Googles coolstes Projekt

Seit 30 Jahren erforscht John Martinis Konzepte für Quantencomputer. Jetzt baut er wirklich einen – für Google.

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Von
  • Tom Simonite

Seit 30 Jahren erforscht John Martinis Konzepte für Quantencomputer. Jetzt baut er wirklich einen – für Google.

Mit dem Bügel seiner Lesebrille deutet John Martinis auf die Stelle, an der in ein paar Jahren ein fast unvorstellbar mächtiger, neuartiger Computerprozessor arbeiten soll: ein zylindrischer Sockel von knapp vier Zentimetern Durchmesser an der Unterseite eines Stapels von Leiterplatten, Blöcken und Drähten aus Messing, Kupfer und Gold.

Kurz nachdem ich ihn im Herbst 2015 traf, installierte Martinis auf diesem Sockel tatsächlich einen ersten supraleitenden Experimentalprozessor, in den ein mikroskopisch kleines Google-Logo geätzt war. Dann kühlte er die Apparatur auf ein Hundertstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Zur Feier des ersten Tests lud er Mitarbeiter seines neu gegründeten Google-Labors im kalifornischen Santa Barbara in eine nahe gelegene Mikrobrauerei ein.

Sollten Martinis und seine Gruppe die Wundermaschine erfinden, nach der sie suchen, stünde allerdings eine sehr viel größere Party an. Indem er sich die seltsamen Eigenschaften der Quantenwelt zunutze macht, könnte der neue Prozessor in einer Kaffeepause Berechnungen erledigen, für die heutige Supercomputer Millionen von Jahren benötigen.

Die theoretischen Grundlagen eines Quantencomputers sind gut etabliert. Physiker sind auch in der Lage, die Grundeinheit – ein sogenanntes Qubit – zu erzeugen, auf die der Quantencomputer aufbauen würde. Sie lassen sogar Qubits in kleinen Gruppen zusammenarbeiten. Doch die Herstellung eines voll funktionsfähigen, praktisch nutzbaren Quantencomputers ist bisher nicht gelungen.

Martinis will das ändern. Er gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten dieses Forschungsgebiets: Seine Gruppe an der University of California in Santa Barbara hat einige der stabilsten Qubits erzeugt, die es derzeit gibt. Im Juni 2014 stellte Google ihn ein. Mithilfe des neuen Labors glaubt Martinis, einen kleinen, aber nutzbaren Quantencomputer in zwei bis drei Jahren realisieren zu können. „Wir sprechen oft davon, dass wir die Geburtshelfer der Quantencomputer-Industrie sind“, sagt er.

Google und Quantencomputer, das wäre ein Traumpaar. Denn das Unternehmen hat zwar sein Geld damit gemacht, passende Anzeigen zu Suchergebnissen zu verkaufen. Seinen technologischen Vorsprung wird Google aber nur halten, wenn sein unstillbarer Hunger nach Daten einhergeht mit der Fähigkeit, aus diesen Daten intelligente Informationen zu gewinnen.

In jüngerer Zeit hat Google daher stark in die Entwicklung von Software für künstliche Intelligenz (KI) investiert, die zum Beispiel Sprache oder Bilder versteht, einfache Schlussfolgerungen beherrscht oder ein Auto durch den Verkehr steuert – alles Anwendungen, die für herkömmliche Rechner schwierig bleiben. Für Quantencomputer dagegen sollten sie ein Kinderspiel sein. (wst)