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iBeacon statt NFC: Apples Nahfunktechnik für iOS 7

Christoph Dernbach

Apples iBeacon-Dienst navigiert iOS-7-Nutzer durch Räume und schickt passende Informationen auf deren Geräte. Zusammen mit einem mobilen Bezahlsystem könnte die auf Bluetooth LE aufsetzende Technik nicht nur unser Einkaufsverhalten revolutionieren.

Artikel aus Mac & i Heft 2/2014 [1]

So bescheiden wie bei iBeacon [2] zeigt sich Apple selten, wenn es um eine vielversprechende Neuerung in seinem Mobilsystem iOS geht: Auf der Entwicklerkonferenz WWDC im Juni 2013 [3] verlor Software-Chef Craig Federighi gerade mal zwei Sätze in seiner Keynote-Ansprache zu iOS 7 über diese innovative Bluetooth-Anwendung. Dabei hat iBeacon in Kombination mit einer möglichen Zahlungsfunktion im iPhone das Zeug, die Spielregeln im Einzelhandel, bei Restaurants oder im Kulturbetrieb signifikant zu verändern.

Die US-Version der App „Apple Store“ weist die Nutzer bereits auf die neuen iBeacon-Features hin.

(Bild: Apple)

In der Marke iBeacon [4] ist das englische Wort „beacon“ enthalten. Es bedeutet Leuchtturm oder Signalfeuer. Apple hat bei seiner Namensgebung der Funktechnik nur das typische „i“ davorgestellt.

Über iBeacon können iOS-Nutzer auch innerhalb von Gebäuden lokalisiert werden, in die kein GPS-Ortungssignal [5] dringt oder in denen es nicht die gewünschte Genauigkeit bietet. Damit ist es technisch nicht nur möglich zu erkennen, in welchem Geschäft sich ein Kunde gerade befindet, sondern auch in welcher Abteilung oder vor welchen Artikeln er die meiste Zeit verbringt.

Bislang konnte ein iPhone, ein iPad oder ein iPod touch seine Position nur über GPS oder die Auswertung der Signale von benachbarten WiFi-Stationen und Mobilfunkmasten bestimmen. Der Standard iBeacon hilft dabei, die Position eines iOS-Gerätes viel präziser zu ermitteln. Die Methode setzt auf Bluetooth LE [6] (Low Energy, kurz BLE) auf, so dass eine Lokalisierung auf diesem Weg signifikant weniger Strom verbraucht als der ständige Empfang von GPS-Signalen.

Apple gehörte zu den Playern in der Branche, die mit ihren neuen Produkten schnell auf die erweiterten Möglichkeiten reagierten. Im Jahr 2011 kam das iPhone 4s mit Bluetooth 4.0 auf den Markt. Außerdem unterstützten damals der Mac mini und das MacBook Air als erste Computer den neuen Standard – mittler­weile trifft das auf die gesamte Produktpalette zu.

iBeacon kann man auch als die Antwort von Apple auf NFC [7] (Near Field Communication) interpretieren. Viele Android-Smartphones der Oberklasse sind bereits mit NFC-Chips ausgestattet und werden in ersten Versuchen zum mobilen Bezahlen eingesetzt. Doch bislang hat sich die NFC-Technik bei den Verbrauchern nicht richtig durchgesetzt, auch weil die damit verbunden Konzepte nicht wirklich überzeugend waren. NFC eignet sich außerdem für eine Indoor-Navigation nicht besonders. BLE wiederum unterstützt Android auf Systemebene erst seit Version 4.3 [8], die im letzten Sommer auf den Markt kam.

Damit eine iOS-App via iBeacons die präzise Position des Geräts ermitteln kann, muss ein entsprechender Bluetooth-Sender (Beacon) in der Nähe (bis zu 30 Meter) sein. Anders als von ­manchen Datenschützern vorschnell befürchtet, findet über den Beacon-Sender aber kein bidirektionaler Datenaustausch mit dem iOS-Gerät statt. Der Sender teilt der Umgebung nur ständig drei verschiedene Identifikationsnummern mit: Das ist zum einen die unverwechselbare UUID (Universally Unique Identifier), die beispielsweise eine Restaurant- oder Ladenkette bezeichnet, dann die Kennung „major“, die für eine bestimmte Filiale stehen kann, und schließlich die Kennung „minor“, mit der eine bestimmte Stelle im Laden markiert wird.

