Being Craig Venter

Der Genetik-Pionier hat als erste individuelle DNA-Sequenz seine eigene entziffern lassen. Die Ergebnisse weisen auf größere genetische Unterschiede von Mensch zu Mensch hin als bisher gedacht.

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Von
  • Veronika Szentpetery

Craig Venter hat es schon immer verstanden, seine Forschungsergebnisse öffentlichkeitswirksam ins Rampenlicht zu rücken. Der prominente Genforscher hatte im Februar 2001 mit seinem Unternehmen Celera Genomics das internationale Humangenomprojekt überholt und als erster eine weitgehend vollständige menschliche DNA-Sequenz veröffentlicht. Das Ergebnis von Celera beruhte indes nicht auf dem Genom eines einzelnen Menschen, sondern enthielt eine sogenannte Konsens-Sequenz, die aus dem Erbgut von fünf Testpersonen ermittelt worden war. Auch die vom Humangenomprojekt vorgelegte Gesamtsequenz beruhte auf den Genomdaten von mehreren hundert Probanden. Beide Projekte haben aber offenbar die Größenordnung der genetischen Diversität zwischen den Menschen unterschätzt.

Jetzt hat der Genpionier seinen nächsten medienwirksamen Coup gelandet: er ließ sein Genom vom eigenen J. Craig Venter Institute entziffern und die Ergebnisse im Online-Magazin PloS Biology veröffentlichen. Damit ist er nach James Watson zwar nur der zweite Mensch, dessen DNA-vollständig ausgelesen wurde – doch bei Venters Erbgut wurden erstmals die Sequenz-Unterschiede zwischen beiden elterlichen Chromosomensätzen bestimmt, die nach ersten Ergebnissen größer sind als bisher angenommen. Diese Unterschiede lassen Schlüsse auf die Erbgut-Variationen von Mensch zu Mensch zu.

Jede menschliche Zelle besitzt 46 Chromosomen, jene winzige Erbgutfäden, auf denen die Gene aufgereiht sind. Beide Elternteile steuern dazu je einen Satz mit 23 Chromosomen bei. Damit liegen alle Gene doppelt vor, wenngleich in unterschiedlichen Varianten. Wie ein Mensch später einmal aussieht und wie sein Stoffwechsel funktioniert, das ergibt sich aus dem komplexen Zusammenspiel der väterlichen und mütterlichen Genvarianten und der nicht-kodierenden regulatorischen DNA-Bereiche.

Aufgrund der bisherigen Humangenom-Daten waren Genetiker davon ausgegangen, dass die genetischen Variationen zwischen den Menschen hauptsächlich in sehr kleinen Unterschieden bestehen – den sogenannten Einzelbasen-Mutationen (single nucleotide polymorphisms, SNPs). Bei der Sequenzierung des Venterschen Genoms stellte sich jedoch heraus, dass der weitaus größere Teil der variablen DNA-Bereiche längere Abschnitte betrifft. Rein zahlenmäßig sind zwar SNPs mit vier von fünf Fällen am häufigsten. Doch der Rest der genetischen Unterschiede betrifft etwa 75 Prozent aller variablen DNA-Bereiche: so können zum Beispiel längere Sequenzen neu eingefügt, verdoppelt oder gar vervielfacht und sogar herausgelöscht sein.

Auf der Grundlage dieses individuellen Referenz-Genoms lassen sich auch Schlüsse auf die Erbgut-Variationen der Menschen ziehen. Demnach sind wir unterschiedlicher als gedacht: Unsere Genome sind nicht wie bisher angenommen zu 99,9 Prozent identisch sondern nur zu etwa 99,5 Prozent. Die Wissenschaftler vom J. Craig Venter Institute erhoffen sich aus diesen Ergebnissen und weiteren Studien der Nicht-SNP-Variationen ein besseres Verständnis für die Grundlagen von genetisch bedingten Krankheiten. Craig Venter, dessen Vater mit 59 Jahren an einem Herzinfarkt starb, nimmt jedenfalls Cholesterin senkende Medikamente seit er seine persönliche DNA-Sequenz kennt.

Die Forscher des J. Craig Venter Institutes haben für die Genom-Entzifferung ihres Direktors die traditionelle aber immer noch teure Shotgun-Sequenziertechnologie eingesetzt. Dabei wird die DNA in kurze Abschnitte zerlegt, entziffert und mit Hilfe von Computer-Algorithmen wieder zusammengefügt. Doch das Institut hat bereits vor drei Jahren einen Preis im Wert von 500.000 Dollar für die Entwicklung einer Sequenzier-Methode ausgelobt, die mit 1000 Dollar pro Person auskommt. Dieser Preis ging schließlich in dem mit zehn Millionen Dollar dotierte „Archon X Prize for Genomics“ auf.

Bis es soweit ist, drüfte es noch einige Jahre dauern. Für die Entzifferung von James Watsons DNA musste das Unternehmen 454 Life Sciences im vergangenen Jahr noch eine Million Dollar ausgeben. An Craig Venters Institut wird – ebenso wie in den Laboren der Hersteller für Sequenziergeräte weltweit – an neuen Methoden geforscht, mit denen erst einmal die 100.000-Dollar-Marke pro Genom geknackt werden soll. (vsz)