Angriff im Signalweg

Ein neuer Therapieansatz zielt auf genetische Mutationen ab, die mit bestimmten Krebsarten einhergehen – und erreicht in einer aktuellen Studie eine erstaunliche Wirkung.

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Von
  • Emily Singer

PE-Tomografien von Krebstumoren (schwarz) vor der Behandlung mit dem neuen Wirkstoff und 15 Tage später (rechts).

(Bild: Peter MacCallum Cancer Centre/Plexxikon)

Ein neuer Therapieansatz zielt auf genetische Mutationen ab, die mit bestimmten Krebsarten einhergehen – und erreicht in einer aktuellen Studie eine erstaunliche Wirkung.

Im Kampf gegen den Krebs gibt es einen weiteren Lichtblick: Forscher des Dana Farber Cancer Institute (DFCI) in Boston haben erfolgreich einen neuen Wirkstoff gegen Hautkrebs getestet. Das Mittel ist auf Patienten mit bösartigen Melanomen zugeschnitten, die eine bestimmte genetische Mutation aufweisen. Bei 80 Prozent der Versuchspersonen mit dieser Mutation waren nach der Behandlung die Tumore zum Teil deutlich geschrumpft.

„Diese Studie ist ein Durchbruch bei der Behandlung von Krebs und insbesondere von Melanomen, die Metastasen bilden“, urteilt Matthew Meyerson, Onkologe am DFCI, der an dem Projekt nicht beteiligt war. „Wir haben hier ein spektakuläres Beispiel dafür, wie auf das Genom ausgerichtete Therapien Krebspatienten helfen können.“ Das getestete Medikament blockiert die Aktivität des so genannten BRAF-Proteins, das in 50 bis 60 Prozent aller Melanome übermäßig aktiv ist.

Dank der Fortschritte in der Gentechnik verstehen Wissenschaftler die genetischen Mutationen, die Krebs zugrundeliegen, inzwischen deutlich besser. Diese Erkenntnisse zahlen sich nun in der Entwicklung von Medikamenten aus. Während eine Chemotherapie gesundes und krankes Gewebe gleichermaßen angreift, gehen die neuen Wirkstoffe gezielt gegen Krebszellen vor, in denen die Mutation auftritt.

Die US-Arzneimittelzulassung FDA hat bislang nur einige wenige Medikamente dieser Art zugelassen. Die waren zudem nur auf sehr seltene genetische Veränderungen zugeschnitten. Die 2002 entdeckte BRAF-Mutation tritt hingegen häufig auf. Sie stört die Regulierung der Signalwege des BRAF-Proteins und aktiviert das Eiweißmolekül in den betroffenen Zellen dauerhaft. Die Pharmakonzerne Roche und Plexxikon entwickeln derzeit das Medikament, das in der DFCI-Studie eingesetzt wurde, zusammen mit anderen Wirkstoff-Kandidaten weiter.

In einem frühen Stadium kann man Melanome noch chirurgisch behandeln. Haben sich aber erst einmal Metastasen entwickelt, sieht es für die Patienten nicht gut aus. Die existierenden Hautkrebs-Medikamente wirken nur in 10 bis 20 Prozent der Fälle. In der neuen Studie bildeten sich die Tumore hingegen bei 37 von 48 Patienten um ein Drittel zurück. Bei drei Probanden verschwanden sie sogar vollständig. Allerdings trat bei einigen Patienten, die das neue Mittel besonders lange verabreicht bekamen, eine harmlose Variante von schuppenartigen Tumoren – so genannten Plattenepithelkarzinomen – auf.

Vor einer Zulassung durch die FDA sind nun weitere Studien nötig. Die müssten aber nicht mehr so umfangreich wie früher sein, weil die Forscher dank Gentests nun die Patienten ermitteln könnten, bei deren genetischer Veranlagung die Stoffe den größten Erfolg versprechen, sagt Keith Flaherty, Onkologe am Massachusetts General Hospital und Leiter der aktuellen Studie. Für ihn zeigt das Projekt, das klinische Tests inzwischen schneller und billiger durchgeführt werden können.

„Die Zeit von der Entdeckung der Mutation bis zum Design eines dazu passenden Stoffes mit enormer klinischer Wirkung hat sich verkürzt“, freut sich Alexis Borisy. Sein Start-up Foundation Medicine entwickelt genetische Untersuchungsverfahren, um herauszufinden, welche Substanzen zu welchen Krebspatienten passen.

Dennoch ist das neue Medikament kein Allheilmittel. Viele Patienten wurden im Laufe der Zeit resistent gegen den Stoff – einige schon drei Monate nach Beginn der Behandlung, andere erst nach zwei Jahren. Resistenzen sind auch bei anderen Studien beobachtet worden, die mit einer genetisch ausgerichteten Therapie arbeiteten. Die Forscher wollen dieses Problem lösen, indem sie das Medikament mit anderen Wirkstoffen kombinieren. Beim Leukämie-Mittel Gleevec hat dies bereits geholfen.

„Wir wissen, dass bei einer übermäßigen Aktivität des BRAF-Proteins noch weitere genetische Veränderungen mit im Spiel sind. Die müssen wir auch angehen“, sagt Projektleiter Keith Flaherty. In einer gerade begonnenen Studie wird der BRAF-Inhibitor mit einem zweiten Mittel kombiniert, das auf ein anderes Protein in dem molekularen Signalweg abzielt. Außerdem untersuchen die Forscher, welche genetischen Variationen eine Resistenz begünstigen.

Die BRAF-Inhibitoren eignen sich nicht nur für die Behandlung von Melanomen. Die entsprechende Mutation tritt auch bei anderen Krebsarten, beispielsweise bei Darmkrebs, auf. Die Forschung verspricht sich von den kommenden Studien auch ein tiefergehendes Verständnis, welche molekularen Mechanismen Krebs auslösen. Dann könnte langfristig die Definition der Krebsarten anhand des betroffenen Gewebes hinfällig werden. Stattdessen könnte man sie nach den charakteristischen molekularen Vorgängen unterscheiden. „Ein grundlegende Frage ist jedoch, wieviele Therapieziele es neben dem BRAF-Protein noch gibt“, sagt Flaherty. „Da warten wir noch auf weitere Entdeckungen.“

Das Paper:
Callura, J. et al.: "Tracking, tuning, and terminating microbial physiology using synthetic riboregulators", PNAS, 16.8.2010 (Open Access Paper ) (nbo)