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Ableton Live 10: Musik-DAW angetestet

| Hartmut Gieselmann

Die kommende Version der beliebten Digital Audio Workstation Ableton Live zur Musikproduktion bringt fast hundert neue Funktionen mit. Wir haben uns die wichtigsten Neuheiten in der Beta-Version von Live 10 angeschaut.

Nach langen Gerüchten hat es Ableton Ende vergangener Woche offiziell gemacht: Live 10 soll im ersten Quartal 2018 erscheinen – das erste große bezahlpflichtige Update seit fünf Jahren. Nicht, dass der Berliner Entwickler seit der Einführung von Live 9 untätig gewesen wäre. Ganz im Gegenteil bekamen Kunden regelmäßige kostenlose Updates, die etwa die Synchronisation über Ableton Link oder die Unterstützung von Retina Displays nachreichten.

Live 10 bringt deshalb keine Revolution, aber viele kleine Verbesserungen, die die tägliche Arbeit vereinfachen. Seit wenigen Tagen lädt Ableton auch externe Tester in sein Beta-Programm ein. Wir gehörten zu den ersten und konnten uns so einen Überblick über die Neuheiten verschaffen. Ergebnis: Der aktuelle Build Live 10b144) läuft zumindest unter macOS 10.12 stabil und macht einen ausgereiften Eindruck, selbst ein englisches Handbuch ist bereits fertig. Es erklärt die knapp 100 neuen Funktionen im Detail, darunter den neuen Wavetable-Synthesizer, das Drum-Buss-Plugin, die neue Gruppenfunktion, das MIDI-Editing, den neuen Stereo-Panner und Verbesserungen für die Push-Controller. Im Folgenden gehen wir auf die einzelnen Bereiche näher ein.

Interessierte Nutzer können sich zum Beta-Test bewerben [1]; Ableton will neue Tester von Zeit zu Zeit einladen. Diese bekommen dann einen Beta-Key, der so lange gültig ist, bis die Vollversion von Live 10 erscheint.

Ableton Live 10: Die wichtigsten Neuerungen (0 Bilder) [2]

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Kenner von Live 9 finden sich gleich zurecht. Ableton hat den Font ausgetauscht, der nun etwas filigraner aussieht. Unter Windows sollen Schriften auf HiDPI-Bildschirmen nun nicht mehr so krümelig aussehen, was wir aber nicht testen konnten. Das gleiche gilt für den neuen Stift-Modus zur Bedienung auf Touch-Screens und Tablets. Zudem wurden die Farboberflächen etwas anders abgestimmt. Man kann zwischen vier hellen und dunklen Grautönen wählen oder das alte 9er Grau nutzen – simpel und zweckmäßig. Weiteres Detail: Hat man einen Regler verstellt, geht er auf Doppelklick wieder in die Ausgangsstellung; das spart so manches Gefummel.

Der Browser ist prinzipiell der alte geblieben, jedoch findet man oben nun sieben verschiedenfarbige Favoriten-Gruppen. Mit deren Tags lassen sich besonders häufig genutzte Instrumente, Plug-in-Effekte, Samples und Patches markieren (rechte Maustaste), sodass man sie schneller wiederfindet. Das hilft vor allem, wenn man mit Push arbeitet, da es hier bislang sehr mühsam ist, durch die zuweilen sehr großen Verzeichnisse zu browsen. Die sieben Kategorien lassen sich auch umbenennen. Insgesamt ein guter Ansatz, aber sieben Schubfächer sind etwas wenig – vor allem, wenn man die zahlreichen Max-for-Live-Effekte und Patches in der Suite sortieren will.

Praktisch ist die neue Installations-Routine für weitere Content-Packs von Ableton. Nun kann man sie direkt im Live-Browser installieren und updaten, sobald neue Versionen verfügbar sind.

Im Unterschied zu Bitwig Studio kann Live 10 immer nur ein Projekt zur gleichen Zeit öffnen. Immerhin lassen sich im Browser einzelne Spuren und neuerdings auch in Gruppen von gespeicherten Projekten auswählen und in das aktuelle Projekt ziehen. So kann man relativ einfach Clips von einem Projekt in ein anderes importieren.

Wer Ableton Live 10 mit großen Audio-Interfaces betreibt, etwa um seine Hardware-Synthesizer im Studio fest zu verkabeln, kann die Ein- und Ausgänge im Setup nun beschriften. Dann sieht man beim Routing immer gleich, welches Gerät angesprochen wird, und muss sich nicht merken, auf welchem Kanal denn nun der Sub 37 steckt.

