Biohacker vs. Behörde

Die US-Gesundheitsaufsicht FDA warnt eindringlich vor im Internet verfügbaren Zutaten für das Editieren von menschlichen Genen. Die Anbieter lassen sich davon bislang aber nicht beeindrucken.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Emily Mullin
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Trotz der Warnung einer US-Bundesbehörde vor Gentherapien in Eigenregie wollen zwei Unternehmen auch weiterhin Materialien für DNA-Veränderungen öffentlich anbieten.

Vor kurzem hatten The Odin und Ascendance Biomedical im Internet Videos veröffentlicht, in denen Menschen DNA-Moleküle einnehmen, die aus ihren Labors stammen. Als Reaktion auf deren weite Verbreitung gab die Gesundheitsbehörde FDA eine hart formulierte Stellungnahme heraus, in der sie Verbraucher vor solchen Gentherapie-Bausätzen warnte und ihren Verkauf als illegal bezeichnete. "Der Verkauf dieser Produkte verstößt gegen das Gesetz. Die FDA ist besorgt wegen der damit einhergehenden Gesundheitsrisiken", schrieb die Behörde.

Konkrete Produkte aber nannte die FDA nicht. Manager bei beiden Unternehmen sagen, die Warnung könne an sie gerichtet gewesen sein, sie seien aber noch nicht von der FDA kontaktiert worden. Auf Anfrage von Technology Review teilte die FDA mit, "Informationen über die Inspektions- und Überwachungsaktivitäten der Behörde einschließlich der Frage, ob sie möglicherweise tätig wird, werden grundsätzlich nicht öffentlich gemacht, bevor Maßnahmen zur Durchsetzung ergriffen werden".

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Normalerweise müssen Medikamenten-Hersteller Tests neuer Wirkstoffe von der FDA genehmigen lassen, was Jahre dauern und hunderte Millionen Dollar kosten kann. Jetzt aber kommt die Behörde in eine schwierige Situation, weil es immer mehr Fälle von Gentherapien in Eigenregie gibt – die Nutzer argumentieren, kein Gesetz dürfte sie davon abhalten, solche Substanzen selbst einzunehmen. Tatsächlich gibt es eine lange Geschichte von Wissenschaftlern, die an sich selbst experimentiert haben, darunter auch einige Nobelpreis-Gewinner.

The Odin verkauft über seine Website Biologie-Bausätze und -Zubehör. Im November stellte sein CEO Josiah Zayner ein Video online, in dem er sich bei einer Biohacker-Konferenz in Kalifornien selbst das Gen-Editierwerkzeug CRISPR spritzte. Auf YouTube wurde es mehr als 58.000 Mal abgerufen. Am 21. November wandte sich FDA-Kommissar Scott Gottlieb, unter anderem auf Twitter, gegen den Verkauf von CRISPR-Materialien zur Selbsteinnahme.

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

"Ich glaube absolut, dass das eine Reaktion auf das Experiment war, das ich an mir selbst vorgenommen habe", sagt Zayner. Er beschreibt sich selbst als einen Biohacker, der sich dafür einsetzt, dass jeder wissenschaftliche Experimente betreiben kann.

Laut Experten wären jegliche von Amateuren vorbereitete Gentherapien wahrscheinlich nicht wirksam genug, um viel auszurichten, doch sie könnten Risiken wie eine Immunreaktion auf die fremde DNA mit sich bringen. "Ich glaube, es ist richtig, die Öffentlichkeit davor zu warnen", sagt David Gortler, ein Medikamenten-Sicherheitsexperte bei der Beratungsfirma Former FDA. "Entscheidend ist, dass es keine Tests damit gegeben hat."

Das Problem für Behörden dabei ist, dass das Interesse an Biohacking zunimmt und dass es immer leichter wird, über das Internet DNA zu bekommen. Auch die Rezepte, die man für Gen-Editierung mit der leistungsfähigen neuen CRISPR-Technik benötigt, sind unschwer verfügbar.

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Seit diesem Oktober verkauft Zayner auf seiner Website für 20 Dollar pro Stück ein DNA-Molekül mit genetischen Informationen, die dafür genutzt werden können, das menschliche Gen für das Protein Myostatin zu deaktivieren. Tiere ohne dieses Gen bilden übergroße Muskeln aus, weshalb es von Biohackern gern als Ziel für Experimente zur Selbstoptimierung genannt wird.

Nach Zayners Darstellung ist der Verkauf der Zutaten nicht illegal, weil er nichts damit zu tun hat, wie sie später verwendet werden. Auf der Website heißt es, das Produkt sei "nicht injizierbar und nicht für die direkte Nutzung durch Menschen vorgesehen". Menschliche DNA lässt sich auch bei einer Reihe von anderen Unternehmen kaufen, die Forschungslabore beliefern. Der Unterschied ist, dass The Odin seine DNA an Amateur-Biologen vermarktet.

"Die DNA, die wir verkaufen, soll die Leute auf gewisse Weise inspirieren, und vielleicht werden manche sie auch verwenden. Ich habe eigentlich kein Problem damit", sagt Zayner. Er habe nicht vor, den Verkauf seiner Produkte wegen der FDA-Stellungnahme einzustellen.

Die von The Odin verkauften Materialien können ohnehin nicht direkt zur Veränderung von DNA verwendet werden. Sie enthalten lediglich DNA, die noch vervielfältigt, gereinigt und dann dem Körper zugeführt werden muss. Die dafür nötigen Methoden übersteigen die Fähigkeiten der meisten Verbraucher bei Weitem – es können Viren, weitere Chemikalien oder Elektroschocks erforderlich sein.

Auch Aaron Traywick, CEO von Ascendance, fühlt sich von der FDA-Warnung angesprochen, sagt aber, man biete das Editier-Material nur für Forschungszwecke an, was nicht verboten sei. Im Oktober war auf Facebook live übertragen worden, wie sich ein HIV-Patient eine Gentherapie mit Material von Ascendance injizierte.

(sma)