59. Berlinale setzt auf serverbasierte Vorführung

Bei der Berlinale 2009 werden alle digital projizierten Filme erstmals von einem Server-System abgespielt. Dadurch muss bei den Vorstellungen nicht mehr mit diversen Formaten hantiert werden. Rund 30 Prozent aller Vorführungen erfolgen in digitaler Form.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Georg Immich

Bei der Berlinale 2009 wird in 32 der insgesamt 49 Spielstätten digital projiziert.

(Bild: Dirk Michael Deckbar / Berlinale)

Bei der 59. Ausgabe der Berlinale, die in diesem Jahr vom 5. bis 15. Februar stattfindet, wird das größte deutsche Filmfestival erstmals einen Digital-Cinema-Workflow für alle Digital-Projektionen einführen. In 29 der von der Berlinale digital bespielten Kinosäle installiert der Dienstleister Bewegte Bilder Medien AG speziell für die Festivalzeit entsprechende Kinoserver des Typs ROPA Cinesuite 2.0. Zur Vorbereitung baute der Digital-Cinema-Spezialist aus Tübingen schon im Dezember in Berlin drei Mastering-Stationen auf, an denen die verschlüsselten Digital-Cinema-Packages (DCP) für die einzelnen Spielstätten erstellt werden. Neben einer Vereinfachung der Arbeitsabläufe soll diese Umstellung eine höhere Diebstahlsicherheit für die Filmkopien gewährleisten und den Filmproduzenten mehr Freiheit bei der Einreichung exotischer Videoformate bieten.

Als Erstes der so genannten A-Festivals zeigte die Berlinale im Jahre 1994 Standard-Definition-(SD-)Inhalte auf E-Cinema Systemen, ab 2004 auch in HD-Auflösung. Für die Ausgabe ein Jahr später wurden erstmalig in vier Spielstätten Digitalkino-Systeme nach DCI-Standard installiert, neben 16 Sälen mit einer E-Cinema-Ausstattung (also bis maximal 1,4K-Auflösung). In den letzten Jahren wurden diese Zahlen kontinuierlich gesteigert. Bei der Berlinale 2009 wird in 32 der insgesamt 49 bespielten Kinosäle digital projiziert, sechs Säle genügen dem DCI-Standard.

Da in den von der Berlinale genutzten Kinos zur Zeit nur zwei DCI-Maschinen (Christie CP 2000) und drei E-Cinema-Systeme fest installiert sind, müssen die Festspiele und ihr Dienstleister Bewegte Bilder für die Zeit des Festivals 27 Projektoren temporär aufbauen. Für die DCI-Säle kommen dazu Barco-Projektoren der Modellreihen DP 2000 + 3000 ausgestattet mit Xenon-Brennern zwischen 3 KW und 7 KW zum Einsatz, unter anderem in dem normal als Theater genutzten Friedrichstadtpalast. Für die E-Cinema-Spielstätten verwendet die Berlinale hauptsächlich neun Panasonic PT-D7700 mit 7000 Lumen und vier Digital Projection Lightning 35HD mit 16.000 Lumen. Daneben kommen noch mehrere Projektoren der DLA-Reihe von JVC und zwei Panasonic PT-DW 10000E zum Einsatz.

Während die fest installierten DCI-Projektoren in Berlin von Anfang an mit Kinoservern ausgestattet waren, erfolgte die Zuspielung in den E-Cinema-Spielstätten der Berlinale bisher über einfache Videomaschinen, in der Regel im Format Digital Betacam. Im letzten Jahr haben sich die Berliner Filmfestspiele für eine Vereinheitlichung des Arbeitsablaufes entschieden und eine europaweite Ausschreibung des Projektes gestartet. Dabei konnte sich die Bewegte Bilder Medien AG aus Tübingen gegen drei Mitbewerber durchsetzten. Die 1992 gegründete Bewegte Bilder Medien AG ist seit 2004 auf dem Gebiet des Digital Cinemas tätig. Neben einem eigenen Postproduktionsstudio für die Filmbearbeitung mit bis zu 4K-Auflösung betreut man die digitale Projektion bei Filmpremieren, auf Messen sowie bei Rockkonzerten und erstellt digitale Kopien für Filmverleiher. Festivalerfahrung konnte die Bewegte Bilder AG bei den internationalen Filmfestspielen in Venedig sammeln, einem anderen europäischen A-Festival, bei dem sie in den letzten zwei Jahren die digitale Projektion betreute und die Logistik für das digitale Kopienmanagement übernahm.

