Die neuen Keimkiller

Manche Viren fressen krankmachende Bakterien einfach auf. Sie sind die neue Hoffnung im Kampf gegen sich ausbreitende Antibiotika-Resistenzen.

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Von
  • Susanne Donner

Seit Jahrzehnten mühen sich westliche Pharmahersteller, das schwindende Arsenal wirksamer Antibiotika zu erweitern – ohne viel Erfolg. Nun könnte die neue Hoffnung ausgerechnet aus dem ehemaligen Ostblock kommen. Und obwohl schon das eine überraschende Nachricht ist, dürfte die Art der Therapie noch weit überraschender sein: Sie beruht auf Viren und damit nicht gerade jenen Organismen, denen man seine Gesundheit anvertrauen würde.

Als der Mikrobiologe Johannes Wittmann vom Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) in Braunschweig beim jüngsten Tag der Wissenschaft spezielle Viren, sogenannte Phagen, als die nächste Generation von Antibiotika vorstellte, haben die meisten Besucher ungläubig gestaunt. Viren hält man hierzulande für gefährlich und denkt an HIV und Hepatitis. Tatsächlich verhält es sich mit den Phagen eher umgekehrt. Sie können gefährliche Bakterien wie den Cholera-Erreger vernichten. Dabei attackiert ein Phage meist spezifisch nur einen Bakterienstamm. Phagen werden die Antibiotika von morgen sein, glauben etliche Wissenschaftler, auch Wittmann.

Als Wiege der Methode gilt Georgiens Hauptstadt Tiflis. Das Land verfügt ebenso wie andere frühere Ostblockstaaten über eine jahrzehntelange Erfahrung mit den im Westen kaum bekannten Mitteln. Zu Zeiten des Kalten Krieges arbeiteten hier an die tausend Mitarbeiter im Eliava-Institut für Phagentherapie und produzierten täglich einige Tonnen der Arzneien. Denn es fehlte an Antibiotika. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verlor die Virenbehandlung aber an Bedeutung.

Nun aber stumpfen andere gegen Bakterien verfügbare Mittel zunehmend ab. Pneumokokken, Salmonellen und Kolibakterien haben sich längst Gene angeeignet, die sie gegen manche Präparate wehrhaft machen. Besonders verheerend ist die Situation in den Kliniken. In jedem deutschen Krankenhaus finden sich multiresistente Staphylococcus-aureus-Keime (MRSA), die bei Geschwächten zu Lungenentzündungen und Blutvergiftungen führen können. Vor allem ältere Patienten infizieren sich und müssen dann Antibiotika einer anderen Wirkstoffklasse oder ein sogenanntes Reserveantibiotikum erhalten, das für solche Fälle zurückgelegt ist. Trotzdem sterben hierzulande jährlich rund 23000 Patienten an den Infektionen. Neue Antibiotika sind in den vergangenen Jahren jedoch kaum noch entwickelt worden.

Könnten Phagen der Ausweg sein?

(inwu)