Die Beacon-Sender selbst empfangen also keine Daten. Sie bauen auch keine Bluetooth-Kopplung mit dem Smartphone oder dem Tablet der Kunden auf wie ein Headset, das sich mit einem iPhone verbindet. Beacons funken nur unbeirrbar ihre drei Nummern in die Luft.

Doch wie wird über iBeacons nun die Kommunikation zum Anwender hergestellt? Unter iOS 7 kann ein iPhone, iPad oder iPod touch mit eingeschalteter Bluetooth-Funktion zwar die Signale jedes Beacon-Senders empfangen. Doch erst eine iBeacon-taugliche App wertet die Kennungen aus und startet bei Bedarf passende Aktionen. Ohne diese vom Nutzer installierte App kann das iOS-Gerät mit den Beacons-Kennungen nichts anfangen. Sie kann dann eine Internet-Verbindung verwenden, um etwa aktuelle ­Sonderangebote in einer bestimmten Filiale auf dem Bildschirm darzustellen. Es gibt aber auch Nutzungsszenarien, die ohne eine aktive Internet-Verbindung auskommen.

Apple empfiehlt Entwicklern solcher Apps, Rücksicht auf die Privatsphäre der Nutzer nehmen. Wenn beispielsweise ein iPhone-Nutzer in einer Shopping-Mall flaniert, soll er nicht Gefahr laufen, dass sein auf Standby geschaltetes Smartphone in der Hosentasche ständig aufwacht und unbemerkt mit Ladengeschäften kommuniziert. Schließlich soll eine iBeacon-taugliche App eines Ladens aus dem Einkaufszentrum nicht dazu führen, dass deren Nutzer mit aufdringlicher Werbung oder Hinweisen auf Sonderangebote überschüttet werden. Eine Botschaft für den Anwender soll erst dann auf dem Bildschirm erscheinen, wenn er bewusst sein iPhone einschaltet. Es reicht allerdings aus, wenn die App im Hintergrund läuft, damit sie die Bluetooth-Signale empfangen und verwerten kann.

Mit der App von Shopkick können Kunden in den USA in Läden wie Target, Macy’s und Best Buy Bonuspunkte via iBeacons sammeln.

Dennoch eignet sich die iBeacon-Technik nur bedingt zum unbemerkten Tracking der Nutzer. Sobald eine App schlafen gelegt wird, delegiert sie die Suche nach bekannten Beacons beziehungsweise Regionen an das Betriebssystem. Dabei bedient sie sich des gleichen APIs, das jetzt schon von Geo-Fencing-Anwendungen her bekannt ist. So nutzt etwa die Erinnerungen-App diese Methode, um ortsabhängig auf ausstehende Aufgaben aufmerksam zu machen. iOS limitiert die Anzahl der zu überwachenden Orte jedoch auf 20 Stück. Um im Ruhezustand zusätzlich Strom zu sparen, findet die Suche zudem in nur unregelmäßigen Abständen statt – es kann bis zu 15 Minuten dauern, bis iOS einen Ortswechsel feststellt. Allesamt also keine guten Voraussetzungen, um zuverlässig und im Geheimen arglose Nutzer zu überwachen. Und wer auf Nummer sicher gehen will, der entzieht der entsprechenden App in den Einstellungen die Berechtigung, auf Ortungsdienste zuzugreifen.

„Der herausragende Vorteil besteht darin, dass sich Apps für bestimmte Beacons anmelden können und dann benachrichtigt werden, wenn das Gerät in die Nähe eines der Beacons kommt beziehungsweise den Sendebereich verlässt“, sagt André Bohna vom Schweizer IT-Lösungsanbieter YMC. Dies funktioniere unabhängig davon, ob die App im Vordergrund sei. „Im restriktiven iOS-Umfeld ist dies mit keiner anderen Technologie möglich.“

