"Apple gängelt"

In der Regel sind Entwickler von Mobiltelefon-Anwendungen ("Apps") Einzelkämpfer. Jetzt haben sie sich in einem Verband organisiert. Gründer Hanno Welsch spricht über seine Erfahrungen in der App-Szene.

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Von
  • Anwen Roberts

In der Regel sind Entwickler von Mobiltelefon-Anwendungen ("Apps") Einzelkämpfer. Jetzt haben sie sich in einem Verband organisiert. Gründer Hanno Welsch spricht über seine Erfahrungen in der App-Szene.

Technology Review: Warum brauchen App-Entwickler einen eigenen Verband?

Hanno Welsch: Als Interessenvertretung gegenüber Apple. Besonders von Europa aus sind Verhandlungen für Einzelpersonen nur begrenzt möglich. Und es gibt immer Bereiche, in denen die Entwickler nicht ganz zufrieden sind.

TR: Etwa damit, dass Apple bestimmt, welche Apps in den Store kommen und welche nicht?

Welsch: Apple ist der Hausherr, und der AppStore eben ihre Vermarktungsplattform. So ist das Geschäft, da mache ich mir keine Illusionen. Wenn sie die gesamte Serverstruktur zur Verfügung stellen, erwarte ich nicht auch noch demokratische Strukturen. Das ist ja nicht Wikipedia.

TR: Was stört Sie dann?

Welsch: Für uns Entwickler sind die Richtlinien für Apps schon zum Teil Gängelung und Bevormundung. Da sind Sachen dabei, die wir ein bisschen haarspalterisch finden. Wenn ich etwa Buttons verwende, die anderweitig vorgesehen sind, kriege ich vom Prüfer ein "Reject" – also keine Genehmigung, die App in dieser Form herauszugeben. Ein Fehler wird oft erst beim vierten Prüfdurchlauf entdeckt. Das sieht oft willkürlich aus, aber da sitzen eben auch nur Menschen.

TR: Welche Art Apps werden denn zurückgewiesen?

Welsch: Da müssen schon grobe Urheberrechtsverstöße enthalten sein. Nach dem Tod von Michael Jackson gab es eine Menge Leute, die mit irgendwelchen kopierten Bildern eine App machen wollten. Die wurden verständlicherweise alle abgelehnt. Aber ansonsten kommt eigentlich alles hinein, was auch nur halbwegs moralisch passt. Kürzlich wurde sogar eine App angenommen, die Mussolini-Reden verbreitete – da hatte man mit dem Namen Mussolini offenbar nichts anfangen können.

TR: Wie kann so etwas einfach durchrutschen?

Welsch: Tja, mit Hitler wäre das vermutlich nicht passiert. Das prüft ja zunächst nur einer, und wenn der in der Schule nicht aufgepasst hat… Viel mehr gewundert hat mich, dass Apple nicht schneller reagiert und die App aus dem Programm genommen hat. Bei der App von stern.de wurde wegen ein paar barbusiger Damen viel schneller gehandelt.

TR: Sie wollen mit einem eigenen Gütesiegel für Apps dagegenhalten. Was besagt dieses Siegel?

Welsch: Wir entwerfen gerade einen Kriterienkatalog, der etwa die zweckmäßige Verwendung bestimmter Buttons oder klare Benutzersteuerung definiert oder den Speicherbedarf.

TR: Welche Rolle spielen andere Plattformen für Ihren Verband?

Welsch: Keiner bei uns ist ausschließlich auf das iPhone abonniert. Die meisten fangen jetzt an, in Richtung Android zu denken, weil das derzeit die einzige Plattform mit ähnlichem Potenzial ist. Auch Windows Mobile und Palm beobachten wir, aber Letztere haben nicht nur wegen der Programmiersprache JavaScript wenig Freunde in der Szene, sondern auch weil sie den Start ihres eigenen App-Stores gründlich vergeigt haben.

TR: Mit welchen Anwendungen lässt sich heute Geld verdienen?

Welsch: Die Goldgräberzeiten, in denen sich eine skurrile Idee in einer Woche tausendfach verkaufen konnte, sind vorbei. Was heute funktioniert, sind dauerhafte, hochwertige Apps, die Nutzer auch mehr als zweimal öffnen wollen. Mit Qualitäts-Apps, die Mehrwert bieten, kann man durchaus Geld verdienen. (bsc)