Praktisch ist auch die Ausgabe in MP3, die beim Rendern eines Songs parallel zur Wav-Datei (oder AIFF, Flac, Wavpack) angelegt wird. Das spart beim Verschicken das lästige Konvertieren in iTunes. Als Bitrate sind 320 kbps CBR fest vorgegeben, was in der Praxis genügt. Wer will, kann sein Werk auch gleich aus Live auf Soundcloud hochladen.

Die Undo-Historie wird nun nach dem Speichern nicht mehr gelöscht – dieses Feature hab ich jedoch nie vermisst, denn meistens speichert man ein Projekt eh nur, wenn man einen Arbeitsgang fertig hat.

Live ist übrigens sehr zuverlässig, was das Rekonstruieren von Projekten angeht. Sollte es doch mal wegen eines instabilen Plug-ins abstürzen (leider wird dies nicht in einer Sandbox abgefangen), stellt es den letzten Zustand beim nächsten Hochfahren wieder her – selbst wenn man nicht direkt vorher gespeichert hatte. In fünf Jahren hat das bei mir vielleicht bei ein zwei Vorfällen nicht geklappt – ansonsten funktionierte das immer zuverlässig.

Live 10 soll zudem Samples schneller laden und nicht mehr so lange benötigen, um ein Projekt zu schließen. Das hat unter Live 9 in der Tat manchmal eine gefühlte halbe Minute gedauert. Ob Live 10 hier tatsächlich schneller ist, wird sich bei größeren Projekten zeigen.

Wer länger mit DAWs arbeitet, hat häufig einen ganzen Blumenstrauß von weiteren Plug-ins auf der Festplatte und nutzt eventuell kaum die internen Effekte. Deshalb ist es auch nicht schlimm, dass Live 10 nur sehr wenige neue Instrumente und Effekte mitbringt (die meisten davon in der Suite). Doch die neuen Effekte sind selbst für Anwender beachtenswert, die schon alles in ihrer Sammlung haben.

Vor allem profitieren Push-Nutzer, denn die internen Plug-ins lassen sich mit dem Controller wesentlich einfacher bedienen als externe. Aufgebrezelt wurde beispielsweise der alte EQ8, der nun per Push 2 auch den Frequenzverlauf anzeigt, sodass man Filter genauer setzen kann. Gleiches gilt für den Compressor, der nun auf dem Push-2-Display genau anzeigt, wann er absenkt. Beim Operator-Synth sieht man auf Push 2 zudem den Verlauf der Envelope-Kurven, was die Einstellung der Parameter für Attack, Delay, Sustain und Release etwas vereinfacht. Außerdem wurden auch der neue Wavetable-Synth und der Echo-Effekt für Push 2 integriert, sodass man sie direkt an den eingebauten Displays gut einstellen kann.

Der neue Wavetable-Synth der Suite ist ein echtes Klangmonster. Zwar kann er keine eigens gesampelten Wavetables verarbeiten, bringt jedoch in 11 Kategorien zahlreiche Wellenformen mit, aus denen man neue Klänge basteln kann: Mit dabei sind Sägezähne jeglicher Couleur, Formanten, Glocken, Rauschen, Verzerrungen, Piano-Sounds etc. Auf einem Table lassen sie sich nahtlos verändern, sodass ein runder Grundsound beispielsweise mit mehr Obertönen angereichert wird und aggressiver klingt. Wenn man nun die Position auf dem Wavetable mit einem LFO periodisch wechselt, entstehen schnell rhythmisch wabernde Sounds, die mit einer herkömmlichen subtraktiven Synthese nicht möglich wären. Einsetzen lassen sie sich beispielsweise für typische Wobble-Bässe im Dubstep, aber auch für andere Klangexperimente.

Der Wavetable-Synth kann zwei solcher Wave-Table als Oszillatoren überlagen und mit einem tiefen Sinus für den Sub-Bass unterlegen. Das Klangspektrum moduliert man anschließend mit einem Multi-Filter, das man beispielsweise von Hoch- auf Tiefpass umschalten kann. Fünf verschiedene Filter-Schaltkreise stehen zur Wahl, die sich zudem mit einem leichten Crunch übersteuern lassen. Über eine Routing-Matrix legt man fest, ob die Oszillatoren seriell oder parallel geschaltet werden sollen und welche Parameter die LFOs und Hüllkurven steuern.

