Blaue Scheibenwelt

Nach gewonnenem Formatkrieg will es sich die Blu-ray Disc endlich im PC gemütlich machen. Doch damit sich die blaue Scheibe so richtig wohlfühlt, bedarf es geeigneter Laufwerke, Grafik-karten und Abspielprogramme, die mit allen Format-variationen zusammenspielen. Dennoch muss der Einstieg nicht unbedingt teuer sein: Einen kompletten Blu-ray-PC samt Software bekommt man inzwischen für weniger als 600 Euro.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 127 Kommentare lesen
Lesezeit: 11 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ein Indikator, ob sich eine neue Technik langsam durchsetzt, sind in unserer Redaktion die Kollegen aus den anderen Ressorts. Kürzlich meinte einer „Ich hab mir einen Blu-ray-PC gekauft. Haste mal ’nen Film, damit ich ausprobieren kann, ob’s funktioniert?“ Prompte Gegenfrage des Kollegen: „Was darf’s denn sein: HDMV oder BD-J? VC-1 oder H.264? TrueHD oder DTS HD Master Lossless Audio? BD+ oder nur AACS? Mit PiP und Pop-up?“ Er verstand – wie so viele – nur Bahnhof. Gab es bei der Video-DVD quasi nur ein Standard-Format (MPEG-2 mit Dolby-Digital-Ton und CSS-Kopierschutz), so explodiert bei der Blu-ray Disc (abgekürzt BD) die Zahl der Formatvariationen und technischen Kürzel – Terry Pratchett könnte damit einen ganzen Scheibenwelt-Roman füllen.

Doch der Wirrwarr ist nicht nur für Privatanwender undurchschaubar, auch gestandene Technik-Redakteure und selbst Entwickler blicken kaum noch durch. Dabei soll doch die Blu-ray Disc nach dem Tod der HD DVD zum Motor neuer Hardware-Verkäufe avancieren. Nicht nur Laufwerksproduzenten, auch Hersteller von Monitoren, Grafikkarten und Mainboards setzen auf die blaue Scheibe, gibt es doch außer Computerspielen kaum eine andere Anwendung, die alte Hardware so alt aussehen lässt und den Wunsch nach neuem Silizium weckt. Doch weil das Hersteller-Konsortium der Blu-ray Disc Association insgesammt drei Video-Codecs, fünf Audio-Codecs, zwei Authoring-Formate sowie zwei Kopierschutzverfahren in drei verschiedenen Formatrevisionen zuließ, sind über hundert Permutationen möglich. Die Programmierer stehen vor einer Sisyphos-Aufgabe, das Chaos zu bändigen.

War im vergangenen Jahr lediglich PowerDVD in der Lage, Blu-ray-Filme auf dem PC abzuspielen und die Beschleunigerfunktionen der Grafikkarten zu nutzen, so sind inzwischen mit Arcsofts TotalMedia Theater und WinDVD zwei weitere Software-Player hinzugekommen. Als Vierter im Bunde bietet Nero ein kostenpflichtiges Plug-in für Showtime an und wirbt mit einer offiziellen Zertifizierung der Blu-ray Disc Association.

Für diesen Test haben wir das Zusammenspiel aller vier Programme mit den neuesten Grafikkarten von AMD/ATI und Nvidia sowie ihre Kompatibilität zu verschiedenen Blu-ray-Filmen überprüft. Dabei gehen wir nicht nur auf die Videofunktionen und Prozessorbelastungen ein, sondern auch auf die neuen Tonformate und zeigen eine besonders günstige Hardware-Konfiguration, die sich ideal als stromsparender Wohnzimmer-PC eignet. Dazu geben wir einen Überblick über alle aktuellen Blu-ray-Laufwerke und beleuchten ihre Schreib- und Lesequalitäten. Vorab sei bei all dem Durcheinander schon mal verraten: Es gibt bereits ausgereiftes und günstiges PC-Equipment zum Abspielen von Blu-ray-Filmen – man muss allerdings wissen, welche Kombinationen miteinander harmonieren.

Die Software-Entwickler sehen den Sieg der BD mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie freuen sich, weil sie sich jetzt nur noch um ein neues Format kümmern müssen. Aber der Programmieraufwand für all die neuen BD-Funktionen treibt so manchem Tränen in die Augen. Verspielte Menüs gelangen bei der HD DVD mittels HDi deutlich leichter als mit der Java-Implementierung der Blu-ray Disc (BD-J). Diese gibt den Produzenten zwar mehr Möglichkeiten – sie können selbst kleine Spielchen implementieren –, dadurch steigt jedoch auch die Gefahr von Fehlern, die im schlimmsten Fall sogar das Abspielen der Disc verhindern.

