Digiscoping: Mit dem Smartphone am Spektiv fotografieren

Von ambitionierten Fotografen wird das Smartphone oft belächelt, es gibt aber Bereiche, wo die einfachen Handyknipsen selbst teuren DSLRs überlegen sind. Bei der Digiskopie, also der Fotografie mit einem Spektiv, ist die kompakte Bauweise von Smartphones ein großer Vorteil.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Thomas Gade
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Bei Naturbeobachtern gehört ein gutes Spektiv zur Grundausstattung für jede Exkursion. Es ist naheliegend, die hochwertige Optik nicht nur zum Beobachten, sondern auch für fotografische Zwecke zu nutzen. Das Fotografieren mit dem Spektiv heißt Digiskopie (englisch: Digiscoping). Man kann im Prinzip jede Kamera anschließen. Besonders einfach geht es mit Smartphones.

Durch ihr geringes Gewicht und die flache Bauweise ohne herausfahrende Optik kann man Smartphones mit einfachen mechanischen Adaptern leicht an Spektivokulare montieren. Optische Adapter gibt es für Smartphones – anders als für Systemkameras – nicht, weil die Objektive von Smartphones nicht wechselbar sind.

Der Aufsteckadapter von Kowa sorgt für eine feste Verbindung zwischen Handyschale und Okular.

(Bild: Thomas Gade, medienarchiv.com)

Jedoch gibt es Adapter mit einer Halterung für das Smartphone und einer Befestigung am Spektiv. Kowa lässt für alle gängigen Smartphones individuelle Adapter (je 60 Euro, z.B. TSN-IP6/6s für das iPhone 6) produzieren. Sie bestehen aus passgenauen Schutzschalen für die Rückseite der Smartphones. Im Lieferumfang sind außerdem zwei austauschbare Hülsen mit unterschiedlichem Durchmesser, die auf die Augenmuscheln der Okulare von Kowa gesteckt werden.

Optische Elemente hat der Adapter nicht, es handelt sich um einen rein mechanischen Adapter. Möchte man wieder beobachten, zieht man den Adapter einfach vom Okular ab. Er kann unterwegs ständig am Smartphone bleiben und behindert nicht seine übliche Nutzung.

Diese Aufsteckadapter sind zwar mechanisch sehr simpel konstruiert, aber man kann mit ihnen gut arbeiten. Nachteil: Beim Kauf eines neuen Smartphones mit anderen Maßen benötigt man einen neuen Adapter.

Wenn das Okular des Spektivs über einen T2-Anschluss verfügt, kann man sich mit wenig Aufwand selbst einen passenden Adapter basteln.

(Bild: Thomas Gade, medienarchiv.com)

Einen maßgeschneiderten Aufsteckadapter muss man nicht teuer kaufen. Man kann ihn mit geringem Aufwand auch selbst bauen. Dafür braucht man eine passgenaue Smartphoneschale, einen Okulardeckel und etwas Klebstoff. Bei eBay gibt es entsprechende Smartphone-Schutzschalen für acht Euro inklusive Versand. Die Eingabe der genauen Smartphonebezeichnung und des Wortes „Alucover“ (Beispiel: „Samsung S5 mini Alucover“) führt zum Ziel. Aus dem Optikhandel besorgt man sich einen Okulardeckel (andere Bezeichnung: Okularabdeckung, Okularschutz). Das ist ein einfacher Plastikdeckel, mit welchem man das Okular bei Nichtbenutzung abdeckt.

In den Okulardeckel bohrt man mittig ein zentimetergroßes Loch und klebt ihn anschließend an die Schutzschale. Am Spektiv justiert man die Position des Okulardeckels mithilfe der Bildvorschau auf dem Smartphone-Display. Das geht natürlich nur, solange der Kleber noch nicht ausgehärtet ist. Für eine feste Verbindung empfiehlt sich 2-Komponenten-Epoxidharzkleber wie beispielsweise UHU Plus 2-K (10 Euro). Diesen Adapter setzt man wie einen Okulardeckel auf das Spektiv und zieht ihn mit einem Handgriff ab.

Man kann den Okulardeckel auch durch einen T2-Ring (20 Euro) ersetzen. Durch die Schraubverbindung sitzt der Adapter sicherer als ein Okulardeckel. Die Montage und Demontage des Adapters am Stativ verlangt dann aber mehr als einen Handgriff.

Die Digiskopie hat eine enorme Reichweite. Aufnahme von Störchen im Horst (circa 60 Meter Entfernung) mit Kowa TSN 883 und Smartphone Samsung Galaxy 5 mini.

(Bild: Thomas Gade, medienarchiv.com)

Wer sich nicht auf ein bestimmtes Smartphonemodell festlegen möchte, sollte zu einem verstellbaren Universaladapter greifen. Wir haben stellvertretend für diese Adapterkategorie den Lens2scope-Butterfly-Smartphone-Adapter (etwa 80 Euro) getestet.

