Atomkraft, etwas sauberer

Der US-Kongress interessiert sich für Thorium als Kernbrennstoff. Hochgradig strahlender Müll aus den Reaktoren könnte so reduziert werden.

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Von
  • Peter Fairley
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Senatoren aus mehreren westlichen Bundesstaaten der USA, darunter Orrin Hatch aus Utah und Mehrheitsführer Harry Reid aus Nevada, arbeiten an einem Gesetz, um die Verwendung von Thorium im Nuklearbereich voranzutreiben. Die Politiker halten den Kernbrennstoff für eine sauberere Alternative zur bestehenden Uran-Technologie – mit dem Potenzial, die Kosten für stark strahlenden Atommüll zu halbieren. "Die Senatoren sind besorgt wegen der verbrauchten Brennstäbe, die schließlich in ihren Staaten landen", erläutert Seth Grae, Präsident des Thorium-Technologie-Entwicklers Thorium Power aus Virginia.

Beobachter der US-Atomszene sehen in der Technologie durchaus ein Potenzial – einige fordern schon seit Längerem ein entsprechendes Gesetz. Dieses würde das amerikanische Energieministerium und die Kontrollbehörde NRC, die die Atombranche reguliert, dazu zwingen, Büros einzurichten, die die Optionen im Thorium-Bereich näher untersuchen und die Technik auch im Ausland bekannter machen. "Aus meiner Sicht wäre das sehr sinnvoll", meint Thomas Cochran, Direktor für den Bereich Atomtechnik bei der Umweltschutzorganisation NRDC in Washington. Der Kongress müsse handeln, um aktuelle Widerstände innerhalb des Energieministeriums aufzulösen.

Die Verwendung von Thorium in bestehenden Reaktoren würde zumindest theoretisch ermöglichen, dass der Atombrennstoffes, wie heute in den meisten Ländern praktiziert, nicht nur einmal verwendet wird: In den meisten AKWs wird zurzeit Uranoxid verwendet, angereichert zum spaltbaren Isotop U235. Die Spaltung des Urans im Reaktor erzeugt Hitze, die wiederum die Turbinen des Atomkraftwerkes antreibt. Als "Endprodukt" verbleibt eine hochgradig radioaktive Mischung aus Spaltprodukten, darunter Plutonium, das für den Bau von Atombomben verwendet werden kann. Diese Spaltprodukte lähmen jedoch zum Teil die Kettenreaktion, was einen Ersatz des Brennstoffes alle ein bis zwei Jahre notwendig macht. Das verbrauchte Material wird dementsprechend regelmäßig entnommen und dann zunächst vor Ort gelagert, bevor es endlich Richtung Endlager gehen kann – sollte ein solches existieren.

Das US-Energieministerium arbeitet derzeit beispielsweise an einem Lager für hochradioaktiven Müll in Nevada (Yucca Mountain). Doch die Anlage wird frühestens in zehn Jahren öffnen, und es gibt kaum einen politischen Willen, weitere dieser Lager zu bauen. Das Unternehmen Private Fuel Storage aus Salt Lake City arbeitet zwar an einem kontrovers diskutierten Zwischenlager auf Indianerland – eine 20 Jahre laufende Lizenz, die verlängert werden kann, liegt bereits vor. "Das wäre aber ein langer Zwischenstopp", sagt Thorium-Power-Mann Grae.

Seine Firma wurde 1992 gegründet, um einen Prozess zu kommerzialisieren, der die Menge des Atommülls reduzieren soll, den traditionelle Reaktoren produzieren. Die Technik wurde vom inzwischen verstorbenen Atomwissenschaftler Alvin Radkowsky entwickelt, renommierter Entwickler der Reaktoren der US-Marine und erster kommerzieller Atomkraftwerke. Seine Idee setzt sowohl auf Thorium als auch auf Uran, was sie zumindest vordergründig komplexer machte. Der Ansatz führt jedoch dazu, dass der größte Teil des Atombrennstoffes länger im Reaktor verbleibt und der Müll dadurch weniger giftig ist.

Jedes Brennelement enthält dabei eine Mischung aus zwei verschiedenen Brennstäben. Die Mehrzahl besteht aus Thoriumoxid-Pellets. Thorium kann für sich genommen keine Kettenreaktion aufrechterhalten, wie dies U235 beherrscht, doch es kann Neutronen absorbieren, um ein anderes spaltbares Uranisotop zu bilden: U233. Die Thorium-Power-Entwicklung nutzt die verbleibenden Brennstäbe zur Versorgung mit diesen Neutronen – sie bestehen aus festen Legierungen aus Zirconium und spaltbarem U235.