Weil die BD-J-Spezifikation offenbar zu viel Spielraum für Interpretationen lässt, sind die Hersteller dazu gezwungen, jeden Film mit jedem Abspieler zu überprüfen. „Wir müssen unsere Software quasi auf jeden Film einzeln anpassen,“ klagte ein Entwickler von CyberLink, der die bisher verbreitetste Abspiel-Software PowerDVD programmiert. Dazu kaufen externe Mitarbeiter wöchentlich die neuesten Blu-ray-Filme und schicken sie zum Programmierteam nach Taiwan, wo sie anschließend eingepflegt werden. Anwender müssen regelmäßig ihre Software online updaten, damit auch der neueste Blockbuster auf ihrem System spielt.

Natürlich versuchen auch die Studios ihre Filme möglichst so zu erstellen, dass sie auf allen Playern spielen. Bei der eingeschränkten HDMV-Programmierung, die nur wenig mehr Funktionen als bei einer Video-DVD erlaubt, ist dies kein Problem. Ins Trudeln kommt so mancher Abspieler jedoch, wenn einblendbare Video-Kommentare (Picture in Picture, PiP) abgespielt werden sollen, wie sie im BD-Format 1.1 definiert wurden. Sollen sogar Online-Funktionen (BD-Live) mit auf die Scheibe, kommt man ohne BD-J nicht aus. Als Standard-Player gilt dabei noch immer Sonys Playstation 3, die per Firmware-Updates stets auf dem neuesten Stand gehalten wird. Bei anderen Playern kann es schon mal passieren, dass ein Film nicht spielt oder man auf ein Update mehrere Wochen warten muss.

So mussten sich die Software-Player für diesen Test an unterschiedlichen Filmformaten mit BD-J, PiP und dem zusätzlichen Kopierschutz BD+ versuchen. CyberLinks neues PowerDVD 8 Ultra hatte damit genau so wenig Probleme, wie Corels WinDVD 9 plus Blu-ray und Arcsofts TotalMedia Theater. Allerdings war Showtime mit dem Blu-ray-Plug-in für 25 Euro hingegen selbst in der von der Blu-ray Disc Association zertifizierten Version 4.3.2.0 nicht in der Lage, mit BD-J entwickelte Filme vernünftig abzuspielen. Auf der Nero-Webseite heißt es dazu lapidar, dass interaktive Inhalte noch nicht unterstützt würden. De facto ist das Blu-ray-Plug-in derzeit nicht zu gebrauchen, weil Anwender einen Großteil der Blu-ray-Filme gar nicht abspielen können.

Bevor man sich Gedanken macht, welche Hardware BD-Filme am besten abspielt, müssen die Grundvoraussetzungen für eine lückenlose Kopierschutzkette eingehalten werden. Die Software-Player starten den Film nämlich nur, wenn die Grafikkarte und – im Falle einer digitalen DVI-Verbindung – auch der Monitor die High-Bandwidth Digital Content Protection (HDCP) unterstützen. Eigentlich können dies alle Grafikkarten von AMD/ATI und Nvidia seit der vorletzten Generation und auch bei den Monitoren gehört HDCP inzwischen zum Standard. Bei HDMI ist HDCP ohnehin Pflicht.

Während eine direkte HDMI-Verbindung zwischen PC und Bildschirm selten Probleme bereitet, hatten wir im Test mit häufigen Verbindungsabbrüchen und Abstürzen zu kämpfen, sobald wir einen HDMI-Receiver oder einen HDMI-Switch zwischenschalteten, um den Ton über eine separate Sound-Anlage wiederzugeben. Schuld waren vor allem Timing-Probleme zwischen den unterschiedlichen Geräten, durch die die verschlüsselte Verbindung immer wieder unterbrochen wurde. Wer derlei Verkabelungen bei sich zuhause plant, sollte sich bei seinem Händler auf jeden Fall ein Rückgaberecht einräumen lassen, sollte seine Gerätekombination nicht miteinaner zusammenspielen.

Damit die Player-Software von der Geschlossenheit der Kopierschutzkette auch überzeugt ist, müssen die Grafikkartentreiber mitspielen, und hier liegt bei AMD/ATI noch einiges im Argen. So gibt Nero Showtime Blu-ray-Filme nur mit 960 x 540 Bildpunkten aus, weil die ATI-Grafikkarte angeblich kein HDCP unterstützt. Misstrauisch ist auch Arcsofts TotalMedia Theater. Wir konnten das Programm lediglich unter Windows Vista (32 Bit) mit dem Mainboard-Chipsatz 780G dazu überreden, Blu-ray-Filme abzuspielen. Mit den Grafikkarten der 3000er-Serie und unter Windows XP war entweder nur ein schwarzer oder ein stark flackernder Bildschirm zu sehen. Mit einem Update sollte Arcsoft die Probleme mit den AMD/ATI-Karten allerdings beheben können.

