20 Jahre AMD Athlon: Hoppla, jetzt komme ich

Heute vor 20 Jahren schickte AMD die Pressemeldung "9980" heraus, die den Athlon-Prozessor ankündigte.

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20 Jahre Athlon: Hoppla, jetzt komme ich

Dirk Meyer zeigt den Athlon

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Wir schreiben Mittwoch, den 23. Juni 1999. Die rot-grüne Bundesregierung beschließt das Sparpaket "Zukunftsprogramm 2000" und Sir Simon Rattle wurde zum Chefdirigenten der Berliner Symphoniker gewählt. Und im fernen USA kündigt AMD relativ formlos in der Pressemitteilung 80/99 den neuen "Pentium III Killer" Athlon an. Der Termin dafür musste eben noch im Juni sein, denn der 1996 von DEC gekommene Chefentwickler Dirk Meyer hatte auf der vielbeachteten Vorstellung des Prozessors auf dem Microprocessor Forum im Oktober 1998 dafür das 1. Halbjahr 1999 versprochen. Das große Launch-Event war dann auch erst ein paar Wochen später am 9. August, und erst ab dann waren auch Systeme verfügbar. Wie verlautete war AMDs Prozessor zwar rechtzeitig fertig, aber mindestens ein wichtiger Partner noch nicht, also entweder HP oder Compaq (damals noch getrennt) oder IBM.

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Allerdings gab es zwischen der Pressemitteilung und dem Launch eine ganz wichtige Änderung: der fürs operative Geschäft zuständige COO Atiq Raza – der mit der eingekauften Prozessorfirma NexGen zu AMD gekommen war und der sich den Erfolg des K6-Prozessors auf die Fahnen schreiben konnte, hatte sich mit Firmengründer und CEO Jerry Sanders hoffnungslos über- und dann das Handtuch geworfen. Raza bestand darauf, sich aus Kostengründen von den Fabs zu trennen, insbesondere von der Fab 30 in Dresden. Sanders hingegen ("Real men have fabs") wehrte sich mit Händen und Füßen. Rund neun Jahre konnten er und sein eingesetzter Nachfolger Hector Ruiz das durchhalten, Ende 2008 musste CEO Dirk Meyer dann doch die Fabs verkaufen.

Man kann Raza verstehen. Damals 1999 ging es für AMD ums nackte Überleben. Das letzte Quartal lag mit 162 Millionen Dollar Verlust kräftig in den Miesen. Und der neue Athlon K7 war der einzige Hoffnungsträger. Wenn da eine Kleinigkeit schiefgelaufen wäre – es wäre das Ende von AMD gewesen. Aber es lief nicht schief, im Gegenteil. Der Athlon wurde zum Angstgespenst für den Erzkonkurrenten Intel.

Das zeichnete sich schon bei der erwähnten Vorstellung des K7 auf dem MPF 1998 ab. Man konnte auf dem Forum förmlich spüren, wie Dirk Meyer die anwesenden Entwickler von Intel beindruckt hat. Selbst die, die bereits die Abwehrmaßnahme, den Pentium 4, in Vorbereitung hatten. Mit dem K7 ging AMD erstmals weg von dem Dogma der Sockelkompatibilität und setzte auf eine eigene Infrastruktur mit Slots statt Sockel und mit einem multiprozessortauglichen Busprotokoll EV6, das man von DEC (seit 1998 Compaq) in Lizenz genommen hatte.

Wegen gewisser Ähnlichkeiten zum Dec-Alpha-Prozessor wurde der 1998 von Dirk Meyer auf dem Microprocessor Forum vorgestellte Athlon manchmal als Alpha für x86 bezeichnet.

(Bild: AMD/ Dirk Meyer)

Darüber hinaus erinnerten viele Details des K7 an DECs Alpha-Design, was wunder, war Dirk Meyer doch für die Entwicklung des Alpha 21164 und 21264 mitverantwortlich. Und so hörte man oft, der Athlon wäre eine Art Alpha für x86.

Und gleich der erste Athlon-600 (Argon) , noch in 0,25-µ-Technologie, hängte seinen gleichschnell getakteten Pentium-III-Konkurrenten erbarmungslos ab. Insbesondere bei Gleitkomma-Berechnungen.

"Benchmarks wie SPECfp95 oder die BAPCo-Suite mied AMD früher wie der Teufel das Weihwasser – nun sind sie auf einmal AMDs Lieblinge", so schrieb ich damals in c't 16/1999. Kein Wunder, war man mit einem Mal bei einigen SPECfp95-Benchmarks bis zu dreimal so schnell wie der Pentium-III-Konkurrent.

