100 Rechenzentren im Schuhkarton

Speicherung in DNA-Strukturen könnte das Problem der immer größeren Datenmengen in den Griff bekommen helfen. Die Technik macht Fortschritte, ist allerdings bislang zu teuer für einen Praxiseinsatz.

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Von
  • Andrew Rosenblum
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Es sieht aus wie ein Reagenzglas mit getrocknetem Salz am Boden, doch laut Microsoft könnte darin die Zukunft der Datenspeicherung liegen. Wie das Unternehmen Anfang Juli meldete, ließen sich auf diese Weise rund 200 Megabyte Daten, darunter Krieg und Frieden und andere Klassiker der Literatur, in DNA speichern.

Dass digitale Daten in DNA untergebracht werden können, hatten Forscher schon vorher demonstriert. Laut Microsoft ist es jedoch noch nie zuvor gelungen, in einem Schritt so viel davon in DNA zu schreiben wie bei dem aktuellen Projekt.

DNA ist ein gutes Speichermedium, weil Daten in Molekülen enger gepackt werden können, als es mit den Grundbausteinen der konventionellen Speichertechnologie möglich ist. Das erklärt Karin Strauss, die leitende Microsoft-Forscherin bei dem Projekt, an dem auch Forscher der University of Washington beteiligt sind. Noch ist die Technik teuer und kompliziert, doch sie könnte von den fallenden Kosten für das Herstellen und Auslesen von DNA profitieren, die von der Biotech-Industrie vorangetrieben werden. DNA wird als möglicher Ersatz für Magnetbänder angesehen, die heute das Standardmedium für langfristige Datenspeicherung darstellen.

"Das Unternehmen möchte herausfinden, ob wir ein end-to-end-System zur Datenspeicherung auf DNA-Basis entwickeln können, automatisiert und bei Unternehmen einsetzbar", erklärt Strauss. Nach ihren Worten liegt die Motivation für das Projekt in der Tatsache, dass elektronische Speichertechnik nicht so schnell vorankommt, wie das genutzte Datenvolumen wächst. "Wenn man sich die aktuellen Prognosen ansieht, können wir angesichts der Kosten mit den heutigen Geräten nicht alles speichern, was wir wollen", sagt sie.

Nach einer Prognose von IDC wird das Volumen aller gespeicherten Daten weltweit im nächsten Jahr 16 Billionen Gigabyte erreichen. Wie Strauss schätzt, könnte ein DNA-Speicher in Schuhkarton-Größe so viel Daten aufnehmen wie ungefähr 100 riesige Rechenzentren.

Außerdem kann DNA bemerkenswert haltbar sein, wenn man sie kühl und trocken aufbewahrt. Im März meldeten Forscher, Teile des Genoms von Menschen rekonstruiert zu haben, deren Knochen mehr als 400.000 Jahre in einer Höhle gelegen hatten. Magnetbänder als die heute beste Option für langfristige Datenspeicherung fangen nach nur ein paar Jahrzehnten an, zu degradieren.

Für eine Speicherung in DNA müssen die Nullen und Einsen von binären Digitaldateien in lange Ketten der vier unterschiedlichen Nukleotide oder Basen übersetzt werden, aus denen Erbmaterial besteht. Im Jahr 2012 schrieb der Molekularbiologe George Church ein Buch mit 50.000 Worten und knapp einem Megabyte Daten in DNA und druckte es auf ein Glasstück, das kleiner war als ein Pollenkorn. Dieses Jahr meldete er, 22 Megabyte Daten in DNA codiert zu haben.

Microsoft gibt jetzt an, auf fast die zehnfache Datenmenge gekommen zu sein, mit Millionen von DNA-Stücken, die jeweils 150 Basen lang sind. Für Reinhard Heckel, einem Postdoc-Forscher an der University of California in Bekeley, der selbst an diesem Thema arbeitet, ist das "beeindruckend". Das größte Hindernis für wirklich nützliche DNA-Speicherung aber seien die Kosten, denn es sei teuer, maßgeschneiderte DNA-Moleküle herzustellen. "Damit sie wirklich genutzt wird, muss sie billiger sein als Magnetbänder, und das wird nicht einfach", sagt er.

Details über die Kosten für seinen 200-Megybyte-Speicher mit ungefähr 1,5 Milliarden Basen verrät Microsoft nicht. Üblicherweise verlangt Twist Bioscience, das die DNA synthetisiert hat, 10 Cent pro Base, es sind jedoch auch kommerzielle Synthesen für nur 0,04 Cent pro Base möglich. Das Auslesen von einer Million Basen wiederum kostet ungefähr einen Cent.

Strauss geht jedoch davon aus, dass die Kosten für das Lesen und Schreiben von DNA in den nächsten Jahren deutlich sinken werden. Es gebe bereits Belege dafür, dass diese Entwicklung schneller verlaufe als bei Transistoren in den vergangenen 50 Jahren; dieser Fortschritt hat eine große Rolle für die Innovationen im Computerbereich gespielt.

Im Jahr 2007 kostete es noch 10 Millionen Dollar, ein menschliches Genom zu sequenzieren. 2015 war schon fast die Schwelle von 1000 Dollar dafür erreicht.

(sma)