Neben der Installation von 29 Kinoservern beinhaltet das Projekt in Berlin die Einrichtung eines zentralen Encoding-Studios in den Räumen der Filmverwaltung der Berlinale. Dort wurde schon im Dezember ein 10-GByte-Netzwerk mit drei Mastering-Stationen und einem Storage-Area-Network (SAN) mit 45 TByte Kapazität als zentraler Videoserver installiert. In diesem Studio werden zukünftig alle Filme des Festivals, die nicht auf herkömmlichem Filmmaterial oder bereits als fertiges D-Cinema Package angeliefert werden, digitalisiert und auf dem Server abgelegt. Sowohl Mastering-Stationen als auch der Server sind jeweils mit zwei Xeon-Quadcore-Prozessoren von Intel ausgestattet. Während des Festivals werden die mit 128-Bit-AES verschlüsselten Filmdateien auf bis zu 35 SATA-Festplatten mit je 500 GByte ausgespielt. Anschließend erfolgt der Transport in die jeweiligen Kinos und das Laden der verschlüsselten Filme auf die ROPA-Kinoserver. Vom Zeitpunkt des Encodings an liegen die Filmdateien nur noch in verschlüsselter Form vor und sind dadurch vor unbefugtem Zugriff geschützt.

Neben der höheren Sicherheit führt dieser Digital-Cinema-Workflow auch zu einer einfacheren Kopienhandhabung in den Spielstätten, wie der technische Leiter der Berlinale, Dr.-Ing. Reiner Chemnitius, gegenüber heise online erklärte. "Für das Festival werden viele verschiedene Videoformate angeliefert. Berücksichtigt man die Bildformate und die Bildwiederholungsfrequenzen, dann gibt es 15 unterschiedliche Videoformate, die man uns auf bis zu acht unterschiedlichen Speichermedien zur Verfügung stellt." Diese verschiedenen Formate seien bisher in den Berlinale-Kinos mit Hilfe diverser Videohardware abgespielt worden. "Durch das Encoding auf ein einheitliches Abspielformat und die Vereinheitlichung der Abspielbasis in den Kinos sind die technischen Abläufe in den Kinos stark vereinfacht worden", so Dr. Chemnitius. Außerdem habe man dadurch die Betriebssicherheit verbessern können.

Zusätzlich entfällt eine Hürde für außereuropäische Low-Budget-Produktionen, deren Macher ihre Filme bisher nicht im NTSC-Format einreichen durften. "Diese Beschränkung gab es für jeglichen SD-Content", berichtet André Stever, Leiter der Berlinale-Filmverwaltung. Die Problematik betraf die NTSC-Versionen der Digital-Betacam-Zuspieler. "Diese Player wurden und werden angemietet und waren als NTSC-Version in der erforderlichen Stückzahl auf dem europäischen Markt nicht verfügbar – beziehungsweise nicht finanzierbar", so Stever. Ab dieser Berlinale-Ausgabe werden in der Regel die unterschiedlichen Videostandards im Encoding-Studio in die hochauflösenden Dateiformate JPEG 2000 oder MPEG2 MXF Interop umgewandelt, und die Produzenten müssen sich nicht mehr um eine Konvertierung ihrer NTSC-Produktionen kümmern.

Carsten Schuffert, Vorstand der Bewegte Bilder Medien AG, rechnet mit über 400 Spiel- und Dokumentarfilmen, die seine Angestellten und geschulten Berlinale-Mitarbeiter noch bis zur Eröffnung der Berlinale kodieren und auf den zentralen Server einspielen müssen: "Nach unseren Erfahrungen aus Venedig gehen wir davon aus, dass wir mit den unterschiedlichsten Formaten umgehen müssen, seien es DVDs oder Blu-ray-Scheiben oder in Deutschland nicht verwendete Videostandards. In so kurzer Zeit diese Menge an Filmen zu mastern – das ist schon eine große Herausforderung."

Zwar hat sich in diesem Jahr die Anzahl der digitalen Säle bei der Berlinale nur um gut zehn Prozent erhöht, mit der kompletten Umstellung auf serverbasierte Vorführtechnik übernimmt die Berlinale aber nicht nur in Deutschland, sondern auch unter den A-Festivals eine Vorreiterrolle. Von den insgesamt 49 Leinwänden werden zwar nur sechs rein digital bespielt, in allen anderen Sälen kommen zumindest 35-mm-Kopien, im Rahmen der Breitwand-Retrospektive sogar 70-mm-Filme zum Einsatz. Eine Randerscheinung ist die digitale Projektion bei den Filmfestspielen jedoch ganz und gar nicht: "Wir rechnen damit, dass circa 30 Prozent aller Vorführungen in digitaler Form stattfinden werden", prognostiziert André Stever für die 59. Ausgabe der Berlinale. (jkj)