App-Entwickler, die iBeacon-Apps für iOS programmieren, benötigen dafür kein besonderes Software Development Kit, sondern finden in der normalen Apple-Entwicklungsumgebung [9] die komplette iBeacon-Infrastruktur vor. Dabei handelt es sich, wie oben erwähnt, um Erweiterungen des CoreLocation-APIs für die Suche nach Beacons mit einer bestimmten UUID und bei Bedarf bestimmten Werten der Kennungen „major“ und „minor“. Zu einzelnen Beacons (oder Gruppen von Beacons) kann sich eine App in iOS wie zu geografischen Orten registrieren. Dabei handelt es sich nicht um eine Adresse oder eine Position im geografischen Sinn, sondern um eine virtuelle Location – etwa „Apple Store in Palo Alto“, die auch dann unverändert bleibt, wenn der Store an eine andere Adresse umziehen würde.

Auf der Entwicklerkonferenz WWDC erläuterte Apple in einem Voting die Möglichkeiten, die sich mit iBeacon ergeben werden, am Beispiel einer fiktiven Restaurantkette. In der Kundenbindungs-App von „Jay’s Donuts“ wird dem Anwender etwa die Möglichkeit geboten, sich auf die aktuellen Sonderangebote hinweisen zu lassen. Er kann auch das Süßgebäck vorab online bestellen und bezahlen, um es dann später aus der Filiale abzuholen. Die Bezahlung läuft in diesem Beispiel noch klassisch über eine Kreditkarte, die mit der App verknüpft ist. Gäste können mit Hilfe der App auch Loyalitätspunkte sammeln. Die UUID im Datenstrom des Beacon-Senders steht in diesem Beispiel für die Kette „Jay’s“, der „major value“ für die Filiale an einem bestimmten Ort und der „minor value“ für eine präzise Position, etwa das Regal mit den Sonderangeboten oder den Kassenbereich.

iBeacon-Apps lassen sich aber nicht nur für Rabatt-Aktionen oder ein bequemes Vorab-Bezahlen verwenden, sondern könnten dabei helfen, das Einkaufserlebnis in einem Geschäft zu erweitern. In einem Klamottenladen könnte die App beispielsweise einen ­Simulator auf den Bildschirm des iPhones holen, der einer Käuferin demonstriert, wie ihr ein bestimmtes Kleid stehen würde, ohne dass sie dafür in die Umkleidekabine gehen müsste. Außerdem könnte die App die Kundin später zum Regal mit einem zum Kleid passenden Schal navigieren. In einem Elektroladen könnte die App dem Kunden ein Video vorspielen, in dem gezeigt wird, wie ein Gerät im Detail funktioniert.

Spannend wird auch sein, ob Institutionen außerhalb des Handels auf den iBeacon-Zug aufspringen werden, etwa Kulturbetriebe: Die App eines Museums [10] könnte über das Bluetooth-Signal die Information erhalten, vor welchem Bild sich der Betrachter gerade befindet. Sie würde dann die dazugehörigen Informationen über den Künstler, die Kunstepoche und andere wissenswerte Dinge auf den Bildschirm zaubern oder ihn dezent darauf hinweisen, dass in Kürze im Nebenraum ein Vortrag zu dem Thema beginnt.

So stellt sich der deutsche Dienstleister Skillbyte ein interaktives Shopping-Erlebnis vor.

Ein BLE-taugliches Gerät (zum Beispiel ein Mac [11] oder ein Raspberry Pi [12]) eignet sich selbst als Beacon-Sender, etwa ein iPad an der Kasse eines Restaurants. [13] In der Regel werden aber spezielle Bluetooth-Sender zum Einsatz kommen, die deutlich weniger kosten als ein iPad oder ein iPhone. Diese Sender sind zum Teil nur so groß wie ein Zwei-Euro-Stück – allenfalls etwas dicker. Andere Beacons werden in einem Gehäuse in der Größe einer Zigarettenpackung ausgeliefert.

Beacon-Sender für den kommerziellen Einsatz werden in der Regel mit Knopfzellen bestückt, die zwischen zehn Monate und mehrere Jahre lang halten. Die Batterielaufzeit hängt dabei vom Senderhythmus ab. Soll ein Empfänger möglichst schnell die IDs der Location erhalten, muss der Sender seine Kennungen häufig hintereinander senden. Man kann einen Beacon-Sender aber auch so konfigurieren, dass er sich nur alle fünf Minuten mit seiner Kennung meldet. Das schont die Batterie, verhindert aber eine schnelle Dialog-Aufnahme.

