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  • fr.osch

mehr als 1000 Beiträge seit 25.01.2000

"Zugriffe sollen protokolliert werden"...

Guter Witz... die Protokolle sind natürlich geheim. Wer darf denn auf diese Protokolle zugreifen? Wer darf denn prüfen, ob alles mit rechten Dingen zuging? Der Verdächtige bestimmt nicht - wenn der überhaupt jemals erfahren sollte, dass es Zugriffe gab.

Wenn schon Protokolle, dann mit einer anonymisierten Veröffentlichungspflicht nach spätestens sagen wir drei Monaten sowie einer Mitteilungspflicht an alle Betroffenen. Aber solche Mitteilungspflichten funktionieren ja heute schon nicht - auch heute schon muss nach Abhörmaßnahmen jeder Abgehörte informiert werden, das macht natürlich keiner, und die Abgehörten können auch nicht dagegen klagen, weil sie es ja nicht wissen... so funktioniert ein Rechtsstaat. Schutzpflichten einführen und einfach ignorieren.

Das "Vier-Augen-Prinzip" ist auch so eine tolle Erfindung. Die Augen gehören natürlich zu Beamten der Sicherheitsbehörden, und da kennen wir den Korpsgeist zur genüge, der es ganz selbstverständlich findet, vor Gericht zu lügen, um einen Kollegen straffrei zu halten und einen unschuldigen Bürger in den Knast zu bringen. Solchen vier Augen soll man vertrauen?

Typischer Feigenblattbürokratismus. Ebenso wie die "besonders sichere Verschlüsselungsverfahren", die jetzt offenbar erstmalig zum Einsatz kommen sollen. Das bedeutet natürlich nebenbei, dass sensible Daten bisher ohne solche Schutzmaßnahmen gespeichert werden... ein Armutszeugnis.

Oder "gesonderte Speicher", "die hinreichend vor Zugriffen aus dem Internet geschützt sind." Ach, die gibt es bisher nicht? Wie interessant... warum eigentlich nicht?

Ebenso lustig ist der neue Straftatbestand "Datenhehlerei"... jetzt endlich wird möglich, was Bürgerrechtler seit vielen Jahren fordern? Nur um doch noch eine grundgesetzwidrige und europarechtswidrige Vorratsdatenspeicherung durchzudrücken? Natürlich ist die gewerbsmäßige Datenhehlerei der Konzerne und Werbeindustrie weiterhin legal, ebenso der Verkauf von gestohlenen Daten (zum Beispiel von Banken) oder die Verbreitung von erbeuteten Daten aus Hackerangriffen. Nur mit Vorratsdaten darf nicht gehandelt werden. Warum also nicht gleich richtig und jeglichen ungenehmigten Handel mit Daten unter Strafe stellen? Ach so, die Lobbyisten haben sich beschwert... das ist wichtig für die Wirtschaft. Ja dann.

Und dass es bei Sexualdelikten auch Abfragen geben soll, ist auch bitter - damit sind dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, denn die neuen Pläne zum Sexualstrafrecht bedeuten ja, dass "es" auch strafbar ist, wenn eine beteiligte Partei es sich irgendwann mal anders überlegt und es im Nachhinein doof findet... da kann man ja nur froh sein, dass es "nur" zehn Wochen sind, die dann noch abrufbar sind.

Diese zehn Wochen sind aber auch reine Willkür - warum zehn Wochen? Hätte das die NSU-Mordserie verhindert? Ach nein, dafür hätte man ja wenigstens ansatzweise in die rechtsextremistische Richtung überhaupt ermitteln müssen, das wollte man aber partout nicht... dass das Ganze jemals ans Tageslicht kam, ist doch auch bloß die eigene Doofheit der Täter gewesen, deren Schusseligkeit die der Polizei noch übertraf. Wenn es nach der Staatsgewalt ginge, hätten die Täter problemlos straffrei davonkommen können, aber dazu waren sie einfach zu ungeschickt. Da nützt ja auch eine Vorratsdatenspeicherung nichts.

Ach ja, bei den Franzosen hat die bereits vorhandene Vorratsdatenspeicherung ja auch nichts genützt. Aber wir brauchen die jetzt ganz dringend? Hat das irgendjemand mal schlüssig begründet? Oder ist das wieder mal nur ein feuchter Traum alter Männer in irgendwelchen ganz wichtigen Sicherheitsbehörden?

Diese ausgesprochen provisorische Vorratsdatenspeicherung, die keineswegs die Wünsche der Ermittlungsbehörden abbildet, soll nur die Unfähigkeit eben dieser kaschieren - und den Umstand überdecken, dass bei der Polizei immer weiter gespart wird. Der ständige Personalabbau ist eine Hauptursache für geringe Erfolgsquoten - da helfen auch Vorratsdaten nicht. Aber wir haben damit natürlich einen neuen Gang vors Bundesverfassungsgericht vorgezeichnet. Und wir lenken von solchem Gesetzesmist wie der PKW-Maut ab, deren Vorratsdaten ebenfalls ausgesprochen tiefe Eingriffe in die Grundrechte bedeuten. Hier wird ein Sommerlochfüller produziert, in dessen Windschatten wieder diverse, im Vergleich ach so harmlose Grütze durchgewunken werden kann. Sollte sie dann auch noch verfassungsrechtlich Bestand haben, was nicht mal unwahrscheinlich ist, wird sie zügig ausgebaut und erweitert - man muss eben klein anfangen, geradezu symbolisch. Es ist leichter, sie dann später nochmal aufzubohren, als gleich mit dem Holzhammer zu kommen. So kann man die Kritiker beruhigen (seht her, wie winzig sie geworden ist, man sieht sie fast gar nicht!), hat aber den Fuß in der Tür. Und darum geht es - einmal in die Richtung loslegen und dann sukzessive weitermachen. Den Überwachungsstaat in seinem Lauf hält weder... ach nein, das war erst neulich in einer anderen Welt.

fr.osch

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