Mensch gegen Mücke

Ein paar Tausend Insekten mit fremden Genen sollen Zika, Malaria und andere Krankheiten besiegen. Ein Anfang wurde 2016 gemacht.

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Von
  • Susanne Donner

In der Geschichte der Olympischen Spiele hat es das noch nicht gegeben: Eine einfache Mücke sorgte dafür, dass einige Athleten auf die Teilnahme an den Sommerspielen 2016 in Brasilien verzichteten – aus Angst vor Zikaviren, übertragen durch Aedes aegypti. Die Weibchen dieser Mückenart saugen Blut und können dabei den Erreger weitergeben, der die Hirnentwicklung von ungeborenen Kindern im Mutterleib massiv beeinträchtigen kann. Gewöhnlich bemerken Menschen die Infektion mit dem Virus gar nicht. Unwissentlich können sie es aber beim Geschlechtsverkehr für einige Wochen an andere Personen weitergeben. Deshalb blieben vor allem Männer mit Kinderwunsch den Sommerspielen fern.

Die brasilianische Regierung sorgte sich auch um ausbleibende Besucher und rief im Frühjahr 2016 die Kampagne „Zero Zika“ aus. 50000 Soldaten versprühten in Gegenden mit besonders hohem Mückenvorkommen Insektizide. Schon zu früheren Zeiten hatte die Regierung mit solchen martialischen Kampagnen versucht, der Mückenplage Herr zu werden. 2014 gaben die Soldaten dazu Pyriproxyfen ins Trinkwasser. Die Chemikalie hemmt das Wachstum der Larven.

„Wir wissen von DDT, was solche Chemikalien anrichten können. Sie schädigen Vögel, Fische und am Ende auch den Menschen“, warnt der Virologe und Molekulargenetiker Eckard Wimmer von der Stony Brook University in New York. Deshalb hofft er auf eine ganz andere Vision: Mücken, denen fremde Gene eingepflanzt werden, sodass ihr weiblicher Nachwuchs stirbt. Ein paar Tausend dieser transgenen Geschöpfe sollen Mückenarten als Überträger mehrerer gefährlicher Krankheiten ausrotten. So weit der Traum.

2016 ließ eine neue Methode der Gentechnik dieses Szenario realistischer werden: Sie nennt sich „Gene Drive“, englisch für „Gen-Feldzug“. Gene, die in einem Gene Drive weitergegeben werden, verhalten sich egoistisch, werden also zu nahezu hundert Prozent an die nächste Generation vererbt. Bei der geschlechtlichen Vermehrung von Pflanzen und Tieren ist das normalerweise nicht so: Das Erbgut für den Nachwuchs kommt je zur Hälfte von Mutter und Vater. Mit einem Gene Drive aber lässt sich die klassische Vererbungslehre brechen, weil die egoistischen Gensysteme ein Werkzeug beinhalten, das ihnen ermöglicht, das Erbgut des anderen Elternteils zu entfernen.

Ein Gene Drive erlaubt insofern einen sauberen Schnitt in die Evolution – Kevin Esvelt vom Massachusetts Institute of Technology in Boston, einer der Mitentdecker der Methode, hat seiner Arbeitsgruppe deshalb den Namen „Sculpting Evolution“ („Evolution gestalten“) gegeben. Ein künstlich eingefügtes egoistisches Gensystem wird an die gesamte Nachkommenschaft weitergereicht und kann sich somit im Laufe mehrerer Generationen in einer Population immer weiter ausbreiten. Auf diese Weise könnte eine Mücke, deren weibliche Nachkommen sterben, über kurz oder lang allen Tieren derselben Art den Garaus machen. Und weil Aedes aegypti auch andere lebensbedrohliche Krankheiten wie Malaria, Dengue- und Chikungunya-Fieber verbreitet, „wäre das großartig“, findet Diethard Tautz, Molekulargenetiker und Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön.

(sma)