Nvidia-Karten spielen zwar grundsätzlich mit allen Playern zusammen, aber auch hier sind die Vista- den XP-Treibern inzwischen voraus, denn nur mit ihnen können die Karten auch einen zweiten Videostrom dekodieren. Schaltet man PiP unter XP ein, steigt die Prozessorlast deutlich. Obwohl Windows XP schlanker ist und weniger Ressourcen verschwendet, legt es dem Anwender bei der Wiedergabe von Blu-ray-Filmen mehr Steine in den Weg als die 32-Bit-Version von Vista. Dessen Service Pack 1 ändert nichts an der Prozessorbelastung durch die Filme. Immerhin stürzt keiner der Player nach dem Update auf SP1 ab.

Sind alle grundlegenden Abspielhürden überwunden, kann man sich aufmachen, die Kombination mit der niedrigsten Prozessorbelastung zu suchen, doch die hängt je nach Film stark vom verwendeten Video-Codec, der Anzahl der Videoströme und der Java-Implementierung ab. Nutzte die Video-DVD noch ausschließlich MPEG-2, so kommen bei der Blu-ray Disc darüber hinaus der von Microsoft entwickelte Video-Codec VC-1 und MPEG-4 AVC (H.264) zum Einsatz, die deutlich bessere Kompressionsraten erreichen, aber auch mehr Rechenaufwand bei der Wiedergabe erfordern. Weil kaum eine CPU dies alleine bewerkstelligen könnte, nehmen ihr moderne Grafikprozessoren einen Großteil der Arbeit ab. Nvidia baut in seine aktuellen GPUs (8500, 8600, 8800 GS, GT, GTS 512 und 9600 GT) den Video Processor 2 (VP2) ein, der die aufwendige Dekodierung von H.264 besonders gut unterstützt und sogar zwei Videoströme gleichzeitig dekodieren kann [1]. Nichts getan hat sich indes bei der VC-1-Dekodierung, bei der selbst das neueste Modell 9600 GT im Unterschied zu H.264 der CPU die Entropie-Dekodierung nicht erspart. Nvidias neuer Mainboard-Chipsatz Geforce 8200 mit Onboard-Grafik und VP2 ist derweil nicht in der Lage, Blu-ray-Filme flüssig abzuspielen. Mit dem aktuellen Treiber 174.74 verschwanden zwar die Bildfehler der ersten Version, die Filme ruckelten jedoch auf allen Software-Playern trotz geringer CPU-Last.

Für alle drei Codecs gleichermaßen gewappnet ist derweil AMD/ATIs „Unified Video Decoder“ (UVD), der in den älteren Modellen 2400 und 2600 sowie sämtlichen Karten der 3000er-Serie zu finden ist. Selbst AMDs neuer Mainboard-Chipsatz 780G mit Onboard-Grafik bringt den UVD mit und ist der Erste seiner Art, der Blu-ray-Filme ruckelfrei wiedergeben kann. Der UVD erreicht im Vergleich mit dem VP2 zwar eine niedrigere Prozessorlast beim Abspielen von VC-1-Filmen, dafür steigt sie aber bei H.264-Filmen mit PiP, weil ATI bislang nur einen Videostrom dekodieren kann.

Um aus den verschiedenen Systemkonfigurationen diejenige mit der geringsten Prozessorlast zu ermitteln, testeten wir alle vier Software-Player mit GPUs von AMD/ATI und Nvidia (siehe Tabelle auf S. 96 in c't 09/08). Als Prozessoren kamen sowohl ein Intel Core 2 Duo E6420 mit 2,13 GHz als auch ein AMD Athlon X2 4850e zum Einsatz, eine mit 2,5 GHz getaktete Version des Stromsparprozessors BE-2400, die demnächst für etwa 80 Euro in den Handel kommen soll.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 09/2008.

[1] Hartmut Gieselmann, Fit für High Definition, Erschwingliche PC-Hardware für Blu-ray Disc und HD DVD, c't 15/07, S. 132

"Blu-ray am PC"
Artikel zum Thema "Blu-ray am PC" finden Sie in der c't 09/2008:
Die optimale Hard- und Software für Blu-ray Filme S. 92
Authoring-Software für Blu-ray Discs S. 104
HDTV-Aufnahmen für Blu-ray-Player aufbereiten S. 114

(es)