"Austausch im Spätsommer"

Beim pannengeplagten Off-Shore-Windpark Alpha Ventus arbeitet der Bremerhavener Windenergieentwickler Multibrid fieberhaft an einer Lösung für die Turbinenprobleme, wie zwei Manager der Firma im TR-Interview erläutern.

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Von
  • Lennart Oheim

Beim pannengeplagten Off-Shore-Windpark Alpha Ventus arbeitet der Bremerhavener Windenergieentwickler Multibrid fieberhaft an einer Lösung für die Turbinenprobleme, wie zwei Manager der Firma im TR-Interview erläutern.

Im Off-Shore-Windpark Alpha Ventus in der Nordsee, der im April 2010 offiziell eröffnet wurde, mussten bereits zwei der zwölf Windräder wieder stillgelegt werden. Beide Maschinen stammen vom Bremerhavener Unternehmen Multibrid. Technology Review sprach mit Tobias Eifert, Leiter des Projektmanagements bei Multibrid, und Michael Munder-Oschimek, Leiter des Service, über die Gründe der Abschaltung und die Konsequenzen.

Technology Review: Im Alpha Ventus-Windpark mussten zwei von sechs der von Ihrer Firma Multibrid aufgestellten Windturbinen stillgelegt werden. Was ist passiert?

Tobias Eifert: Wir haben im März festgestellt, dass wir langsam steigende Lagertemperaturen an einem Gleitlager innerhalb der Getriebe hatten. Eine weitere Erwärmung hätte dazu führen können, dass die Lager unbrauchbar werden. Um Folgeschäden an den Getrieben zu vermeiden, haben wir zwei Anlagen vorsorglich stillgelegt.

Die Erklärung für diese Temperaturerhöhung ist inzwischen gefunden: Unser Getriebelieferant, die Firma Renk AG, hat für die Buchsen dieser Gleitlager einen anderen Lagerwerkstoff verwendet als im ersten Prototyp der Turbine, der problemlos läuft. Das neue Lager besteht aus einer Aluminiumlegierung, die einen etwa doppelt so hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten hat wie das ursprünglich eingesetzte Stahllager. Eine schlüssige Erklärung, warum die Renk-AG diese Getriebe mit anderen Lagern ausgestattet hat, gibt es noch nicht. Eine solche Änderung führt man eigentlich nur nach gründlicher Abwägung und Analyse der Konstruktion durch.

TR: Müssen nach diesem Vorfall jetzt alle Gondeln ausgetauscht werden?

Michael Munder-Oschimek: Von dem neuen Lagerwerkstoff sind alle sechs Anlagen betroffen, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass alle Anlagen getauscht werden müssen. Schlussendlich stellt der Lagerwerkstoff nicht das Problem dar, sondern die Kombination aus Lagerwerkstoff und vorhandenem Lagerspiel. Das heißt, es treten auch Konfigurationen der Turbinen auf, wo das Lagerspiel entsprechend groß genug ist, um diesen höheren Wärmeausdehnungseffizienten zu kompensieren, so dass das Problem gar nicht oder verzögert eintritt.

Vor dem Hintergrund sind wir ja auch noch mit dem Kunden zusammen in der technischen Klärung, ob vier oder sechs Anlagen getauscht werden müssen. Status heute ist, das die Verhandlungen darüber noch nicht abgeschlossen sind. Was die beiden stillgelegten Gondeln betrifft: Wir bereiten uns darauf vor, sie im Spätsommer auszutauschen.

TR: Welche Konsequenzen hat der Vorfall für die Produktion weiterer Turbinen?

Munder-Oschimek: Bei neuen Turbinen werden wir wieder den ursprünglichen Gleitlagerwerkstoff verwenden und damit das Problem definitiv ausmerzen. Wir nennen das Roll-Back, wir kehren also zurück zum gleichen Material wie beim bestens bewährten Prototyp. Ganz wesentlicher Punkt ist, dass an der Konstruktion des Lagers als solches keine Änderungen vorgenommen werden. Eine Inspektion des Prototypens 2009 hat bewiesen, dass das Getriebe auch nach vielen Betriebsjahren in einem hervorragenden Zustand ist.

TR: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie in Zukunft solche Probleme verhindern?

Eifert: Zum einen werden wir die Qualität bei unseren Unterlieferanten noch genauer kontrollieren als bisher, das heißt wir schauen uns die Konstruktionsdetails sowie die Ausführung- und Montagequalität noch präziser an. Zweitens werden wir am Endprodukt die Qualität noch besser überwachen. Wir investieren momentan in einen neuen Teststand, mit dem wir ab April 2011 die komplette Antriebseinheit mit vollem Drehmoment mechanisch testen können, bevor die Maschinen auf See kommen.

TR: Ist schon klar, wie hoch die Kosten für den Austausch der Gondeln sind und wer sie übernimmt?

Eifert: Die Höhe des Schadens möchten wir momentan nicht beziffern, es gibt Kostenschätzungen, und Sie können sich vorstellen, dass es ein größerer Millionenschaden ist. Wir werden uns mit den Verursachern und auch Versicherern unterhalten, wie der Schaden geregelt wird. Aber da gibt es noch keine abschließende Einigung. (bsc)