Basteln auf St. Pauli

Fab Labs sind inzwischen in aller Munde. Unser Autor hat mit anderen begeisterten Tüftlern eines gegründet. Ein Erfahrungsbericht.

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Von
  • Niels Boeing

Fab Labs sind inzwischen in aller Munde. Unser Autor hat mit anderen begeisterten Tüftlern eines gegründet. Ein Erfahrungsbericht.

Lange Jahre beschränkte sich meine Heimwerkerei auf klassisches Arbeiten mit Holz – bis ich 2005 das Buch "Fab" in die Hände bekam. Neil Gershenfeld vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) beschreibt darin die Vision einer Personal Fabrication. Als dann noch Adrian Bowyer von der University of Bath das RepRap-Projekt startete mit dem Ziel, einen Open-Source-3D-Drucker zu entwickeln, sprang der Funke über. Personal Fabrication: So wie PC und Web die Verarbeitung von Bits demokratisierten, könnten einfache computergesteuerte Maschinen die Herstellung von beliebigen Dingen für alle zugänglich machen. Ich fand die Idee mit ihrer praktischen und zugleich sozialen Ausrichtung schlicht genial.

Es sollte aber noch bis 2010 dauern, bis ich über Personal Fabrication nicht nur Artikel schreiben, sondern selbst Hand anlegen wollte. Eine Anwohner-Initiative entwickelte damals ein eigenes Konzept für einen Straßenblock in meinem Viertel auf St. Pauli – als Gegenstück zu dem Plan einer Immobilienfirma, langweilige und überteuerte Apartments zu bauen. Mit dabei waren die Informatiker Axel Sylvester und Tanja Döring, die gerade in Boston einen ziemlich abgefahrenen Touchscreen-Tisch vorgestellt hatten. Schnell war der Plan gefasst, eine Hightech-Werkstatt für alle als Teil des Anwohnerkonzepts zu starten. Für einen ersten Vorgeschmack lud Sylvester den Fab Lab Truck aus Amsterdam nach St. Pauli ein. Drei Tage lang konnte die Nachbarschaft mit Laserschneider, MakerBot-3D-Drucker und Vinylcutter experimentieren und Spielsachen oder ein Mini-Modell unseres Wunschfabrikgebäudes modellieren. Die Resonanz war großartig.

Jetzt waren wir erst richtig angefixt – obwohl unser Anwohnerkonzept im bevorstehenden Wahlkampf inzwischen untergegangen war und die Bagger für das Apartmentviertel doch anrückten. Mit ein paar weiteren Enthusiasten gründeten wir den Verein "Fab Lab Fabulous St. Pauli" und bauten im Februar 2011 in einem Workshop an der RWTH Aachen einen "Mendel Prusa", unseren eigenen RepRap-Drucker. Damit veranstalteten wir in den Folgemonaten erste 3D-Druck-Workshops. Anfangs mussten wir mit unserem Drucker im Gepäck von Ort zu Ort ziehen – bis wir schließlich im Spätsommer 2011 einen bezahlbaren Raum in einem selbstverwalteten Stadtteilzentrum auf St. Pauli fanden.

Wir legten Werkzeuge und Lötstationen zusammen, bekamen einen Laserschneider geliehen, eine Firma überließ uns ihren ungenutzten 3D-Drucker von Stratasys, Sylvester baute eine computergesteuerte DIY-Fräse. Und jemand schenkte uns auch noch drei Nähmaschinen. Jeder von uns kannte einen, der einen kannte... Nun war der Grundstein gelegt – es konnte endlich losgehen.

Inzwischen ist bei uns einmal in der Woche "Open Lab Day", an dem jeder unangemeldet vorbeikommen kann. Bis zu 20 Fabber – nicht etwa nur Männer – tummeln sich da. Sie bauen Prototypen von Spielen oder schwenkbaren Kamerastativen. Besonders beliebt sind Ersatzteile für Geräte, die sonst auf dem Müll landen würden. Etwa meine 100 Jahre alte Stanzmaschine, für die ich ein Zahnrad fertigen und sie tatsächlich wieder in Gang bringen konnte. Auch mit Schülern haben wir inzwischen Workshops gemacht, um zu zeigen, dass 3D-Drucker, Fräsen und Laserschneider keine Geheimwissenschaft sind.

Doch je mehr Geräte und Interessierte zusammenkommen, desto wichtiger wird ein großer Werkstattraum – was für einen gemeinnützigen Verein auf einem überhitzten innerstädtischen Immobilienmarkt mit seinen horrenden Mieten ein echtes Problem ist. Wir finanzieren das Lab bisher nur aus eigener Tasche und aus Spenden. Alle arbeiten ehrenamtlich. Zu einem Profibetrieb mit Lab-Manager nach niederländischem Vorbild reicht es noch nicht. Aber vielleicht entdeckt die hiesige Politik doch noch, was die Nachbarn im Westen längst begriffen haben: Fab Labs sind eine förderungswürdige Basisarbeit. Sie erwecken Begeisterung für neue Technologien – genau das, was Politik und Industrie seit Jahren vermissen. Nur eines sind sie nicht: ein Geschäftsmodell. (nbo)