Antikörper aus Kühen gegen Ebola und Grippeviren

Ein Biotech-Unternehmen setzt Rindern ein Chromosom ein, das sie die gleichen Antikörper produzieren lässt wie das menschliche Immunsystem. Das Konzept könnte schwere Probleme bei der Bekämpfung von Infektionen lösen.

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Von
  • Emily Mullin
Inhaltsverzeichnis

Bei der jüngsten Ebola-Epidemie in Westafrika wurden manche Patienten behandelt, indem Helfer ihnen Plasma – also den flüssigen Teil des Blutes – von Menschen injizierten, die diese Krankheit bereits überstanden hatten. Die Hoffnung dabei war, dass die schützenden Proteine in dem Spender-Plasma ausreichen würden, um die Empfänger beim Kampf gegen Ebola zu unterstützen.

Ein Biotech-Unternehmen will dieses Prinzip jetzt nutzen, um unterschiedliche Infektionskrankheiten zu behandeln. Ein wichtiger Unterschied dabei: Das Plasma soll nicht von Menschen stammen, sondern von Kühen.

Dazu hat SAB Therapeutics aus dem US-Bundesstaat South Dakota Rinder gentechnisch so verändert, dass sie rasch große Mengen menschlicher Antikörper – also Proteine, die dazu beitragen, schädliche Pathogene aus dem Körper zu entfernen – produzieren. Angewendet werden könnte das Konzept zur Bekämpfung der Atemwegserkrankung MERS sowie von Ebola und Grippe. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat es kürzlich zu einer der sechs viel versprechendsten Technologieplattformen zur Reaktion auf Seuchen weltweit erklärt.

"Die Überlegung dahinter ist, dass menschliche Antikörper die natürliche Art und Weise sind, wie unser Körper gegen Krankheiten kämpft", erklärt Eddie Sullivan, President und CEO von SAB Therapeutics. Nutzbar gemacht werden die Kühe, indem ein Genbereich in ihnen abgeschaltet und durch ein künstliches menschliches Chromosom mit der genetischen Information für die Erzeugung der Antikörper ersetzt wird. Dann werden die Tiere mit einem Antigen der Zielkrankheit geimpft; die fremde Substanz löst eine Immunreaktion im Körper aus und schiebt so die Produktion der Antikörper an.

Wenn die Kühe genügend davon produziert haben, entnehmen die Wissenschaftler ihr Blutplasma und gewinnen daraus die Antikörper, die als Medikament dienen sollen. Der gesamte Prozess von der Impfung der Tiere bis zum Endprodukt dauert etwa zweieinhalb Monate. Dadurch ist er schnell genug skalierbar, um auf eine Epidemie zu reagieren.

Bereits in der Vergangenheit haben Forscher versucht, aus Tieren gewonnene Antikörper zur Bekämpfung von Krankheiten einzusetzen, doch dies kann bei Menschen schwere Nebenwirkungen auslösen. Bei den Antikörpern von SAB ist das laut Sullivan weniger wahrscheinlich, denn sie scheinen vollständig von Menschen zu stammen.

Die Verwendung von Antikörpern in Blutplasma wird auch als Immunglobulin-Therapie bezeichnet und schon seit Jahrzehnten praktiziert. Eine bedeutende Einschränkung dabei aber ist, dass für eine wirksame Behandlung große Mengen davon benötigt werden. Dieses Problem könnte mit dem Umweg über Kühe entschärft werden, weil die deutlich mehr Antikörper produzieren können als Menschen – laut Sullivan je nach Krankheit genug für 300 bis 1000 Menschen pro Tier.

Bei der Ebola-Epidemie haben Forscher gezeigt, dass der Anteil der Todesfälle unter Patienten, die Plasma von Überlebenden erhielten, kaum geringer war als in einer Kontrollgruppe ohne Transfusion – 31 Prozent gegenüber 38 Prozent. Das allerdings bedeutet nicht, dass eine solche Behandlung nicht funktioniert: Wie die Autoren der Studie anmerken, hatten die Helfer im Akuteinsatz nicht genügend Zeit, um zu ermitteln, wie viele Antikörper im Spender-Plasma enthalten waren.

Von Kühen stammende MERS-Antikörper von SAB Therapeutics werden derzeit in ersten einer Phase-I-Sicherheitsstudie an gesunden Menschen getestet. Wenn dabei keine Probleme auftreten, will das Unternehmen als Nächstes eine Phase-II-Studie in Ländern mit lokalen MERS-Fällen beginnen. Außerdem testet es in einer Partnerschaft mit dem Medical Research Institute of Infectious Diseases der U.S. Army, ob das Konzept gegen eine Reihe von weiteren Pathogenen eingesetzt werden kann, unter anderem gegen die seltenen, aber tödlichen Hantaviren, die von Nagetieren verbreitet werden.

Die Technologie ist also vielversprechend, doch die WHO weist darauf hin, dass die Herstellung derartiger Medikamente – mit 2000 Dollar pro Gramm – teuer werden könnte; pro Monat kann eine Kuh laut Sullivan 150 bis 600 Gramm produzieren. Die hohen Kosten könnten bedeuten, dass sich ausgerechnet viele der Länder, die davon profitieren würden, eine eigene Produktion nicht leisten können, warnt die WHO.

(sma)