"Anzeichen, dass der Wind dreht"

Bill Gurley ist Partner bei der Wagniskapitalfirma Benchmark, bekannt für frühe Investitionen in Uber oder Zillow. Im Unterschied zu anderen Vertretern seiner Branche sieht er bei der Bewertung von Tech-Start-ups eine Blase. Sie werde platzen und zu einer Krise führen.

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Von
  • Robert D. Hof

Bill Gurley ist Partner bei der Wagnis-kapitalfirma Benchmark, bekannt für frühe Investitionen in Uber oder Zillow. Im Unterschied zu anderen Vertretern seiner Branche sieht er bei der Bewertung von Tech-Start-ups eine Blase. Sie werde platzen und zu einer Krise führen.



Technology Review: Seit gut einem Jahr klagen Sie darüber, dass es eine Blase bei Technologie-Start-ups gibt. Warum?

Bill Gurley

(Bild: Mike Blake / Reuters / Ullstein Bild)

Bill Gurley: Auf einem Markt, auf dem so viel Kapital verfügbar ist, sind herausragende Entrepreneure relativ gesehen benachteiligt. Wenn Kapital schwierig zu bekommen ist, können sie immer noch Geld aufnehmen. Im aktuellen Umfeld können sie sogar haufenweise Kapital aufnehmen, aber das gilt auch für viele weniger fähige Konkurrenten, die ansonsten gar nicht im Geschäft wären. Stellen Sie sich zwei Unternehmen vor. Dem einen wird gesagt, "Ich will, dass ihr 100 Millionen Dollar Umsatz erreicht und bis dahin profitabel seid." Dem anderen sagt man, "Ich will, dass ihr 100 Millionen Dollar Umsatz erreicht, und es ist mir egal, wenn ihr dabei 40 Millionen Dollar verliert." Was von beidem ist schwieriger? Ich würde sagen, der erste Fall ist mindestens zehnmal so schwierig.

Die Blase alimentiert gewissermaßen mittelmäßige Gründer?

Bis man bewiesen hat, dass man Cashflow generieren kann, hat man kein nachhaltiges Geschäft. Egal bei welchem von diesen Einhorn-Start-ups man vorbeischaut: In ihren Vorständen findet jeder, dass es völlig in Ordnung ist, haufenweise Geld zu verbrennen.

Auch Amazon hat vor einigen Jahren viel Geld verloren, hat sich aber zu einem riesigen, dauerhaften Unternehmen entwickelt...

Aber schauen Sie, was das Unternehmen durchmachen musste. Die Aktie ist von 106 Dollar im Dezember 1999 auf 6 Dollar im Oktober 2001 gefallen, hat also 94 Prozent ihres Börsenwerts verloren. 1.300 Mitarbeiter mussten entlassen werden, was 15 Prozent der Gesamtbelegschaft waren. Ich glaube nicht, dass es da draußen auch nur ein einziges Einhorn gibt, wo man darüber nachdenkt, was es bedeuten würde, wenn die eigene Marktkapitalisierung um 94 Prozent fallen würde.

Aber wenn man bei dem Rennen nicht mitmacht, kann man es nicht gewinnen, oder?

Wenn Ihr Konkurrent 400 Millionen Dollar Kapital aufnimmt, hat man keine Wahl, ob man sich an diesem Spiel beteiligt oder nicht. Aber ich habe schon Einbrüche erlebt, und das ist wirklich schlimm. Wenn diese Märkte korrigieren, dann korrigieren sie heftig. Im Silicon Valley gibt es keine sanfte Landung.

Trotz Ihrer Warnungen bekommen Start-ups weiterhin hohe Finanzierungen. Fragen Sie sich, ob Sie noch richtig liegen?

Nein. In jüngster Zeit gibt es einige Anzeichen dafür, dass der Wind sich dreht. Der Aktienmarkt hat in diesem Jahr dramatisch verloren. Bei den meisten Tech-Start-ups werden die Bewertungen, gemessen am Vielfachen ihres Umsatzes, geringer. Und ich habe gesehen, dass Wagniskapitalfirmen, die normalerweise alle Deals für sich selbst behalten würden, damit beginnen, Geld bei anderen Leuten einzuwerben, um neue Finanzierungsrunden voll zu bekommen.

Würde eine Krise die Ausgaben für Innovationen verringern?

Gute Unternehmen werden in allen Phasen des Zyklus gestartet. Kapital ist zyklisch, aber ich glaube nicht, dass es im Silicon Valley jemals keine Innovation gegeben hat.

Wie hat sich Wagniskapital angesichts neuer Alternativen wie Inkubatoren, Super-Angels, die kleine Beträge in Frühphasen-Start-ups investieren, und Crowdfunding verändert?

Vor sechs oder sieben Jahren waren alle unsere Limited Partner in Angst, weil es die Vorstellung gab, dass die Super-Angels klassische Wagniskapitalgeber verdrängen würden. So ist es nicht gekommen. Nur eine Handvoll von ihnen konnte sich durchsetzen. Wenn Sie ein Erfinder sind, ist Crowdfunding eine gute Sache, weil Sie ansonsten vielleicht keine Anschubfinanzierung bekommen würden. Das finde ich sehr gut. Y Combinator, eine Art Stipendienprogramm für Start-ups, ist ebenfalls eine Innovation. Jeder, der ein neuartiges System entwickelt, ist interessant. Wagniskapital ist einfach nicht gut für eine Systematisierung geeignet. Bob Kagle, der Mitgründer von Benchmark, hat es gern als Geschäft bezeichnet, bei dem man sich die Hacken ablaufen muss. Wir haben die grundlegende Überzeugung, dass der Aufbau von Unternehmen eine Kunst ist und keine Wissenschaft.

Wo würden Sie gern höhere Investitionen sehen?

Bei der Gesundheit. Werkzeuge wie das Smartphone haben eine Disruption in anderen Branchen ausgelöst und müssten auch bei der Lösung des Gesundheitsproblems ausgesprochen nützlich sein. Die meisten der Start-ups, die wir hier sehen, haben aber im Grunde nur irgendeine Möglichkeit gefunden, einem der etablierten Anbieter zu helfen, aus dem bestehenden System mehr Wert für sich selbst herauszuziehen. Sie setzen Technologie ein, um das System insgesamt eher schlechter als besser zu machen.

(jle)