Apple hat iBeacons im vergangenen Dezember in seinen 254 Stores in den USA [14] aktiv geschaltet, darunter auch im Vorzeigeladen an der Fifth Avenue in New York. In dem unterirdischen Store mit dem markanten Glaswürfel-Aufsatz funken rund 20 Sender. Apple verwendet iBeacons unter anderem dazu, an bestimmten Stellen Zusatzinformationen zu den ausgestellten Produkten auf den Mobilgeräten der Anwender darzustellen. Die iBeacon-taugliche App des Apple Stores kann aber auch dazu verwendet werden, etwas vorab online zu kaufen und dann im Laden abzuholen. Beim Einkauf innerhalb des Stores soll die App dazu beitragen, mit einem „Express Checkout“ den Bezahlvorgang zu beschleunigen, weil das System die bei iTunes hinterlegte Kreditkarte kennt. Schon heute können deutsche Apple-Kunden in den Stores mit der „EasyPay“-Funktion der App mit ihrem iTunes-Konto bezahlen. Dazu müssen sie allerdings selbst den Strichcode auf der Packung einscannen. Das wird mit iBeacon bequemer werden.

Ob und wann iBeacons auch in den derzeit 13 Apple Stores in Deutschland ankommen, steht noch nicht fest. Das Unternehmen hüllt sich hier in Schweigen. Ganz so einfach wie die Kollegen in den USA werden es die Verantwortlichen der Apple Retail Germany GmbH dabei allerdings nicht haben. Während die US-Stores das Feature einfach eingeführt haben, dürften hierzulande die ­Datenschutzbeauftragten der Bundesländer darauf bestehen, dass die Kunden am Eingang auf den Einsatz von iBeacons aufmerksam gemacht werden. Apple tut sich aber äußerst schwer damit, die Fassaden seiner Stores mit solchen Hinweisen zu versehen. So kämpfte das Unternehmen dagegen, die in Deutschland vorgeschriebenen Hinweise auf Video-Kameras [15] in den Stores deutlich sichtbar an die Glastüren zu kleben.

Zwar hat Deutschland hartnäckigster Datenschützer, Thilo Weichert vom Datenschutzzentrum in Kiel, das Thema iBeacons noch nicht für sich entdeckt. Sein Kollege aus der Schweiz deutet aber bereits an, welche Ansprüche auf Apple in Deutschland zukommen werden. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür [16] verlangt, dass Verkaufsgeschäfte aktiv auf den Einsatz von „Tracking-Systemen wie iBeacons“ hinweisen müssen. „Es braucht aus datenschutzrechtlicher Sicht eine transparente Information.“ Nur durch gut sichtbare Hinweise könnten die Kunden bei ihrem Mobilgerät vor Betreten des Geschäfts die entsprechenden Funktionen abschalten.

Verkaufsgeschäfte sollen aktiv auf Tracking-Systeme wie iBeacons hinweisen, so der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür.

(Bild: Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft)

In den USA spielen solche Bedenken noch eine untergeordnete Rolle. Doch beim Einsatz der iBeacon-Technik im Umfeld des Super Bowl [17] wurde erstmals in den USA die Kritik von Datenschützern laut. Während des Football-Finales in New Jersey konnten sich die Fans im MetLife Stadion oder beim Public Viewing auf dem Times Square von einer iBeacon-App zu der Stelle führen lassen, wo der Siegerpokal – die berühmte Vince Lombardi Trophy – ausgestellt war oder wo Macy’s thematisch passende Sonderangebote zum Duell der Seattle Seahawks gegen die Denver Broncos anbot. Zuvor hatten die Miami Dolphins [18] bei einem Spiel in Florida die Technik verwendet, um den Fans live mitteilen zu können, an welcher Ecke des Sun Life Stadions die Schlangen vor den Eintrittskontrollen am kürzesten sind.

