Wettkampf der Prothesen

Beim ersten Cybathlon in Zürich kämpfen Menschen mit Behinderung um Medaillen. Technik-Doping ist ausdrücklich erlaubt.

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Von
  • Christian Buck

Der Deutsche Andre van Rüschen und der Amerikaner Mark Daniel geben noch einmal alles: auf ein Sofa setzen, wieder aufstehen. Einen Slalom zwischen Stangen durchlaufen, eine Rampe hinauf- und wieder hinuntergehen, zwischendurch eine Tür öffnen und schließen. Danach schräge Ebenen bewältigen. An der letzten Station kommt das Treppensteigen. Der Deutsche nimmt die letzten Stufen nach unten im Vorwärts-, der Amerikaner im Rückwärtsgang. So gewöhnlich der Hindernisparcours auch wirken mag, so außergewöhnlich ist die Leistung der beiden. Van Rüschen und Daniel sind querschnittsgelähmt, ihre Beine können sie nur mithilfe elektromechanischer Stützen bewegen. Aber genau darauf kommt es hier an, denn der „Parcours mit robotischen Exoskeletten“ ist eine der Disziplinen beim ersten Cybathlon der ETH Zürich.

Am Ende sind es nur wenige Sekunden, die van Rüschen vorn liegt. Aber irgendwie ist das Ergebnis fast Nebensache – viel wichtiger ist, was er und seine 65 Mitstreiter in den insgesamt sechs Disziplinen an diesem Samstag Anfang Oktober in der Schweiz bewiesen haben: dass moderne Technik auch Menschen mit schweren Behinderungen einen Weg zurück in ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben ermöglichen kann. Anders als bei den Paralympics ist hier Techno-Doping ausdrücklich erwünscht. Die Tüftelei am technischen Hilfsmittel ist ein wesentliches Ziel des Wettbewerbs.

„Wir wollen auf unterhaltsame und spannende Weise auf die Möglichkeiten aufmerksam machen, die neue Technologien für Menschen mit Behinderung bieten, aber auch die Grenzen der Technik aufzeigen“, sagt Robert Riener, Professor für sensomotorische Systeme an der ETH Zürich und Initiator der weltweit einmaligen Veranstaltung. „Und wir wollen die Forschenden dazu anregen, vermehrt alltagstaugliche und akzeptable Assistenzsysteme zu entwickeln.“ Vor vier Jahren kam ihm die Idee, heute ist sein großer Tag: Rund 4600 Zuschauer haben sich in der ausverkauften Swiss Arena in Zürich-Kloten versammelt, um die 66 Teams aus 25 Nationen anzufeuern. In der Halle geht es zu wie bei konventionellen Sportveranstaltungen: lautstarke Zuschauer, hüpfende überlebensgroße Maskottchen, zwei Live-Kommentatoren, Live-Interviews am Spielfeldrand und eine Übertragung auf einer Public-Viewing-Leinwand in der Nachbarschaft.

(jle)