100 Jahre und gesund

Das "Methuselah"-Projekt will herausfinden, warum manche Menschen bis ins hohe Alter gesund bleiben. Ein neues Genanalyse-Verfahren hilft dabei.

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Von
  • Emily Singer

Wissenschaftler am Rothberg Institute, einer Non-Profit-Forschungseinrichtung im amerikanischen Guilford, wollen dem Geheimnis eines gesunden Lebensabends auf die Spur kommen. Dazu planen sie die DNA-Sequenzierung einer ganz besonderen Personengruppe: 100 Menschen, die mindestens 100 Jahre alt sind – oder sogar älter. Mit der Analyse soll herausgefunden werden, welche genetischen Variationen dazu führen können, dass man ohne gesundheitliche Probleme altert – und dies deutlich über die normale Lebenserwartung hinaus. Statistisch gesehen erreicht von 7000 Personen jeweils eine das Alter 100. Viele dieser Menschen sind auch noch mit 90 sehr agil. Warum das konkret so ist, kann sich die Forschung noch nicht genau erklären.

"Eine der Frauen, die wir uns näher ansehen wollen, ist über 100. Sie hat bis vor zwei Jahren noch Tennis gespielt", erläutert Jonathan Rothberg, Gründer des Rothberg Institute, der sein Geld mit der Gentech-Firma 454 Life Sciences verdient, die neue Sequenzierungsverfahren entwickelt und vermarktet. Rothbergs Traum: "Ich möchte die häufigsten genetische Variationen finden, die solche Menschen vor altersbedingten Gesundheitsproblemen schützen."

Das so genannte "Methuselah"-Projekt folgt auf die viel beachteten Veröffentlichung des Gesamtgenoms von James Watson, der die Struktur der DNA mitentdeckt hatte. 454 führte dies als Demonstrationsprojekt für seine neuartige Sequenzierungstechnologie durch – und die ist deutlich kostengünstiger als traditionelle Ansätze.

Das Altersforschungsvorhaben soll nochmals effizienter vorgehen. Sequenziert werden nur so genannte Schlüsselregionen der DNA. Diese kleinen Bereiche des Genoms, die ungefähr ein Prozent ausmachen, erlauben eine 100 Mal kostengünstigere Genentschlüsselung.

"Selbst wenn man das ganze Genom sequenziert, schaut man sich doch vor allem diese der 30.000 Gene des Menschen näher an – insbesondere die Schlüsselregionen, die die Proteine bestimmen", meint Rothberg. Ein Prozent sei zwar nicht alles, doch diese stünden für rund 95 Prozent der Biologie, die die Wissenschaft heute verstünde.

Das "Methuselah"-Projekt ist nicht das erste Vorhaben, das nach genetischen Variationen sucht, die mit der menschlichen Langlebigkeit in Verbindung stehen. Andere Studien verwenden Genchips, die besonders schnell spezifische Variationen auffinden können. Die tatsächliche Sequenzierung des Genoms findet laut Rothberg jedoch auch Variationen, die die die Genchips manchmal ausblenden - kleine Ergänzungsbereiche, Duplikate und so genannte Löschungen, die viel häufiger vorkämen als bislang bekannt. "170.000 Löschungen fanden sich allein in Watsons Genom. Andere Analysemethoden erkennen diese gar nicht", meint Rothberg.

Andere Experten sehen das ähnlich: "Das könnte eine direktere und schnellere Methode sein, das menschliche Erbgut zu betrachten", meint etwa Thomas Perls, Direktor der "New England Centenarian Study" am Boston Medical Center. Perls benutzt aktuell Genchips, um das Genom von Hundertjährigen zu untersuchen, ist aber daran interessiert, auch mit Rothberg zusammenzuarbeiten.

Laut Perls könnten sich hinter dem Erreichen eines extremen Alters verschiedene andersartige genetische Charakteristika verbergen – solchen Menschen fehlten womöglich Mutationen, die bei anderen Menschen Alterserkrankungen leichter auslösen, etwa Alzheimer und Herzkrankheiten. Andersherum wären auch Genvariationen eine Möglichkeit, die explizit gegen solche Krankheiten schützen – inklusive Langlebigkeits-Merkmalen, die den Alterungsprozess aufhalten können.

"Ich glaube kaum, dass es ein einzelnes mächtiges Gen gibt, das sich als Jungbrunnen erweist", meint Perle. Es sei eher wie bei einer Lotterie, in der man sechs Richtige bräuchte, um zu gewinnen. Jede der einzelnen Zahlen komme relativ häufig vor, doch zusammen fast nie.

Noch ist unklar, ob das "Methuselah"-Projekt ein Erfolg werden wird. Wenn jedes der Gene, die für gesundes Altern verantwortlich sind, nur eine moderate Rolle spielt, reichen 100 Menschen wohl kaum aus, um sie herauszulösen. Gene, die nur im Konzert mit anderen eine Rolle bei einem Erkrankungsrisiko spielen, lassen sich wesentlich schwieriger auffinden als solche, die garantieren, dass der Träger eine Krankheit entwickelt (das gilt etwa für die neurodegenerative Huntington-Chorea). Die meisten Genchip-Studien benötigen deshalb Hunderttausende von Teilnehmern, um die Genvarianten tatsächlich zu ermitteln, die mit komplexen Krankheiten in Verbindung stehen.

Rothberg macht sich über die kleine Gruppe an Testpersonen hingegen zunächst wenig Sorgen. Er betont, dass es in der ersten Phase des Projektes darum geht, seine neue Sequenzierungsmethode zu verifizieren. Ergeben sich daraus Kostenvorteile, könnte die Gruppe der hundertjährigen Versuchspersonen schnell vergrößert werden. Glücklicherweise kommen solche "Lotteriegewinner" immer wieder vor. (bsc)