Marc Rotenberg [19] vom Electronic Privacy Information Center beklagte in der „New York Times“, die neuen Werkzeuge zur Bestimmung des Aufenthaltsortes könnten von Vermarktern in völlig unerwarteter Art und Weise verwendet werden, etwa um die Beziehung zwischen Leuten zu analysieren, die sich mehrfach zusammen am selben Ort aufhalten. „Die Anwender haben keine Idee, welche Informationen gesammelt und wie die verwendet werden.“

Die beteiligten Firmen erklärten eilig, dass sie natürlich die Privatsphäre der Anwender respektieren und sie diese nicht mit überflüssigen oder exzessiven Hinweisen nerven wollen. Die Football-Liga NFL betonte, sie werde nicht die persönlichen Daten der Nutzer mit Ortsinformationen verknüpfen.

Die Datenschutzbedenken haben aber keineswegs zur Abkühlung des iBeacon-Hypes in den USA beigetragen. Szenarien wie in den US-Stores von Apple heizen vor allem die Diskussion an, ob iBeacon die ideale Plattform für das mobile Bezahlen per Handy am „Point of Sale“ werden kann. Bislang fokussieren sich die Innovationen beim „Mobile Payment“ auf Kassensysteme. Firmen wie Square [20], iZettle [21], PayEleven [22] oder SumUp [23] verwandeln Tablets oder Smartphones in Kartenterminals. Sie verzichten dabei auf lange Verträge und monatliche Gebühren, wie sie bei traditionellen Systemen üblich sind. Stattdessen verlangen sie eine Provision, die üblicherweise 2,75 Prozent des Umsatzes ausmacht. Das ist zwar für EC-Karten viel, nicht aber für Kreditkarten. Zudem gehen die Händler keine langfristigen Verpflichtungen ein.

Diese Ansätze gehen aber bislang davon aus, dass der Käufer weiterhin mit einer schlichten Plastikkarte unterwegs ist, bei der die Bankdaten aus einem vergleichsweise unsicheren Magnetstreifen ausgelesen werden. Dieses Risiko könnte ein NFC-Chip vermindern, der auf der Karte angebracht oder im Smartphone eingebaut ist. So können Vodafone-Kunden in Deutschland [24] seit einigen Wochen an rund 30 000 Akzeptanzstellen kontaktlos mit NFC-Smartphones bezahlen. Dazu gehören außer Aral-Tankstellen Filialen von Galeria Kaufhof und Karstadt sowie die Bäckereikette Kamps. Das in Zusammenarbeit mit Visa und Wirecard entwickelte Bezahlverfahren funktioniert über eine Guthabenkarte. Die Lösung leidet aber daran, dass kein einziges Apple-Gerät NFC unterstützt.

Harald Summa vom Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. sieht in der iBeacon-Technik mehr Potenzial für die "Micro Location" als NFC.

(Bild: www.eco.de)

Der Chef des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft eco [25], Harald A. Summa, sieht in einem möglichen Systemwettstreit „iBeacon vs. NFC“ die Bluetooth-Technologie im Vorteil: „Bluetooth LE bietet aus heutiger Sicht mehr Potenzial für die sogenannte Micro Location als NFC und könnte zum NFC-Killer werden.“ Bluetooth LE würde deutlich größere Gebiete abdecken als NFC, das bestenfalls 20 Zentimeter weit reiche. „Die Ausrüstung eines mittelgroßen Kaufhauses mit NFC würde rund 100 000 Euro kosten, die Ausstattung mit BLE etwa 5000 Euro, weil aufgrund der größeren Reichweite viel weniger Funkstationen benötigt werden“, rechnet Summa vor. Den Nutzen habe auch der Kunde: Mit einem NFC-Handy müsse er beispielsweise zum Bezahlen ganz nah an eine Kasse herangehen, so dass eine Warteschlange entstünde. „Hat er ein iPhone mit iOS 7, könnte er in einem weitaus größeren Radius im Kaufhaus seine Waren bezahlen.“

John Devlin, ein Analyst des Marktforschungsunternehmens ABI Research [26] in London, glaubt dagegen nicht, dass sich der Handel auf eine Entscheidung „NFC oder iBeacon“ einlassen muss. „Es ist wahrscheinlicher, dass all diese verschiedenen Optionen von App-Anwendern in Betracht gezogen werden“, sagte Devlin. „Ich sehe nicht, dass sie in einer direkten Konkurrenz zueinander stehen.“ Einige Anwender würden natürlich auch in die eine oder andere Richtung gezogen werden.

