Blutfluss-Messen ohne Stillhalten

Wie viel Blut durch Körpergefäße fließt, kann wichtige Informationen über Krankheiten liefern. Ein neues Sensorsystem soll solche Messungen deutlich präziser und weniger aufwendig machen.

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Von
  • Mike Orcutt

Wie viel Blut durch Körpergefäße fließt, kann wichtige Informationen über Krankheiten liefern. Ein neues Sensorsystem soll solche Messungen deutlich präziser und weniger aufwendig machen.

Wie viel Blut fließt durch Ihre Venen, Arterien und Kapillaren? Um das herauszufinden, müssten Sie normalerweise stillhalten. Ein neues Gerät aber könnte diese Information bald auch dann liefern, wenn Sie sich bewegen und normalen Tätigkeiten nachgehen. Der flexible Streifen passt sich an die Haut an und misst den Blutfluss unter der Haut mit Hilfe von winzigen Wärmesensoren. Auf diese Weise könnten Ärzte präzise Daten zu diesem wichtigen Indikator für den Gesundheitszustand bekommen.

Nach Angaben der Erfinder des neuen Sensorsystems ist es bereit für den Einsatz in einem klinischen Umfeld, vor allem bei Patienten, die vor kurzem Hauttransplantationen erhalten haben. In Zukunft könne es auch möglich sein, es innerhalb des Körpers einzusetzen. Bei einer Demonstration mit menschlichen Probanden zeigten die Forscher vor kurzem, dass ihr System genaue Daten über den Blutfluss in größeren Gefäßen (konkret in Unterarm-Venen) sowie in dem Netz aus winzigen Gefäßen nahe der Hautoberfläche liefern kann.

Im Vergleich mit den übrigen Methoden für die nichtinvasive Messung des Blutflusses, die mit optischen Systemen oder Ultraschall arbeiten, ist der neue Sensor einfacher und billiger, sagt John Rogers, einer der Erfinder und Professor für Materialwissenschaft und Ingenieurswesen an der University of Illinois in Urbana-Champaign. Noch wichtiger, so sagt er: Da sich der Sensor eng an die Haut anschmiege, sei er deutlich weniger anfällig für Störungen durch Bewegungen.

Die Charakteristik des Blutflusses in einem Gewebe ist ein guter Indikator für dessen Gesundheit. Manche medizinischen Probleme wie Infektionen und Entzündungen lösen einen erhöhten lokalen Blutfluss aus; andere wie Arteriosklerose, Herzinsuffizienz oder Diabetes verringern den Blutfluss. Wenn er sich präzise und sogar kontinuierlich messen ließe, wären Ärzte besser in der Lage, die jeweiligen Patienten individuell zu behandeln.

Rogers und seine Kollegen arbeiten bereits seit einigen Jahren an Monitoring-Systemen für die Haut, die sie mit Hilfe von etablierten Techniken der Mikrofertigung herstellen. Das Blutfluss-Sensorsystem ist ihre bislang anspruchsvollste Anwendung der Technologie.

Das Gerät arbeitet, indem es die Haut mit einem Heizelement unmerklich erwärmt und dann die Verbreitung dieser Wärme erfasst. Die zugeführte Wärme wird vom Blut in den Gefäßen darunter weitertransportiert, wobei die in Ringen um das Heizelement herum angeordneten Temperatursensoren registrieren, in welche Richtung und mit welchem Volumen. Durch eine Kombination dieser Informationen mit Modellen zur Fluiddynamik von Blut, „lässt sich die Flussrate quantitativ bestimmen“, sagt Rogers.

Nach seinen Worten wollen er und seine Kollegen sofort damit beginnen, die Technologie zur Beobachtung der Wundheilung und Gefäßneubildung nach Hauttransplantationen einzusetzen. Außerdem hat das Kosmetikunternehmen L'Oreal, das die Erforschung finanziell unterstützt hat, damit begonnen, die Geräte zu produzieren, und eine Software mit grafischer Oberfläche entwickelt, die automatische Auswertungen liefert. Laut Rogers benutzen Dermatologen, die an klinischen Studien für L'Oréal arbeiten, das System bereits zur Untersuchung des Hautzustands.

Bislang kann es nur bis in Tiefen von zwei Millimetern messen. Doch die Gruppe beschäftigt sich schon mit anderen Möglichkeiten zur Konfiguration von Sensoren und Heizelement, die auch Messungen weiter unter der Haut erlauben könnten. Zudem ließe sich die Technologie vielleicht auch auf chirurgischen Werkzeugen oder Implantaten unterbringen.

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