Biochemie statt Biosprit

US-Biotreibstoff-Firmen versuchen, die Chemieindustrie mit erneuerbaren Grundstoffen zu versorgen. So wollen sie schneller profitabel werden.

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Von
  • Kevin Bullis

US-Biotreibstoff-Firmen versuchen, die Chemieindustrie mit erneuerbaren Grundstoffen zu versorgen. So wollen sie schneller profitabel werden.

Das Start-up Gevo mit Sitz im amerikanischen Englewood hatte einen Traum: Aus stark zellulosehaltigen Pflanzenquellen wie Holzchips oder Rutenhirse sollte kostengünstiger Biotreibstoff werden. Mehrere Millionen Dollar an Fördermitteln der US-Regierung sammelte die junge Firma dafür ein. Doch mittlerweile zeigt sich, dass Gevo mit diesem Ansatz nicht überleben kann. Stattdessen setzt das Unternehmen nun auf Mais, jene konventionelle Biotreibstoffquelle, aus der in den USA das meiste Ethanol gefertigt wird. Und statt nur Sprit für Fahrzeuge zu produzieren, soll nun der Hauptteil der Produktion aus der ersten Großanlage der Firma an die Chemieindustrie gehen.

Gevo ist nur ein Beispiel einer ganzen Reihe von US-Start-ups, die feststellen mussten, dass Cellulose-Ethanol derzeit sehr schwer wirtschaftlich herzustellen ist. Sie setzen daher auf kreative Lösungen, um doch noch in die schwarzen Zahlen zu kommen – selbst wenn damit eine deutliche Abkehr von früheren "grünen" Ideen verbunden ist. Sie begeben sich in Märkte, die kaum dafür sorgen werden, dass das Land weniger Erdöl verbraucht. Der amerikanischen Regierung kann das kaum schmecken, hatte sie doch in diesen Sektor viel Geld investiert und wollte der Industrie sogar Vorgaben zur Verwendung von Cellulose-Ethanol machen.

Das Hauptproblem liegt in den Produktionskosten, die noch deutlich höher liegen als bei Ethanol aus Mais. Ausreichende Finanzmittel, um große kommerzielle Anlagen zu bauen, die Skaleneffekte nutzen könnten, konnten vielfach nicht eingeworben werden. Investoren zögern, weil die Technik noch viele Fragen aufweist und es keinen garantierten Absatzmarkt gibt.

Vorgaben vonseiten der US-Regierung, die dabei helfen sollten, den Sektor anzukurbeln, waren wenig hilfreich: Es ist üblicherweise billiger für die Spritproduzenten, einfach Emissionsrechte zu erwerben. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Lieferkette für Cellulose-Ethanol noch kaum ausgebaut ist, so dass Firmen, die solche Biotreibstoffe herstellen möchten, sich nicht auf die Rohstofflieferanten verlassen können.

Die neue Strategie von Gevo will all diese Probleme nun mit einer neuen Strategie angehen. Neben dem problemlos erhältlichen Mais als Grundstoff setzt das Start-up auf den Umbau bestehender Mais-Ethanol-Fabriken. Während ein Neubau von Cellulose-Ethanol-Anlagen Hunderte Millionen kostet, werden für eine umgerüstete Fabrik in Minnesota nur 40 Millionen Dollar fällig. Und statt Ethanol zu produzieren, setzt Gevo auf Butanol: Das lässt sich insbesondere für die Verwendung in der chemischen Industrie teurer verkaufen. Zudem soll die Herstellung schon jetzt konkurrenzfähig sein – Gevo geht davon aus, dass Butanol aus Mais deutlich billiger sein wird als Butanol aus Rohöl.

Das Start-up will seine Fabrik in Minnesota in den nächsten sechs Monaten anfahren und hofft, bis zu 65 Millionen Liter Butanol pro Jahr zu produzieren. Der größte Teil davon geht an Sasol Chemical Industries, wo man das Butanol als Rohstoff für verschiedene Chemikalien verwenden möchte.

Butanol lässt sich in zahlreiche Produkte umwandeln – beispielsweise Kunststoffe, die derzeit noch aus Rohöl hergestellt werden. Gevo hat bereits eine Übereinkunft mit einem großen Hersteller von synthetischem Gummi und kündigte eine Partnerschaft mit Coca-Cola an, um Plastikflaschen herzustellen, die nur aus Pflanzenrohstoffen bestehen.

Gevo will sich allerdings nicht ganz vom Treibstoffmarkt verabschieden. Die Firma hat ein Abkommen mit einem Großhändler, der das Butanol auch für die Verwendung in Kleinmotoren und für den Schiffsbereich anbieten will, wo Ethanol derzeit noch ungeeignet ist. Außerdem ist die Herstellung von rund 40.000 Litern Kerosin aus Butanol für die US-Luftwaffe geplant, die es in ihren Maschinen testen will. Der Vertrag umfasse auch die Kosten für die Entwicklung einer Demonstrationsanlage mit einem Durchsatz von rund 37.000 Litern im Monat, wie Gevo-Chef Pat Gruber sagt.

Der muss sich für seine neue Strategie allerdings auch Kritik gefallen lassen: Der Einsatz von Mais für Biotreibstoffe und die Chemikalienherstellung bleibt umstritten, weil Anbau und Verarbeitung signifikante Mengen CO2 freisetzen. Zudem kann es negative Auswirkungen auf die Nahrungsmittelindustrie geben. Gruber ficht das nicht an. So könne das Protein aus dem Mais ja weiter für Tiernahrung verwendet werden. Und die Verwendung des Zuckers im Mais für Treibstoffe sei besser, als ihn zu Sirup für die Softdrink-Herstellung zu verarbeiten.

Gruber glaubt nicht, dass der Einfluss von Mais-Ethanol auf die Nahrungsmittelproduktion signifikant ist. "Das wäre nur in einer Welt der Fall, in der wir vom Rohöl ganz weggekommen sind." Trotzdem will Gevo den Plan nicht aufgeben, Ethanol aus Pflanzencellulose zu produzieren. "Momentan ist Mais in den USA unsere Hauptrohstoff. In Zukunft wird sich das ändern." (bsc)