16 Jahre "World of Warcraft" – Faszination Rollenspiel

Mit "Shadowlands" startet am 24.11. die achte Erweiterung von "World of Wacraft" – doch was begeistert und motiviert die Spieler nach 16 Jahren an dem Spiel?

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(Bild: Blizzard)

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Inhaltsverzeichnis

Seit mittlerweile 16 Jahren kämpfen sich Spieler durch die virtuelle Welt von Azeroth und erledigen unterschiedliche Aufgaben für das nächste Level, bessere Rüstung, epische Flugtiere, neue Haustiere, Rezepte zur Herstellung von Items oder den nächsten von unzähligen Erfolgen. Was motiviert und begeistert die Spieler nach 16 Jahren "World of Warcraft", um auch im kommenden Add-on den maximalen Spaß am Spiel zu erfahren, anstatt das "einemillionste virtuelle Schwein mit einer Waffe niederzustrecken"?

Zum Start der neuen Erweiterung von "World of Warcraft: Shadowlands" am 24. November hat heise online mit Spielern gesprochen, die dem Spiel nicht nur unterschiedlich lang die Treue halten, sondern auch völlig verschiedene Herangehensweisen haben. So steht bei einigen das Interesse an der Story im Vordergrund, andere wollen den maximalen Profit erreichen. Eines verbindet jedoch alle World of Wacraft-Spieler.

Der YouTuber und Twitch-Streamer Craft12354 spielt seit mittlerweile 13 Jahren "World of Warcraft" – durchgehend, erklärt er heise online in einem Interview. 2007 ist Craft mit der ersten Erweiterung "Burning Crusade" in die "World of Warcraft" eingestiegen – zu dem Spiel hat ihn sein Cousin gebracht. Craft wiederum hat seinen Vater zu dem Spiel überredet, der ihnen auch die kostenpflichtige Spielzeit über Spielzeitkarten finanziert hat. "Seit Beginn im Jahr 2007, bis heute, gab es nicht einen Monat ohne aktive Spielzeit." Heute finanziert er sich die Spielzeit über das InGame erspielte Gold – die Möglichkeit schuf Blizzard 2017.

In Online-Rollenspielen geht es selten ohne Mitstreiter – und die passenden Spieler zu finden ist nicht immer einfach. Craft spielt heute noch mit Freunden aus dem "real life" – dazu zählen neben Verwandten auch ehemalige Schulfreunde, die nach dem Abitur zum Studieren oder Arbeiten in die unterschiedlichsten Winkel der Welt gezogen sind. Aber auch online erweitert sich der Kreis von Gleichgesinnten.

Viele Spieler legen laut Craft eine Pause bis zum nächsten Patch mit neuen Inhalten ein, wenn sie ihre Aufgaben abgeschlossen haben und mit der erspielten Ausrüstung zufrieden sind. In der Zeit widmet sich Craft seinen offenen Erfolgen im Spiel. "Man ist ja schließlich Sammler", sagt Craft.

Zu sammeln gibt es in World of Warcraft reichlich: Reittiere, Haustiere, Ausrüstung und Rezepte für die unterschiedlichen Neben- und Hauptberufe – mit denen der Charakter im Spiel geschmückt werden kann. Hinzu kommt, dass viele Spieler nicht nur einen Charakter spielen, sondern mehrere, bis hin zu allen Klassen und Rassen auf beiden Seiten (Allianz und Horde). Und alle wollen das maximale Level erreichen – überall.

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Der Hauptgrund und die Motivation liegen für Craft aber auf den Freunden – neue wie alte –, der Familie und der gemeinsamen Leidenschaft für "World of Warcraft". "Auch aus Online-Bekanntschaften können Freundschaften im echten Leben entstehen, bis hin zu Partnerschaften", erklärt Craft, "ich habe meine Freundin über World of Warcraft kennengelernt."

Æxitus, dessen richtiger Name Ulf lautet, spielt "World of Warcraft" seit 2008 und betreibt nach eigenen Angaben den größten deutschsprachigen Twitch- und YouTube-Kanal zum Thema "Goldfarming" in "World of Warcraft". In der Anfangsphase hat er allerdings einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Zu Beginn hat Ulf sich sehr für die Geschichtsstränge und unterschiedlichen Konflikten zwischen der Horde und Allianz und deren gemeinsame Gegner in der Geschichte interessiert. Den End-Content, der in Instanzen und Schlachtzügen für mehrere Spieler arrangiert ist, hat er in der Anfangszeit ausgelassen.

