Die Lithium-Posse

Bolivien wil mit ausländischer Hilfe eine Hightech-Industrie aufbauen. Deshalb produziert das bitterarme Land nun Lithium-Ionen-Akkus – obwohl es seine eigenen Lithium-Vorräte noch gar nicht nutzen kann.

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Bolivien wil mit ausländischer Hilfe eine Hightech-Industrie aufbauen. Deshalb produziert das bitterarme Land nun Lithium-Ionen-Akkus – obwohl es seine eigenen Lithium-Vorräte noch gar nicht nutzen kann.

Wer das alte und das neue Bolivien verstehen will, muss nach Potosí fahren. Die Vergangenheit kann man oberhalb der Stadt besichtigen, auf dem 4800 Meter hohen Cerro Rico. Jugendliche kratzen die letzten Reste Zinnerz aus den Minen des ehemals „reichen Bergs“. Das Silber ist längst verschwunden: Die Kolonialmacht Spanien hat sich Zehntausende Tonnen unter den Nagel gerissen. Bolivien blieb das ärmste Land Südamerikas, trotz seines Rohstoffreichtums.

Die Zukunft liegt unterhalb der Stadt. In einem staubigen Tal, eine halbe Stunde vom Cerro Rico entfernt, hat der staatliche Bergbaukonzern Comibol eine Akkufabrik errichtet. Fabrikleiterin Juana Olivares, im weißen Laboranzug und mit Atemschutzmaske, zeigt die brandneuen Maschinen. Hier wird Metallpulver gebacken, mikrometerdünn auf Folien gestrichen und zu Lithium-Ionen-Zellen gewickelt.

Präsident Evo Morales hat die Fabrik im Februar eingeweiht. „Wir wollen kein zweites Potosí“, sagte er. Im Salzsee Salar de Uyuni, drei Stunden von Potosí entfernt, lagern die weltgrößten Vorräte an Lithium, dem bedeutenden Grundstoff für Batterien für Smartphones oder Elektroautos (siehe TR 3/2010, S. 24). Nun will das Land von dem Schatz auch selbst profitieren – statt ausgeraubt zu werden wie beim Silber oder mit ein paar Dollars abgespeist zu werden wie beim Zinn. Morales will das Lithium im eigenen Land weiterverarbeiten: Er will eine Akku-Industrie aufbauen, in fast 4000 Metern Höhe, in einer Gegend der Anden, in der es kaum asphaltierte Straßen gibt. Seine Zentralbank hat 900 Millionen US-Dollar für das Projekt bereitgestellt.

Bislang arbeiten nur zwei Dutzend Ingenieure und Techniker in der Akkufabrik. Vorsichtig verkleben sie die gewickelten Metallfolien und stecken sie in Plastikgehäuse. Im nächsten Raum überprüfen sie die Stromwerte beim Laden und Entladen. Einige Akkus müssen in die „Folterkammer“. Hier werden sie von Maschinen auf alle erdenklichen Arten strapaziert und beschädigt. „Bislang ist noch nichts explodiert“, sagt Olivares. Im Moment produziert sie ein kleines Modell für Nokia-Handys und ein großes für E-Bikes. „Made in Bolivia“ lautet die Beschriftung.

(grh)