Insgesamt ist der Wavetable-Synthesizer eine sehr potente Allzweckwaffe, die sowohl reale Instrumente imitieren als auch neue Sounds, Klangteppiche und Drohnen erzeugen kann. Zur bessere Bedienung lässt sich die Oberfläche auch auf das obere große Fenster von Live zoomen.

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Von den drei neuen Effekten hat mich der Drum Buss (sic! mit Doppel-S) am meisten beeindruckt. Er fasst speziell für elektronische Beats alles Wichtige auf einer sehr kleinen Bedienoberfläche zusammen (enthalten in Standard und Suite). Dank der neuen Funktion "Gruppen in Gruppen" lassen sich im Mixer nun endlich auch Subgruppen für mehrere Snare- oder Kick-Spuren in einer Drum-Gruppe anlegen, was vorher nur etwas mühselig mit manuellem Routing ging und nicht besonders hübsch aussah.

Der Drum Buss kann alles wichtige für die gesamte Drum-Sektion einstellen. Mit einem Drive-Regler sowie der Umschaltung von "Soft" auf "Middle" und "Hard" verzerrt er die gesamte Gruppe. Ein zusätzlicher Crunsh-Regler verzerrt noch die Mitten und Höhen. Einen passenden Kompressor bringt er auch mit. Er geht recht aggressiv zu Werke und lässt sich nicht weiter einstellen, weder beim Threshold noch bei der Ratio. Um Hihats- und Crash-Becken abzumildern und das Set im Mix weiter nach hinten zu schieben, kann ein Damp-Regler die Höhen absenken.

Ein Transients-Regler kann zudem die Anschläge betonen oder dämpfen. Er ersetzt zwar keinen kompletten Transienten-Designer, ist aber leicht zu bedienen und sehr wirkungsvoll.

Der Clou ist aber der "Boom"-Regler, der die Kick untenrum unterfüttert. Dafür musste man sonst einen Sinus-Generator mit einem Gate koppeln, das von der Kick getriggert wird. Hier genügen dazu drei Regler, um die Stärke, Tonhöhe und Länge des Sub-Signals einzustellen. Der Drum Buss zeigt einem sogar noch passend die Tonhöhe an, sodass man sehr einfach die Kick auf eine bestimmte Note stimmen kann – sehr praktisch. Zum Vergleich mit dem unveränderten Signal kann man den Output am kleinen grauen Dreieck oben rechts absenken – sonst denkt man immer, das lautere Drum-Buss-Signal sei das bessere. Übrigens ist der Drum Buss nicht frequenzneutral: Selbst wenn man alle Regler herunter dreht, hebt er Frequenzen bei 200 Hz und 4 kHz um etwa 5 dB mit kleinem Q an, sodass Mitten rund um 700 Hz im gleichen Zuge um circa 4 dB leiser werden als der Rest des Frequenzspektrums. Außdem ist stets ein Limiter aktiv, der Übersteuerung verhindert.

Ebenso gut gelungen ist der neue Delay-Effekt "Echo", der allerdings der Suite vorbehalten ist. Er hat Tricks auf Lager, die andere Delays nicht beherrschen. Wie üblich, kann er für die rechte und linke Seite getrennt Delay-Zeiten einstellen, die sich auch zum Beat mit verschiedenen Notenwerten synchronisieren lassen – inklusive Triolen und punktierte Noten. Der Clou ist jedoch, dass man neben einer Links-Rechts- und Ping-Pong-Aufteilung auch eine Aufteilung in Mitte/Seite vornehmen kann, sodass der Mono-Anteil des Delays ein anderes Timing bekommt als die Stereo-Seiten.

Über zwei Filter kann man die hohen und tiefen Frequenzen der Delays beschneiden. Deren Grenzfrequenzen lassen sich per LFO ebenso modulieren wie die Delay-Zeiten. Überaus praktisch ist der eingebaute Reverb zum Verhallen der Echos. Über die "Charakter"-Seite lässt sich noch ein Ducker einstellen, der das Echo absenkt, solange das Hauptsignal zu hören ist, sodass es weniger matscht. Noise und Wobble fügen noch den von Tape-Echos typischen Schmutz hinzu. Wenn auch das eingebaute Echo nicht ganz so aufwendig ist wie etwa der Soundtoys Echoboy oder Native Instruments Replica XT, so sorgt es doch für beachtliche Echolandschaften, die sich besonders für Dubs eignen.

