Bienenschwärme erzeugen stärkere elektrische Felder als Gewitterwolken​

Die Insekten verändern durch ihren Flügelschlag das elektrische Feld der Atmosphäre. Warum sie es tun und was das bewirkt, muss weiter untersucht werden.​

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(Bild: Hit1912 / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Wenn Bienen geschäftig mit ihren Flügeln schlagen, sorgen sie nicht nur für das bekannte Summen. Im Schwarm können sie damit auch elektrische Feldstärken erzeugen, die sogar Gewitterwolken übertreffen. Das berichten Forscher um Ellard Hunting von der University of Bristol im Fachjournal "iScience".

Die Atmosphäre ist durch verschiedene Einflussgrößen immer etwas elektrisiert. Dabei spielen zum Beispiel die natürliche Radioaktivität, die kosmische Strahlung, vulkanische Aktivitäten, die Ladung von Aerosolen in der Luft und Gewitter eine Rolle. Auch Schönwetter-Gebiete haben elektrische Felder, die etwa durch die globalen Stromflüsse von Gewitter-Regionen beeinflusst werden. Biologische Einflussgrößen waren bisher nicht bekannt.

Zwar wussten Forscher, dass Bienen und andere Insekten je eine recht kleine elektrische Ladung tragen. Dass sie damit einen nennenswerten Einfluss auf das atmosphärische elektrische Feld haben könnten, war allerdings unbekannt.

Die Entdeckung gelang den Bristoler Wissenschaftlern dabei eher zufällig. Eigentlich führten sie an einer Messstation der Universität Wetterbeobachtungen durch und erfassten dazu auch die elektrischen Felder in der Atmosphäre. Dabei fielen ihnen mehrere starke Ausschläge in der Feldstärke auf. Da gerade kein Gewitter herrschte, schied das als lokale Ursache für die Ausschläge aus.

Allerdings beobachteten die Wissenschaftler bei den nahegelegenen Bienenstöcken der Universität ein reges Ausschwärmen. Die Bienen waren also gerade dabei, sich neue Unterkünfte zu suchen. Die Forscher zeichneten daraufhin auf, ob sich das elektrische Feld durch das Passieren von Bienenschwärmen tatsächlich verändert.

Das Ergebnis war so überraschend wie beeindruckend. Die Bienenschwärme erzeugten Feldstärkenspitzen zwischen 100 und 1.000 Volt pro Meter. Bei näherer Betrachtung war die Feldstärke umso größer, je dichter der Schwarm gedrängt war. Ein Vergleich ergab, dass die Ladungsdichte der Bienenschwärme jene von Gewittern um das Acht- und das von elektrischen Staubstürmen um das Sechsfache übertrafen.

Noch ist unklar, wie die Bienen die großen Feldstärken erzeugen und ob es eine Funktion erfüllt oder zufällig passiert. Es wäre nicht das erste Mal, das elektrische Felder für Fluginsekten eine Rolle spielen. Hummeln zum Beispiel detektieren mit mechanosensorischen Härchen schwache Unterschiede in elektrischen Feldern. Diese entstehen zum Beispiel in der Umgebung von Blumen und könnten damit für die Futtersuche der Hummeln wichtig sein.

Die Bristoler Forscher übertrugen ihre Beobachtungen auch auf Wüstenheuschrecken, die sich zu Schwärmen "von biblischen Ausmaßen" zusammenschließen und Flächen von 1.000 Quadratkilometern Größe bedecken können. Das führt naturgemäß zu riesigen Ernteschäden. Berechnungen der Forscher zufolge könnten auch "Heuschreckenschwärme das Potenzial haben, ihre lokale elektrische Umgebung um eine Größenordnung zu verändern, die vergleichbar mit der von meteorologischen Ereignissen ist".

Damit könnten Insektenschwärme einen bisher unbekannten Einfluss auf ihre Umwelt haben, schlussfolgern die Forscher. Sie könnten zum Beispiel die Verteilung von Partikeln in der Luft verändern und zum Beispiel den Transport für Wüstenstaub beeinflussen. Dieser lasse sich nicht allein durch physikalische Prozesse erklären. Möglicherweise muss man den elektrischen Einfluss von Insekten künftig sogar bei Klimaprozessen berücksichtigen. Hier eröffneten sich neue interdisziplinäre Forschungfelder.

(vsz)