Biotech: Das Kind, das seine eigene Arznei bekam
Die kleine Ipek leidet an einer bisher unheilbaren seltenen Erkrankung. Sie erhielt nun ein mittels Gen-Baukasten für sie zugeschnittenes Medikament.
- Erika Check Hayden
- Jo Schilling
Wenn Sie Ipek Kuzu das erste Mal begegnen, merken Sie nicht, dass sie an einer seltenen genetischen Krankheit leidet. Die Dreijährige spielt fröhlich, fährt ihre Spielzeugautos herum und kocht in ihrer Spielküche. Erst auf den zweiten Blick wirkt sie etwas wackelig auf den Beinen. Ipek leidet an Ataxia teleangiectatica, einem Gendefekt. Ihre Hirnzellen bauen sich ab, und sie hat ein besonders hohes Infektions- und Krebsrisiko. Sie wird vermutlich keine 20 Jahre alt.
Ataxia teleangiectatica (AT) ist die Art von Krankheit, bei der Ärzte normalerweise nur hilflos mit den Schultern zucken können. Aber dank der Hartnäckigkeit von Ipeks Vater Mehmet, einem Google-Programmierer, erhielt das Mädchen im Januar eines der weltweit ersten hyperpersonalisierten Genpräparate. Es ist auf ihre einzigartige Mutation zugeschnitten.
Das Medikament ist ein sogenanntes Antisense-Medikament. Das Prinzip dahinter ist eigentlich einfach: Im Inneren einer Zelle liegt der Code für die Herstellung von Proteinen – die DNA. Boten-RNA transportiert die Geninformation aus dem Zellkern heraus und ist das Muster, das dann in der Zelle abgelesen und in ein Eiweiß übersetzt wird. Ist das Gen jedoch defekt, will man diesen Schritt verhindern. Genau das sollen die Antisense-Medikamente leisten. Sie sind spiegelbildliche Moleküle dieser Boten-RNA, heften sich an den Boten und verhindern, dass seine Botschaft abgelesen werden kann. Ein defektes Gen lässt sich so lahmlegen, ohne den Erbgut-Abschnitt selbst ausschneiden zu müssen. Manchmal ist auch nicht das Gen selbst defekt, sondern nur der Prozess gestört, der das Protein in seine funktionierende, dreidimensionale Form bringt. Dann sorgen Antisense-Moleküle dafür, dass der Störfaktor abgefangen wird.
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