Schließlich kann man mit dem neuen Pedal-Effekt der Suite noch typische Bodentreter-Verzerrungen wie Overdrive, Distortion und Fuzz hinzufügen, die auch bei Synthesizern für eine gehörige Portion Rotz sorgen.

Praktisch ist darüber hinaus die Erweiterung des Util-Plug-ins, mit der man den Bassbereich separat auf Mono stellen kann – so wie man es von einigen teuren Brainworx-Tools her kennt. Dank der eingebauten Vorhörfunktion kann man die Grenzfrenquenz sehr genau einstellen. Außerdem kann man Signale nun nicht nur um 35 db, sondern auch komplett absenken – ein unverzichtbarer kleiner Helfer.

Im Mixer von Live 10 lässt sich der normale Balance-Regler für die Stereo-Spuren (per rechter Maustaste) in einen Split-Panner umwandeln. Mit diesem kann man endlich den rechten und linken Kanal getrennt über das gesamte Stereopanorama ausrichten und kann auf separate Plug-ins wie etwa das Flux Stereo-Tool verzichten.

Wer schon mal am Keyboard gejammt hat, und sich dann geärgert hatte, weil er eine coole Phrase gefunden aber nicht rechtzeitig den Aufnahmeknopf gedrückt hat, kann in Live 10 aufatmen. Die DAW zeichnet permanent alle MIDI-Noten auf, selbst ohne aktivierte Aufnahme. Möchte man eine Phrase oder Melodie verwenden, drückt man einfach auf die Capture-Taste, und schon öffnet sich ein Clip mit den zuletzt gespielten Noten – sehr praktisch.

Im Arranger kann man nun mehrere Clips markieren und anschließend die MIDI-Noten in einem Fenster editieren. Um die Noten zu unterscheiden, werden sie jeweils in der Farbe des Clips eingeblendet. Das ist durchaus hilfreich, um rhythmische Passagen besser abzustimmen.

Zur besseren Übersicht werden die Noten eines MIDI-Clips nun auch auf dem Push-2-Controller angezeigt. Das hilft vor allem mit dem neuen Tasten-Layout, das unten die Noten zum Spielen und oben eine 32er-Step-Matrix einblendet. Dadurch behält man einen besseren Überblick über die gespielten Noten und kann sie über die Step-Matrix ergänzen. Zum Editieren der MIDI-Clips greift man aber nach wie vor besser zur Maus am Bildschirm.

Bei Audio-Clips hat sich indes weniger getan. Am wichtigsten ist noch der Punkt, dass man Fades nun direkt im Arranger am Clip einstellen kann. Dazu zieht man einfach an den Haltepunkten und schon wird der Clip in einer schönen S-Kurve ausgeblendet.

Da es einige Nutzer womöglich leicht übersehen, sei hier nochmal auf die Freeze-Funktion hingewiesen, die von Live 9 unverändert übernommen wurde. Wenn der Rechner aufgrund zu großer Rechenlast die Musik nur noch stotternd wiedergibt, kann man einzelne Spuren einfrieren (rechte Maustaste "Spur einfrieren"). Dabei wird die Spur mit sämtlichen Plug-in-Effekten in 32 Bit gerendert und anschließend die Plug-ins vorübergehend ausgeschaltet. Man kann sie später zur weiteren Bearbeitung wieder auftauen. Will man die gerenderte Spur als Audio-File einfügen, drückt man auf der eingefroren Spur wieder die rechte Maustaste und wählt "als Audio fixieren". Dabei verschwinden jedoch sämtliche Plugins und MIDI-Noten der Spur. Wer diese behalten will, muss die Spur vorher Duplizieren.

Der größte Vorteil, den die teure Suite-Version gegenüber der günstigeren Standard-Version bietet, ist die Entwicklungsumgebung Max for Live (M4L). In Live 10 ist sie nun komplett in der Suite integriert, sodass sie nicht separat installiert werden muss und beim ersten Aufruf eines Effekts oder Instruments schneller lädt. Außerdem hat Ableton angefangen, die Darstellungen einiger Effekte sowie deren Klangcharakteristik zu überarbeiten. Den Anfang machen die Drum-Synths, die nun unter der Bezeichnung DW10 zu finden sind und acht Drum-Synthesizer umfassen. Mit ihnen baut man im Handumdrehen ein elektronisches Schlagzeug, dass man ohne Samples nach seinen eigenen Vorlieben einstellen kann. Ihr Sound weiß durchaus zu gefallen.

