Arbeitsplatte mit Gehirn

US-Forscher haben aus einer 3D-Kamera und einem Miniprojektor eine interaktive Küchenhilfe entwickelt.

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Von
  • Tom Simonite

US-Forscher haben aus einer 3D-Kamera und einem Miniprojektor eine interaktive Küchenhilfe entwickelt.

Sobald Ryder Ziola eine Paprika auf die Oberfläche legt, wird die Arbeitsplatte lebendig: Der eingebaute Bildschirm schlägt Rezepte vor und gibt Tipps, was mit dem Gemüse am besten anzufangen wäre. Der Forscher, der an der University of Washington gerade an seinem Masterabschluss arbeitet, kann das in eine ganz normale Küchezeile eingebaute System aber auch als Touchscreen verwenden. Dann erscheinen auf Fingerwisch beispielsweise Optionen, welche weiteren Zutaten er noch braucht. Die Technik, "Oasis" genannt, hat Ziola zusammen mit Beverly Harrison von den Intel Labs Seattle entwickelt.

"Wenn man ein Steak auf die Oberfläche legt, wird es erkannt und man erhält sofort einen Vorschlag für ein Mittagessen", erklärt Ziola. Die in der Arbeitsfläche eingebaute 3D-Kamera kann außerdem die Handbewegungen des Benutzers erkennen und unterscheiden, welche Finger aufliegen. So ergibt sich eine volle Interaktivität.

Eine Fingerberührung reicht auch aus, um sich eine Zeitschaltuhr anzeigen zu lassen oder Bilder und Videos eines Schritt-für-Schritt-Rezepts hervorzuzaubern. Platziert man zwei Zutaten zusammen auf der Oberfläche, kann Oasis passende Serviervorschläge unterbreiten, bei denen beide Produkte vorkommen. Jede nicht gebrauchte Information wird mit einem Fingerstrich gelöscht.

Oasis nutzt zur Bilddarstellung einen sogenannten Pico-Projektor des Anbieters Microvision, der auf eine Handfläche passt. Die 3D-Kamera, die Objekte lokalisiert, stammt wiederum von PrimeSense, der Firma, die auch die Sensoren für den neuen "Kinect"-Bewegungscontroller für Microsofts Spielekonsole Xbox liefert. Obwohl die Kamera Objekte über ihre dreidimensionale Form erkennen kann, arbeitet sie derzeit allein mit Farbinformationen. "Durch die 3D-Fähigkeit lässt sich die Erkennung aber einfacher und robuster machen", sagt Ziola, der die Funktion demnächst einbauen will.

Oasis lässt sich schnell auf neue Objekte trainieren. Präsentiert man dem System eine Packung Kaugummi, dauert es nur wenige Knopfdrücke, bis es weiß, wie diese künftig zu tracken ist. "Das System braucht einfach nur einen kurzen Schnappschuss."

"Weil die Interaktion mit dem Nutzer in Echtzeit erfolgt, muss das System leistungsfähig genug sein", betont Ziolas Intel-Kollegin Beverly Harrison. "Uns gelang es, dies mit einem ordinären Laptop hinzubekommen, aber auch fast jedes andere handelsübliche Gerät wie etwa eine Set-Top-Box würde ausreichen." Das passt gut: Der Chipriese hat gerade angekündigt, dass er einen Atom-Prozessor mit einem Gigahertz für Googles neue Fernsehplattform bereitstellen wird – die könnte den Job in der Küche womöglich miterledigen. "Die Technik ist mit nahezu jeder Oberfläche realisierbar. Es könnte ein Sofatisch sein, der Bücher vorliest, oder eine Oberfläche im Badezimmer, die dann die Pillen erkennt, die man einnehmen muss." Zwar seien interaktive Arbeitsplatten schon gezeigt worden, "doch nun sind die Projektoren so klein, dass man sich vorstellen könnte, davon zehn im ganzen Haus zu verteilen".

Die Küche sei ein guter Ort für ein solches System, meint auch Gene Becker, dessen Firma Lightning Laboratories auf Beratung im Bereich Ubiquitous Computing und Augmented Reality spezialisiert ist. "Das ist ein Ort, an dem viele Informationen gebraucht werden." Die Verknüpfung einzelner Zutaten mit Rezepten, Inhaltsstoffen oder Nährwertangaben ergibt sich da fast von selbst.

Trotzdem glaubt der Experte, dass Pico-Projektoren zunächst ihren Weg in Handys finden werden. "Der Einbau direkt im Haus wird sicher erst später erfolgen." Es sei leichter, die Technik als Teil bestehender Geräte durchzusetzen, als in Form neuer, spezialisierter Systeme. Als Problem sieht Becker auch die in der Küche oft nicht vorhandene Netzwerkinfrastruktur an. (bsc)