Laut Grae sind diese Hybrid-Brennelemente explizit dafür entwickelt, die aktuell verwendeten Uranoxid-Modelle in Druckwasserreaktoren zu ersetzen. Das ist der weltweit am stärksten verwendete Reaktortyp. Bei diesem wären nur minimale Anpassungen notwendig, sagt die Firma. Die wichtigste: Es müssen präzisere Kräne eingebaut werden, die es erlauben, die Uranbrennstäbe separat zu entnehmen. Genau das sei ein zentraler Punkt bei der Müllreduktion, sagt Grae, weil der größte Teil, das Thorium, neun Jahre lang im Reaktorkern verbleibt, während die Uranbrennstäbe wie bei der konventionellen Uranoxid-Version öfter ausgetauscht werden müssen.

Thorium Power will dieses Brennstoffsystem nun in den nächsten drei Jahren weiter testen – anfänglich an einem Druckwasserreaktor in Russland. Die Untersuchungen werden in Zusammenarbeit mit dem Kurchatov-Institut durchgeführt, einer Atomforschungseinrichtung in Moskau. Dort prüft man das Thorium-Power-Material bereits seit vier Jahren auf Haltbarkeit und fährt außerdem einen Uran-Zirconium-Herstellungsprozess hoch, um die 3,5 Meter langen Brennstäbe zu produzieren, die in russischen Reaktoren genutzt werden.

Sollten die neuen Brennstäbe sich bewähren, liegt das vor allem daran, dass das Thorium-Uran-Konzept eigentlich bereits lange erprobt wurde. Einige frühe Reaktoren mit Gaskühlung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren nutzten ein ähnliches System wie Thorium Power. Auch einige frühe wassergekühlte Reaktoren nutzten die Mischung aus Thorium und Uran. Doch Thorium fiel letztlich aus dem Markt, weil die Atombranche sich auf den Standard Uran einigte – insbesondere nachdem das Material nach dem Three-Mile-Island-Unfall 1979 in den USA enorm billig wurde.

Das Austauschen des Urans alle zwei Jahre erscheint heute allerdings weniger attraktiv. Die Preise steigen ständig, und der hochradioaktive Müll stapelt sich in den kommerziellen Reaktoren in den ganzen USA. Thorium ist auch eine Antwort auf das Problem der Proliferation spaltbaren Materials, das zum Bau von Atombomben verwendet werden könnte. Die Nebenprodukte von Thorium produzieren starke Gammastrahlen, sodass sie von Bombenbastlern nur schwer zu handhaben wären. Thorium Power konzentriert sein Marketing deshalb derzeit auf Entwicklungsländer im Nahen Osten, in Asien und Lateinamerika, die ihre ersten eigenen Reaktoren bauen wollen. Grae wettet darauf, dass ein Design, das die Proliferation von Atomwaffen behindert, auch die Finanzierung der Anlagen in solchen Ländern vereinfacht. Interessant sei auch der indische Markt, wo man große Thorium-Vorkommen hat.

Das Problem der Thorium-Freunde: Das US-Energieministerium meint bereits, eine andere Lösung zu kennen. Der so genannte geschlossene Brennstoffzyklus, bei dem die chemische Aufbereitung das Plutonium aus dem verbrauchten Material der Wiederverwendung zuführt. Diese Aufbereitung ist ein zentraler Punkt des so genannten "Global Nuclear Energy Partnership"-Programmes (GNEP), bei dem wichtige Atomnationen wie die USA den Ländern eine Uranversorgung garantieren, die ihren verbrauchten Brennstoff zurückgeben – das Plutonium, aus dem Atombomben hergestellt werden könnten.

Das GNEP hat viele Kritiker, die bemängeln, dass die Wiederaufbereitung teuer ist und das Risiko der Verbreitung spaltbaren Materials eher erhöht als einschränkt. Das Energieministerium will das Plutonium verbrennen, in dem es mit Uran gemischt wird. Diese Prozedur führt allerdings zu heißerem und giftigerem Atommüll, der nur in schnellen Brütern verwendet werden kann. Diese Reaktoren sind kommerziell jedoch noch immer nicht verwirklichbar.

Grae glaubt, dass Thorium Power aber auch von einer verstärkten Aufbereitung profitieren würde, weil sein System sich besser für die Rückgewinnung von Plutonium eigne. Es würde dann das Uran als Neutronenquelle für die Thorium-Brennstäbe ersetzen. 2005 prüfte der Atomtechnologieriese Westinghouse das System als Option, um überschüssiges militärisches Plutonium loszuwerden. Ergebnis: Die Methode sei deutlich schneller, billiger und effektiver als die Verfeuerung mit Uran. (bsc)