(Bild: Blizzard)

Wenn Ulf mit einem Charakter beim End-Content angekommen war, hat er die nächste Klasse und Rasse bis zum gleichen Punkt gespielt. "Das ging so lange, bis ich nach 4 Jahren in einer Gilde Anschluss gefunden habe und die mich ambitioniert hat, mich einer Gruppe für den End-Content anzuschließen, danach hatte mich das Spiel dann richtig gepackt", erklärt Ulf. Großes Interesse an der Geschichte, die "World of Warcraft" erzählt, hat er aber immer noch. So hat er auch in der Beta-Version von "Shadowlands" die Erzählungen immer gemieden, um sich von der Geschichte nicht schon vor Release des Spiels spoilern zu lassen.

Die Ingame-Währung von World of Warcraft ist Gold, die meisten Gegenstände im Spiel werden damit bezahlt – auch im Auktionshaus. Nicht-Spieler-Händler bieten Gegenstände vom regelmäßigen Bedarf bis hin zu speziellen Reittieren an. Das – und ein Spieler aus seiner Gilde, der immer reichlich Gold zur Verfügung hatte – hat Ulf motiviert, seine Goldreserven zu maximieren. Wie man am schnellsten zu möglich viel Gold kommt, erklärt er in seinen Videos auf YouTube und Live-Streams auf Twitch.

Die 2015 eingeführte WoW-Marke, ein Token für den Austausch von Gold, brachte für das Goldfarming eine völlig neue Perspektive – fleißige Spieler können sich Spielzeit und Spiele erspielen, da die WoW-Marke auch in Blizzard-Guthaben umgewandelt werden kann. Investiert man genug Zeit und stellt sich geschickt an, finanziert sich die kostenpflichtige Spielzeit für "World of Warcraft" ohne Echtgeld. "Diese Möglichkeit hat das Interesse an Goldfarming auf eine neue Stufe gehoben", erklärt Ulf. "Gerade Spieler mit geringem Einkommen und Schüler könnten sich so den Zugang zum Spiel dauerhaft finanzieren."

Ulf spielt das Spiel auch nach all den Jahren immer noch wegen der Geschichten, die es erzählt. Der wichtigste Grund ist aber mittlerweile der Inhalt seiner Kanäle rund ums Goldfarming, zu dem er immer wieder neue Möglichkeiten und Tricks sucht. Er selbst sieht sich in der Verantwortung seinen Zuschauer und seiner Community gegenüber, und die will er auf keinen Fall enttäuschen.

Sean Cool spielt "World of Warcraft" als Wirtschaftssimulation mit dem Ziel, das Maximum an virtueller Währung mit seinen (Handels-)Charakteren zu erreichen. "Das WoW-Auktionshaus und die Handelsstrategien sind ein Spiel im Spiel", sagt Andreas, so heißt er mit bürgerlichem Namen. "Selbst mit einem Goldstand im unteren Millionenbereich kannst Du gezielt Markteingriffe vornehmen. Die WoW-Ökonomie ist mit ihren Akteuren in vielen Facetten das spielerische Abbild einer realen Wirtschaft", erklärt er gegenüber heise online.

Andreas erklärt auf seinem YouTube-Kanal World of Warcraft als Wirtschaftssimulation, "WoW Gold als Highscore" und bietet "Gold-Guides für Einsteiger". Im Podcast "Goldcast" spricht er mit Æxitus (Ulf) über "Pixelgold", Ökonomie und Marktanalysen in World of Warcraft. Als Rollenspiel spielt er "WoW" schon seit längerer Zeit nicht mehr.

Über die Ertragsmaximierung und seinem nahezu unerschöpflichen Reichtum in World of Warcraft besitzt er mittlerweile alle Spiele von Blizzard und Activision, finanziert durch WoW-Gold. Die reale Investition ist hier die private WoW-Spielzeit – und damit ein Tausch der Ressource Freizeit gegen eine virtuelle Währung.