Um beliebige Plug-in-Parameter zu automatisieren, kann man sie mit den M4L-Effekten "LFO" und "Envelope" verknüpfen. Das ist zwar nicht ganz so elegant gelöst wie in Bitwig Studio, dafür aber sehr flexibel und mit jedweden internen wie externen Plug-in einzusetzen. Neu hinzugekommen ist der sogenannte "Shaper", dessen Form man auf einem dem Takt angepassten Gitternetz frei verändern kann – etwa für rhythmische Filter-Modulationen. Hier darf man künftig wohl noch mehr Anpassungen und Überarbeitungen erwarten.

Die vielen kleinen Verbesserungen erleichtern die tägliche Arbeit enorm, sodass man sie bald nicht mehr missen möchte – allein die "Gruppen in Gruppen" und der Stereo-Panner waren lange überfällig. Doch einige Funktionen hätte man durchaus für das neue Update erwartet, die man bei anderen DAWs lange kennt. An erster Stelle ist hier die Unterstützung von VST 3 zu nennen. Zwar bekommt man alle Plug-ins am Markt auch in VST 2, doch manche Exemplare bocken zuweilen etwas herum. Mac-User können zwar auf die AU-Version wechseln, Windows-Nutzer sind jedoch gekniffen. Hier sollte Ableton bald nachlegen.

Von Bitwig Studio hätte man nur allzu gerne die Sandbox-Abkapselung von Plug-ins sowie die modularen Effekte, mit denen man sich beispielsweise frequenzabhängige Kompressoren selbst zusammenstecken kann. Mit Max for Live ist das in der Ableton Suite mehr Gefummel – wenn es überhaupt geht.

Beim Routing im Mixing kann zudem schon mal die Anzahl der 12 Send-Return-Spuren knapp werden, vor allem, wenn man dort für jede Gruppe eigene Reverbs und Kompressoren einsetzen möchte. Standardmäßig werden diese in die Master-Spur geroutet. Will man sie stattdessen auf eine normale Spur oder Gruppe zurück routen, verschluckt sich Live bei großen Projekten schon mal und gerät bei der automatischen Delay-Kompensation aus dem Takt.

Gänzlich unbeleckt ist Live bei Arrangier- und Kompositionshilfen, wie sie beispielsweise Cubase auf Lager hat. Akkordfolgen lassen sich dort wesentlich einfacher austesten. Auch eine integrierte Pitch-Korrektur, wie sie bereits in vielen DAWs zu finden ist, würde Live gut zu Gesicht stehen. Natürlich lässt sie sich per Melodyne ergänzen, besonders gut integriert ist sie aber nicht.

Ableton bietet Live 10 in drei Ausbaustufen an. Als Online Download kostet die abgespeckte Intro Version 79 Euro. Sie ist auf 16 Audio- und MIDI-Spuren beschränkt. Außerdem muss man bei ihr auf den mächtigen "Complex"-Algorithmus der Warp-Funktion verzichten und hat nur Zugriff auf einfachere Methoden. Ebenso ist das Instrumenten- und Effekt-Arsenal stark abgespeckt, lässt sich aber mit externen Plug-ins (AU, VST) ergänzen. Als günstiger Einstieg in die Loop-basierte Musikproduktion ist sie jedoch sehr zu empfehlen, da man bereits hier von dem ausgefeilten Workflow von Live profitiert. Zudem lässt sich die Intro-Version später aufrüsten.

Unbegrenzte Spuranzahl, die Complex-Warp-Modi und die meisten wichtigen internen Effekte findet man in der Standard-Version für 350 Euro, mit der man uneingeschränkt Musikprojekte bearbeiten kann. Allerdings muss man hier auf die Entwicklungsumgebung Max for Live sowie die meisten internen Synthesizer verzichten.

Letztere sind erst bei der Suite für 600 Euro mit dabei. Sie lohnt sich vor allem für Nutzer von Push 2, da sich die internen Instrumente dort wesentlich einfacher bedienen lassen als externe Plug-ins. Max For Live ist für Klangbastler essentiell, da sie hierfür unzählige Erweiterungen finden; sowohl kostenlose als auch kommerzielle, die von renommierten Entwicklern wie dem IRCAM-Institut verkauft werden. Gerade wenn es um die Ansteuerung externe Synthesizer geht, findet man hier unzählige MIDI-Tools, die die Live Suite zur derzeit komplexesten und umfangreichsten DAW für elektronische Musik machen. (hag [5])


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