Kaum jemand bezweifelt, dass Mobile Payment – nach langer Vorlaufzeit – kurz vor dem Durchbruch [27] steht. Erst unlängst lehnte sich Apple-Chef Tim Cook im Gespräch mit Analysten [28] ungewöhnlich weit aus dem Fenster und erklärte, darin eine große Chance für die iOS-Plattform zu erkennen. Immerhin sei das einer der Gedanken hinter Touch ID gewesen, mit dem iPhone-5s-Nutzer zurzeit per Fingerabdruck ihre Geräte entsperren und im App Store einkaufen können. Nur wenige Tage später machten Gerüchte die Runde, dass der Bezahldienst PayPal an Apple [29] herangetreten sei und Hilfe beim Aufbau der Infrastruktur angeboten habe. Die zu eBay gehörende Firma plant selbst ein mobiles Bezahlsystem. Die ebenfalls auf Bluetooth LE aufsetzende Technik trägt den Namen „Beacon [30]“ und soll im Laufe des Jahres nach Europa kommen.

In welche Richtung sich der Markt entwickeln wird, hängt naturgemäß auch davon ab, welcher Ansatz zuerst eine kritische Masse erreicht. Dabei geht es nicht nur um die Smartphones, sondern auch um die Zahl der Stellen, wo man die Lösungen tatsächlich bequem und überzeugend einsetzen kann. Bei den Smartphones jedenfalls liegt Bluetooth 4.0 eindeutig gegenüber NFC vorne, weil nicht nur iPhones, sondern auch moderne Geräte anderer Hersteller diesen von der Bluetooth SIG definierten Funkstandard unterstützen. Der einzige Unterschied: Apple hat bei iOS das API zur Ansteuerung der Apps durch die Beacon-Sender bereits eingebaut. Smartphones mit Android und Windows müssen erst durch Softwarelösungen wie das SDK des deutschen Startups Sensorberg [31] Beacon-tauglich gemacht werden. Das Format der gesendeten ID-Nummern ist öffentlich und muss nicht von Apple lizenziert werden.

Shopkick drängelt sich mit Hinweisen zu den Partnerstores auf den Sperrbildschirm, wenn man in die Nähe eines ensprechenden Ladens kommt.

Einer der aktivsten Player im iBeacon-Geschäft in den USA ist die kalifornische Firma Shopkick [32], die beispielsweise die großen Warenhäuser von Macy’s am New Yorker Herald Square und am Union Square in San Francisco mit Beacon-Sendern ausgerüstet hat. Hier werden die Kunden, die eine App von Macy’s installiert und ihr iPhone bewusst im Laden eingeschaltet haben, begrüßt und auf Sonderangebote hingewiesen. Die Käufer können über die App auch Bonuspunkte sammeln und Prämien einlösen.

Die dazu passende App funktioniert zum einen wie ein Bonusprogramm à la Payback: Bei jedem Kauf in einem Store der Shopkick-Partner lassen sich Punkte sammeln und bei Starbucks, Macy’s, dem Elektronikkaufhaus Best Buy oder anderen Läden als Prämien einlösen. Der Nutzer wird aber auch für andere Aktionen mit Punkten belohnt, etwa wenn er einen Store betritt oder sich mit Hilfe eines Beacon-Senders und der App über Details eines angebotenen Artikels informiert. Dabei gelangen auch die aktuellen Sonderangebote auf den Bildschirm. Zu den Kunden von Shopkick zählen neben Macy’s und Best Buy auch Größen wie Toys ’R’ Us. Das Programm unterstützen derzeit rund 70 bekannte Markenhersteller, darunter Procter & Gamble, Unilever oder Disney.

Wie kompliziert hierzulande der Einstieg in die neue Ära der Kunden-Apps sein kann, zeigt das Beispiel der Drogeriekette Budnikowsky [33]. Im Vorfeld der CeBIT verkündete der Geschäftsführer des Hamburger Start-up-Unternehmens Yoints [34], Ivan Yagodin, stolz, sein Unternehmen werde bei „Budni“ auf der Basis von iBeacon ein neuartiges Bonussystem für Smartphones in Deutschland auf den Markt bringen. Die Drogeriekette bestätigte den Deal allerdings nicht, sondern ging danach auf Tauchstation. Offenbar waren etliche Fragen zum Datenschutz noch nicht vollständig geklärt.

