Diese Bilder zeigen Orte kurz vor dem Verschwinden

Der Fotograf Marc Theis besucht Orte, die sonst niemand zu Gesicht bekommt. Eine Auswahl seiner Fotografien zeigt jetzt eine Ausstellung in Braunschweig. Die Ergebnisse sind faszinierend und manchmal auch ein wenig gruselig.

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Diese Bilder zeigen Orte kurz vor dem Verschwinden

(Bild: Marc Theis)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Alexander Kohlmann
  • dpa

Ein Schild wirbt für City-Snacks, unter der Decke strahlen knallige Muster – nur Menschen sind nirgendwo in der gespenstischen Szenerie zu sehen. Der Fotograf Marc Theis war einer der letzten, der den unterirdischen Teil des inzwischen abgerissenen Zentralen Omnibus Bahnhofs am Raschplatz in Hannover betreten durfte.

Theis erhält Zutritt zu Orten, die normalerweise verschlossen sind. Im Museum für Photographie in Braunschweig sind seine Bilder von Freitag an in der Ausstellung "Stadt im Bild – Verborgene Orte in Braunschweig und Hannover" zu sehen.

Ganz bewusst sucht der Fotograf für seine Bilder auch Orte auf, die kurz vor dem Abriss stehen – so wie den Omnibus Bahnhof in Hannover. "Es geht mir auch darum, Orte zu dokumentieren, die verschwinden", sagt er.

Ihn interessieren Räume, zu denen die allermeisten Menschen keinen Zutritt haben und die doch auf unterschiedliche Weise sehr beeindruckend sind. Davon gibt es in Hannover und Braunschweig einige, wie die Ausstellung zeigt.

Der Dachstuhl der St. Aegidien Kirche in Braunschweig zum Beispiel, den kaum jemals ein Mensch betritt. "Dort oben war es so dunkel, dass ich ausnahmsweise mit einem Blitzlicht arbeiten musste", erklärt Theis. Das Ergebnis ist beeindruckend. Wie der Bauch eines alten Segelschiffs sieht die langgestreckte Holzkonstruktion aus, deren Komplexität erst auf Theis Langzeitbelichtung komplett erkennbar wird.

Normalerweise arbeitet der Fotograf ganz ohne künstliche Beleuchtung. Es geht ihm auch darum, mit seinen Bildern der klassischen Fotografie wieder mehr Bedeutung zu verleihen – "als Gegenpol zu den Tausenden von Bildern, die wir jedes Jahr mit unseren Digitalkameras aufnehmen". In der Beschränkung sieht Theis eine besondere Qualität.

So konnte er in den Verkaufsräumen der Braunschweiger Firma Tapeten Hossfeld bei natürlichem Licht kein einziges Mal die Fenster fotografieren. Auf seinen Bildern erscheint das riesige, perfekt sortierte Tapetenlager wie ein verwunschenes Schloss, dessen Räume sich holzschnittartig bis zum Horizont verlängern. "An dieser surrealen Szenerie ist nichts gestellt", betont Theis. Er fotografiere die Orte genau so, wie er sie vorfindet.

Dabei entdeckt er immer wieder erstaunliche Relikte aus anderen Epochen. Der Zahnarztstuhl im Polizeigewahrsam in Hannover erinnert an Szenen aus einem Horrorfilm. Noch immer werden auf dem Gerät Menschen erkennungsdienstlich behandelt, also fotografiert. "Es ist ein Wunder, dass diese Einrichtung überhaupt noch in Betrieb ist", sagt Theis.

Oder das Depot des Städtischen Museums in Braunschweig. Hier lagern die von ihren Besitzern einst heiß geliebte Werke aus anderen Epochen dicht an dicht zusammengestellt, viele ohne jemals das Licht einer Ausstellung zu erblicken.

Menschen sind auf Theis' Fotografien nirgendwo zu sehen – die Räume sprechen für sich selbst und machen durch ihre besondere Atmosphäre Lust auf eigene Entdeckungsreisen. Noch bis Mitte März können sich Besucher der Ausstellung in Braunschweig inspirieren lassen.

(keh)