Auch wenn Andreas im Spiel nicht in Instanzen, Raids und anderem End-Content anzutreffen ist, so spielt er "World of Warcraft" nach über 15 Jahren immer noch hauptsächlich wegen der Community. "WoW verbindet weit über das Spiel hinaus und jeder kann seine Nische finden", sagt er. Das Feedback aus der Community sorgt für die nötige Motivation und ausreichend Spaß, für das Spiel im Spiel. "Der Spielspaß", meint Andreas, "ist die wichtigste "Währung" in "World of Warcraft"."

Der Duuud war über 8 Jahre aktiv und leidenschaftlicher "World of Warcraft"-Spieler, außerhalb von YouTube oder Twitch. Er ist immer gerne durch die Welt gezogen und hat unzählige schöne Stunden dort verbracht – auf der Jagd nach dem "einen Item", "selbst wenn ich gefühlte 50 Mal durch die gleiche Instanz gelaufen bin und jeden Winkel auf jedem Kontinent noch einmal dafür besuchen musste". Es war ihm aber immer wichtig, dass sein Charakter "schick" aussah.

"Wir sind in der Gilde sämtliche Schwierigkeitsgrade gelaufen und hatten immer Spaß dabei", erinnert er sich. "Irgendwann haben dann die Ersten, auch aus beruflichen Gründen, aufgehört, andere sind nach einer Pause mit einer anderen Einstellung zurückgekehrt und neue Mitglieder kamen dazu, das passte bald darauf alles nicht mehr."

Auch über die geringere Komplexität ärgerte sich der Duud. So vermisste er beispielsweise den alten Talentbaum, "in dem man immer noch ein bisschen mehr aus seinem Char rausholen und auch ausprobieren konnte". Viele Spieler wären auch nicht mehr bereit gewesen, sich mit den Spielmechaniken vertraut zu machen. "Viele beherrschten schlicht und einfach ihren Charakter und die zugehörige Rolle nicht, so dass man für einen 20 Minuten-Run fast zwei Stunden unterwegs war", erklärt der Duuud. Meckern und große Sprüche klopfen, das haben aber alle gut gekonnt, sagt er.

"Azeroth war wie ein Fußballplatz – jeder hatte seine Position und wusste, was er zu tun hatte, auch die Auswechselspieler auf der Bank", vergleicht der Duuud. Zum Ende seiner aktiven Spielzeit sei er immer öfter alleine unterwegs gewesen und habe sich nicht mal mehr im Team-Speak angemeldet. Allerdings wäre in der "guten alten Zeit" das Zusammenspiel mit der Gemeinschaft immer das größte gewesen. World of Warcraft funktioniert nunmal nicht alleine. "Als die Phasen immer kürzer wurden, in denen ich mich einloggte, wurde es Zeit aufzuhören. Ich hatte immer auch den Suchtfaktor im Hinterkopf."

World of Warcraft birgt großes Suchtpotenzial. Auch dessen war sich der Duuud immer bewusst. ""WoW" ist wie LSD, man sollte es nur spielen, wenn man Spaß hat und mit den richtigen Freunden unterwegs ist", meint er, "sonst kann sowas ganz schnell zu einem unkontrollierbaren Problem werden." Sollte der alte Talentbaum zurückkehren, würde er sich "World of Warcraft" bestimmt wieder angucken – ein anderes MMORPG kommt für ihn aber nicht in Frage.

(Bild: Blizzard)

Letztendlich kommt der Erfolg von "World of Warcraft" nicht von ungefähr. Gleichgesinnte trifft man auch heute noch. Vielleicht muss man eine Zeit suchen, um die passenden Mitspieler zu finden, aber vielleicht trifft man dann sogar Freunde fürs Leben. Wenn Corona hinter uns liegt, sind auch wieder Gildentreffen in der realen Welt möglich, die es seit Beginn von WoW gibt.

World of Warcraft war immer ein Spiel der Zusammenarbeit: Einer sorgt für den Schutz der Gruppe, einer achtet auf den Schützenden und der Rest behält die Gegner im Auge. Nicht immer muss man einer Meinung sein, solange man zumindest die Sichtweise des Nebenstehenden akzeptiert. Das Spielen unter Freunden und Gleichgesinnten macht "World of Warcraft" aus, da sind sich alle einig – es sollte aber nicht zu einer Ersatzwelt des realen Lebens werden.

(bme)