Budnikowsky bietet bereits seit Monaten eine App zum Sammeln von Bonuspunkten [35] an, die ebenfalls von Yoints entwickelt wurde. Bislang müssen die Kunden umständlich QR-Codes im Eingangsbereich und Strichcodes von besonders beworbenen Aktionsprodukten einscannen, um Bonuspunkte zu erhalten. Die iBeacon-Technik soll das für die Verbraucher alles viel bequemer machen. Allerdings werden die Kunden bei Budni darauf noch warten müssen.

Die konkrete Ausgestaltung solcher Apps im Einzelhandel wird dann auch darüber entscheiden, ob das Beacons-Konzept hierzulande erfolgreich sein wird. Kunden werden sich nicht allein von Rabatten und einem bequemen Check-Out locken lassen, wenn sie das Gefühl haben, auf Schritt und Tritt beobachtet und ausspioniert zu werden, oder an jeder Ecke Marketing-Spam wartet. (tru [36])


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[1] http://www.heise.de/mac-and-i/heft/2014/2/128/
[2] http://support.apple.com/kb/HT6048?viewlocale=de_DE
[3] http://live.mac-and-i.de/Event/Thread.aspx?Id=119983&Page=0
[4] https://www.heise.de/news/Apple-zertifiziert-iBeacons-2124208.html
[5] http://support.apple.com/kb/HT5594?viewlocale=de_DE
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Bluetooth_Low_Energy
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Near_Field_Communication
[8] https://www.heise.de/news/Android-4-3-bringt-eingeschraenkte-Profile-und-Bluetooth-4-0-1923324.html
[9] https://developer.apple.com/xcode/
[10] http://vimeo.com/84760383
[11] https://github.com/timd/MactsAsBeacon
[12] http://developer.radiusnetworks.com/2013/10/09/how-to-make-an-ibeacon-out-of-a-raspberry-pi.html
[13] https://itunes.apple.com/de/app/locate-for-ibeacon/id738709014?mt=8
[14] https://www.heise.de/news/Apple-Retail-iBeacons-in-Aktion-2061992.html
[15] https://www.heise.de/news/Videoueberwachung-Apple-streitet-mit-Hamburger-Datenschuetzer-1500897.html
[16] http://www.edoeb.admin.ch/org/00125/index.html?lang=de
[17] http://www.gottabemobile.com/2014/02/01/apple-ibeacons-will-make-an-appearance-at-super-bowl-2014/
[18] http://www.miamidolphins.com/news/article-1/Sun-Life-Stadium-Gets-First-Look-At-Qualcomm-Beacon-Technology/dbb500e4-79cf-4aea-8b30-5668d619f701
[19] http://www.nytimes.com/2014/01/31/technology/For-Super-Bowl-Personalized-Phone-Alerts.html
[20] https://squareup.com
[21] https://www.izettle.com/de
[22] https://payleven.de
[23] https://sumup.de
[24] https://www.heise.de/news/Vodafone-Wallet-Mit-dem-Handy-im-Laden-bezahlen-2065466.html
[25] http://www.eco.de
[26] https://www.abiresearch.com
[27] https://www.heise.de/news/Apple-will-Online-Bezahldienst-erweitern-2097487.html
[28] https://www.heise.de/news/Apple-Chef-Tim-Cook-iPhone-5c-Verkaeufe-geringer-als-geplant-2098817.html
[29] https://www.heise.de/news/Bericht-Paypal-will-bei-Apples-Bezahldienst-helfen-2103083.html
[30] https://www.heise.de/news/Hintergrund-Paypal-setzt-auf-Komfort-und-auf-Datensammlung-2063960.html
[31] http://www.sensorberg.com
[32] https://www.heise.de/news/Testlauf-fuer-Bluetooth-Beacons-bei-US-Riesen-Retailer-2052022.html
[33] https://www.heise.de/news/Apples-iBeacons-in-Hamburger-Drogeriekette-2093605.html
[34] http://www.yoints.com
[35] https://itunes.apple.com/de/app/mein-budni/id432504476?mt=8
[36] mailto:tru@heise.de