Die Anbringung an das Spektiv erfolgt über eine weite Hülse, die über das Okular gestülpt wird und mit drei Halteschrauben festgeklemmt wird. Gebrauchsspuren am Okular sind dann nur eine Frage der Zeit. Der am Okular befestigte Adapterring kann vom übrigen Adapter getrennt werden, um einen Wechsel zwischen Beobachten und Fotografieren zu vereinfachen.

Uns hat das Konzept des Lens2scope-Butterfly nicht überzeugt. Die vielen Verstellmöglichkeiten erhöhen Größe und Gewicht des Adapters. Zudem bewirken die vielen verstellbaren Teile eine Instabilität. Es gibt im Handel eine unüberschaubare Vielfalt derartiger Universal-Adapter. Soweit wir das beurteilen können, leiden sie alle an ähnlichen Problemen wie der Lens2scope-Butterfly.

Eine Nahaufnahme aus sieben Metern Entfernung mit dem Samsung Galaxy 5 mini am Kowa TSN 883.

(Bild: Thomas Gade, medienarchiv.com)

Um den Bildausschnitt der Smartphonekamera an den Bildkreis des Spektivs anzupassen, muss man meist den Digitalzoom des Smartphones aktivieren. Abgesehen von wenigen Exoten wie dem Samsung Galaxy S4 Zoom verfügen Smartphones nicht über optische Zoomobjektive.

Wenn man den Digitalzoom nutzt, wird nur ein Teil des Sensors zur Aufnahme genutzt, das Smartphone rechnet diese verkleinerte Aufnahme dann per Interpolation auf die nominelle Bildgröße des Sensors hoch. Ein zweifacher digitaler Zoom reduziert beispielsweise die effektive Auflösung von acht Megapixel auf zwei Megapixel. Das entspricht etwa dem Full-HD-Format.

Für viele Zwecke wie Social Media und für die Bildschirmdarstellung ist das ausreichend. Beim Filmen in Full HD sind durch digitale Zooms bis zum Vergrößerungsfaktor 2x bei Smartphones mit mindestens 8-MP-Sensoren keine wesentlichen Einbußen bemerkbar. Ein Einzelbild bei Full-HD (1920 x 1080 Pixel) hat ja nur zwei Megapixel. Aus diesem Grund schlägt sich das Smartphone beim HD-Filmen am Spektiv recht ordentlich, beim Fotografieren muss man aber Abstriche in Kauf nehmen.

Das große Display des Smartphones ist auch zum Beobachten gut geeignet.

(Bild: Thomas Gade, medienarchiv.com)

Wir haben die Smartphones Samsung Galaxy S5 mini und S7 an verschiedene Spektive angeschlossen, um zu prüfen, welche Zoomfaktoren zum Einstellen eines Bildes ohne Vignettierung nötig sind. Je weniger der Digitalzoom eingesetzt werden muss, desto besser ist das natürlich für die Bildqualität.

Das Okular am Spektiv muss auf der niedrigsten Vergrößerungsstufe stehen, sonst nimmt die Randabschattung zu. Das verwendete Spektiv hat einen großen Einfluss auf den benötigten Digitalzoomfaktor.

Bei uns im Test benötigte das Kowa Prominar TSN 883 mit Faktor 1,5x den geringsten digitalen Zoom an unserem Samsung S5 mini. Jedoch verzeichnet die getestete Kombination stärker als beim Zeiss Conquest Gavia 85, welches einen geringfügig stärkeren Zoom (1,6x) benötigt. Das deutlich billigere Vanguard Endeavor H82 A liefert ein sichtbar kleineres Okularbild. Hier mussten wir mit Faktor 2,5x zoomen.

Der Autofokus des Smartphones funktioniert bei der Digiskopie, sofern die Schärfe am Spektiv vorab grob voreingestellt wurde. Der Autofokus der beiden von uns eingesetzten Samsung Galaxy Smartphones (S5 mini/S7) erwies sich als so flott, dass es grundsätzlich auch für bewegte Objekte reichen würde.

Durch die starke Telewirkung der Spektive ist es jedoch sehr schwierig, bewegte Objekte überhaupt im Bildfeld zu behalten. Ein weiterer Vorteil des Smartphones besteht darin, dass man bereits auf dem Display vieles ganz gut beobachten kann und es somit nicht unbedingt abgenommen werden muss, um einen Blick auf das Motiv zu werfen.

Smartphones hat man immer dabei. Durch ihre einfache Handhabung und den im Zusammenspiel mit dem Spektiv schnell arbeitenden Autofokus eignen sie sich gut für die Digiskopie. DSLRs, Spiegellose und hochwertige digitale Kompaktkamera haben zwar eine bessere Bildqualität bei Fotos, sie sind aber komplizierter zu handhaben und unliebsames Extragepäck bei einer Exkursion.

Die c't Fotografie 6/2016 enthält ein ausführliches Special, welches alle Aspekte der Digiskopie mit Smartphone, Kompakt- und Systemkamera behandelt. Hier wird auch im Detail erklärt, warum der kleine Bildsensor von Smartkameras am Spektiv Vorteile gegenüber dem großen Sensor einer DSLR hat.

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