeit 9 EJ/Jahr an Endenergie in Dt-Land (E = Exa = 10 hoch 18). Diese Menge erhält man, wenn man alles in einen Topf wirft, also Strom + Kohle + Gas + Öl. Das sind 2500 TWh. Selbst wenn der Strom, das sind etwa 500 TWh, komplett zu 100% aus Erneuerbaren kommt, fehlen immer noch etwa 2000 TWh. D.h. etwa 80% der Energie kommen dann immer noch von fossilen.

Aufgrund der geringen Leistungsdichte von Wind*) und Solar, habe ich keine Idee wie wir die verbleibenden 2000 TWh schaffen wollen. Wir schaffen ja Strom schon kaum. Dazu kommen das Speicherproblem und der Umbau des gesamten Energiesystems auf Strom.

Wasserkraft geht nicht überall und ist ausgereizt. Alle anderen sind klein, bzw stark limitiert wie zB Biogas. KWK Anlagen verbrennen fossile Brennstoffe. Kernenergie ist nicht gewollt, teuer und hochproblematisch, insb wegen des radioaktiven Abfalls. Wasserstoff hat sehr hohe Verluste bei der Umwandlung und braucht eine teure Infrastruktur.

Die Physik, und insb die Thermodynamik, lässt sich nicht austricksen. Da gibts kein free lunch.

Zu Punkt 2.:

Einfangen von CO2 funktioniert derzeit nur im Labor, bzw kleinen Versuchsanlagen. Eine Variante wandelt das aus der Luft gefilterte CO2 in synthetischen Sprit um. Schöne Idee mit nur einem riesen Haken: Enormer Energieverbrauch.

Bäume pflanzen bringt wenig bis nichts, denn Bäume fallen irgendwann um und verrotten. Dann wird das gefangene CO2 wieder frei. Ausserdem müssten Bäume in Mengen gepflanzt werden, die nicht erreichbar sind. Wäre schon schön wenn der Amazonas nicht weiter abgeholzt würde um dort Futter für Schweine anzubauen.

CCS ist sehr umstritten. Und nirgends gross im Einsatz. Dabei wird das CO2 direkt bei Erzeugung unter die Erde gepresst. Durch das Abspalten und Verpressen des CO2s produziert ein Kraftwerk mehr CO2 als ohne CCS, aufgrund des geringeren Wirkungsgrades. Denn das Abspalten und Verpressen verbraucht Energie. Wenn jetzt der CO2 Speicher in der Erde undicht ist, gelangt mehr CO2 in die Atmospäre also ohne CCS. Ausserdem ist jeder Speicher irgendwann einmal voll.

Zu Punkt 3.:

Jede Art von Geburtenkontrolle ist in den westlichen Ländern unvorstellbar. Negatives Wachstum allerdings kann man leicht erreichen. Man erhöht dazu den Preis für eine Tonne CO2 so weit, dass die Wirtschaft schrumpft. Aber auch dies dürfte politisch nicht gewollt sein.

Zu Punkt 1 und Punkt 3:
Wenn nur wir das hier in Deutschland so machen, werden andere Länder zB das Öl was wir nicht verbrauchen gerne nehmen, da es ja billiger wird. Am Ende wird weltweit genau so viel CO2 produziert wie zuvor. Ein Alleingang von wenigen Ländern macht also keinen Sinn. Insb dann nicht wenn grosse CO2 Emittenten wie USA oder China nicht mit an Board sind.

Ein weiteren Aspekt finde ich noch sehr interessant: Effizienzgewinne werden oft (nicht immer!) aufgefressen. Siehe Jevons Paradox auf Wikipedia (auch Rebound Effect). Der Jevons hatte beobachtet, dass, nachdem James Watt die Dampfmaschine entscheident verbessert hatte (vorher gab es Dampfmaschinen, aber sie waren aufgrund ihrer geringen Effizienz fast unbrauchbar), der Bedarf an Kohle erst so richtig explodiert ist.

Allgemein, wenn man sich die Menschheitsgeschichte so anschaut, kann man erkennen, dass wir immer von einer Energieform zu nächst effizienteren/energiedichteren Form gewechselt sind. Bzw ergänzt haben. Vom Jäger & Sammler zum Landwirt, Kohle statt Bäume fällen usw. Der moderne Mensch hatte zwei sehr wichtige Meilensteine: Erst wurde er zum Werkzeugmacher, später dann hat ihm Sprache ermöglicht bei jeder Generation nicht immer bei Null anfangen zu müssen. Dadurch hatte der Mensch einen ernormen evolutionären Vorteil. Wir sind Opfer unseres eigenen Erfolges.

Wir verbrauchen deshalb so viel Energie, weil uns Wissenschaft (Folge von Werkzeugmacher + Sprache) ermöglicht Arbeit von Maschinen verrichten zu lassen. Durch diesen Einsatz von Energie haben wir Wachstum und Wohlstand generiert, getrieben dadurch, dass jede Generation besser leben will, als die Generation zuvor. Würden wir diesen Prozess umkehren, so würde das die CO2 Emissionen natürlich senken, aber es gibt dann halt zwangsläufig eine wirtschaftliche Kontraktion, was sich mit dem Wunsch von immer mehr Menschen nach immer mehr Wohlstand nicht vereinen lässt.

Multics.

*) Windparks zB haben nur eine Leistungsdichte von maximal 1W/m^2, siehe Wikipedia Artikel "Leistungsdichte".

Bewerten
- +
Ansicht umschalten