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  • DigitalerVagabund

mehr als 1000 Beiträge seit 16.10.2019

Schöner Artikel, danke!

Der Wohnraumeigentümer hat sicher kein Interesse daran, dass jemand einsehen kann, ob die Wohnungstür abgeschlossen ist oder nicht. Vermutlich wird auch keiner wollen, dass ein Fremder die Heizung manipuliert. Ergo müssen auch Daten verarbeitende Algorithmen Identitäten besitzen.

So banal diese Erkenntnis sein mag ..

Ihr Zugriff auf Daten und die steuerungsfähigen Dinge ist passend zu schützen.

.. stelle ich mir schlechterdings die Frage, ob diese Forderung mit proprietärer Software überhaupt realisierbar ist!

Denn als einzigen(!) Anhaltspunkt für die Vertrauenswürdigkeit der Anbieter proprietärer Hardware, Software und Dienste sind obszöne(!) Monopolpreise(!), die wir an GAFAM zahlen.

Ob nun in Form von unverschämtem Datenraub oder in Form wettbewerbsfreier Preise: "Wir" haben die Kontrollierbarkeit unserer IT-Dienstleister bzw. der von ihnen verantwortungs-frei eingesetzten Werkzeuge, vollkommen aufgegeben.

Und um unsere Scham der Selbstentmündigung nicht so schmerzen zu lassen, erklären wir unsere eigene Ohnmacht zum "digitalen Normal"!

Das Groteske ist dabei, dass wir unbekannten Dritten die Macht an die Hand geben, für die für wir in der Demokratie (aus gutem! Grund!) eine Teilung eingeführt hatten!

In der Fähigkeit, sich mit Herrschaftswissen über unsere demokratisch kontrollierte Legislative, Judikative und Exekutive zu setzen, rammen im im Grunde unsere Demokratie mit Ansage (respektive pathologischer Ignoranz, aka "digitales Stockholm-Syndrom") in ein vor-aufgeklärtes, digitales Zeitalter.

Vor dem Hintergrund ist es zwar wenig überraschend (gleichwohl für überzeugte Demokrat:innen einer Kampfansage gleich kommende), dass es die folgende Dystopie in das Dokument "Smart City Charta Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten", des BMI geschafft hat (Seite 43):

6. Post-voting society

Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.

( https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/bauen/wohnen/smart-city-charta-langfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=7 )

Viele möchten in unserer digitale-dunklen Zeit vielleicht gar nicht wissen, wer einen solchen Satz in das BMI-Papier hinein lobbyiert hat - denn Nicht-Denken vereinfacht das Leben.

Denn ganz ehrlich: Für wen ist es in seiner/ihrer täglichen Videokonferenz am digitalen Fließband überhaupt wichtig zu wissen, ob die Erde eine Scheibe oder eine Kugel ist?

Ergo ist es das Privileg einer tatsächlich-wissenden, feudal-digitalen Klasse zu entscheiden, 1. was für uns alle Wahrheit sein soll, 2. welche Maßnahmen wir dann kollektiv und digital kontrolliert zu befolgen haben und 3., wer das Recht bekommen soll, im Rang einer Gottheit (allerdings kontrolliert vom digitalen Klerus und Adel) über uns zu entscheiden zu können.

Außerdem ist die bedarfsgerechte Verfügbarkeit von Daten und den daraus abgeleiteten Informationen relevant für die Funktionsfähigkeit smarter Dienste.

Und hier kommt dann die Gretchenfrage auf den Punkt:

Wer entscheidet denn bitte, was eine "bedarfsgerechte Verfügbarkeit der Daten .." für wen sein soll?

Wer entscheidet das, wenn unsere Legislative, Judikative und Exekutive de-facto in das Joch proprietärer Wissensherscher:innen gedrückt wurden - weil die Daten in Senken liegen, die der demokratisch kontrollierten Macht entzogen ist.

Wer aber die Dogmen des Neoliberalismus in Frage stellt, der diese Monopole seit 9/11 gefördert, ihre Wissensherrschaft bereitwillig geduldet und sie höchstens heuchlerisch kritisiert hat, der oder die wird öffentlich angegriffen und dessen/deren Reputation wird öffentlich zerstört.

Der neoliberale Verschwörungsmythos einer "unsichtbaren Hand des Marktes", bewirkt bei real existierenden, korrumpierenden Macht- und Wissensmonopoen genauso viel "Gutes", wie einst der real-existierende, naive Kommunismus.

Beim einen wissen wir vom Desaster - und fühlen uns auch 30 Jahre Später noch als Sieger. Beim anderen ist es die Frage, wie sehr wir uns Sand in die Augen streuen lassen und groß wir das Desaster werden lassen wollen: Ob wir vor oder nach dem Abgrund zum Stehen bleiben wollen.

Die smarte City hat die Aufgabe, die Gesellschaft vertrauensvoll zusammen zu führen und gemeinsam darüber zu streiten - und zu entscheiden -, wer die Macht haben soll, zu wissen, zu entscheiden und zu entscheiden, wer entscheidet (Zuboff).

Der Weg zur digitalen Aufklärung wird kurz, aber sehr anstrengend werden - und er muss global ausgerichtet sein. Dank Digitalisierung ist das auch möglich, wenn wir uns von den neoliberal-autokratischen Dogmen der analogen Zeit verabschieden!

Vagabund

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (27.04.2021 10:16).

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