Erstmals konnte AMD Intel bei Gleitkommaberechnungen so richtig "nass" machen. Manche SPECfp95-Benchmarks liefen bis zu dreimal so schnell -- und das mit dem Code vom Intel-Compiler.

Wenige Monate später kam schon der K75 (Pluto/Orion) in 0,18-µ-Technologie raus und dann ging das Rennen richtig los: Beide Firmen begannen, in höchster Geschwindigkeit die Taktfrequenz weiter nach oben zu schrauben. AMD gelang es als erstem, die Gigahertz-Marke zu knacken. Das war am 6. März 2000. Intel folgte nur nur kurze Zeit später und überriss aber dann im Juli 2000 das Rennen mit einem "unreif" ausgelieferten Pentium-III mit 1,13 GHz, der den dann schon anstehenden Athlon Thunderbird mit 1,1 GHz überholen sollte. Peinlich für Intel: Die Firma musste den Prozessor zurückrufen und das Ganze kostete dann dem langjährigen Chef der Prozessorabteilung, Albert Yu, den Job.

Aber nicht nur er war ein "Athlon-Opfer", sondern auch der 64bittige Itanium, quasi als Lateralschaden dieser Frequenz- und Performance-Hatz. Die x86-Emulation des ersten Itanium "Merced" sollte eigentlich mit "Mittelklasse-Performance" herauskommen. Im Vergleich zu dem, was die Desktop-Prozessoren Mitte 2001 aber inzwischen so ablieferten, war die x86-Performance des Itanium geradezu lächerlich. Die schon erwähnte Babco-Benchmarksuite etwa brach gar mit Timeouts ab. Auch 64bittig kam man nicht an die Performance von Desktop-Systemen heran. Irgendwie hat sich Itanium nie von diesem Desaster erholt.

Die Slot-Module von Athlon-600 und Pentium-III-600 ähnelten sich äußerlich, hatten aber komplett andere Anschlüsse -- und andere Performance

Intels Pentium 4, der mit dem Willamette dann Ende 2000 ins Rennen geschickt wurde, konnte mit dem Athlon XP zunächst weniger, später aber recht gut mithalten, er brauchte aber für sein Superpipline-Design namens NetBurst einen recht hohen Takt. Anfangs war ein hoher Takt aus Marketing-Gründen auch erwünscht, bei späteren Versionen zeigte sich aber, dass mit den höheren Takten der Energieverbrauch in kaum noch handhabbare Regionen anstieg. Die Roadmaps bis hin zu 10 GHz wurden schnell wieder eingestampft. AMD konterte beim Athlon XP die hohen Taktwerte mit einem Performance Rating: Palomino bis 2100+, Thorougbred 2800+, Thorton 3100+ bis hin zum schnellsten und letzten Athlon-XP-Vertreter, der Barton 3200+, der einen Takt von 2,2 GHz besaß.

So Ende 2000 hatten Tüfftler herausgefunden, wie man preiswertere niedrig getaktete Athlon-Versionen ganz einfach per Bleistiftstrich auf höhere Takte kriegen konnte. Auf dem Prozessorgehäuse gab es Kontakte, die man mit dem Graphit eines Bleistiftstrichs überbrücken konnte. Dann war die CPU unlocked und ließ sich bequem um oft viele 100 MHz übertakten.

Zwischenzeitlich hat man das schon in der Meyer-Präsentation von 1998 gezeigte Dual-Prozessor-Design mit dem Athlon MP und den 760MP-Chipsatz realisiert. Der teurere MP unterschied sich vom normalen Athlon nur dadurch, dass die MP-Tauglichkeit getestet worden war. Meist klappte es mit einem normalen aber auch.

Doch die zugehörigen Boards etwa von Tyan waren teuer, und Spiele, die aus zwei Prozessoren Profit ziehen konnten, gabs kaum. Im Workstation- und Serverbereich fehlte zum einen die Reputation, zum anderen wartete man hier lieber auf den von AMD CTO Fred Weber auch schon auf dem Microprocessor Forum 2000 vorgestellten 64-Bitter Opteron. Und so dümpelte der MP in einer kleinen Nische.

Mit dem Barton 3200+, der im May 2003 herauskam, war dann das Ende der Athlon-Linie erreicht. Intel bekam mit dem Pentium 4 wieder etwas Oberwasser, lief aber in die Energiesackgasse und musste sich später mit dem Pentium M und der Core-Linie komplett neu aufbauen. AMD hatte aber schon 64 Bit in der Hinterhand und brachte Ende 2003 dann die Desktop-Version des Opterons heraus, den Athlon 64 – doch das ist eine andere Geschichte.

(as)