Chatbots als Job-Assistenten

Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz wecken neues Interesse an Software, die Fragen und Anweisungen von Menschen versteht und darauf reagiert. Irgendwann könnten solche Chatbots sogar bei Einstellungen mitreden.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Will Knight

Wenn sich Sie das nächste Mal einen neuen Job antreten, werden Sie Informationen über Gehalt, Urlaub und Zusatzleistungen vielleicht von einem Chatbot bekommen statt aus einem Handbuch für neue Mitarbeiter oder von einem Menschen aus der Personalabteilung.

Das Bostoner Start-up Talla arbeitet an Chatbots, die Neulingen dabei helfen sollen, rasch mit der Arbeit zu beginnen und produktiv zu sein. Um überdurchschnittlich intelligent wirkende Interaktionen zu ermöglichen, nutzt das Unternehmen modernes Maschinenlernen und Techniken für die Verarbeitung natürlicher Sprache.

Vor kurzem hat Talla einen einfachen Prototypen vorgestellt, der To-do-Listen auf der Kommunikationsplattform Slack verwaltet. Bislang haben rund 600 Unternehmen den Chatbot in ihren Slack-Kanal aufgenommen und nutzen ihn, sagt Rob May, CEO von Talla. In den nächsten Wochen soll eine weitere Version für Hipchat folgen, einen Konkurrenten von Slack.

Bis Oktober dann soll Talla so weiterentwickelt werden, dass er auch schwierigere Personal-Aufgaben übernehmen kann. „Wenn jemand eine neue Stelle antritt, soll er nicht einen ganzen Haufen Informationen bekommen, sondern der Bot soll ihm alles sagen, was nötig ist“, erklärt May.

Die Vision ist laut May, Talla zu einem universellen Assistenten für den Arbeitsplatz zu machen. Basis-Versionen davon sollen kostenlos sein, anspruchsvollere Gebühren kosten. „Er wird Ihnen jeden Tag sagen, worauf Sie sich konzentrieren sollen, Fragen stellen und Feedback geben“, sagt der CEO. Zudem werde der Bot Fragen wie „Wann wird das Gehalt bezahlt?“, „Haben wir am Freitag frei“ oder auch „Wie finde ich einen neuen Zahnarzt“ beantworten können.

Die ersten Chatbots wurden schon vor Jahrzehnten entwickelt, zuletzt aber hat ein Boom bei Künstlicher Intelligenz das Interesse an ihnen wiedererwachen lassen und Hoffnungen geweckt, dass eine neue Generation deutlich intelligenter und nützlicher werden könnte. Verschiedenste Unternehmen bringen Chatbots auf Plattformen wie Facebook und Whatsapp heraus, und die Beliebtheit von professionellen Chat-Diensten wie Slack bedeutet, dass Chatbots bald eine wichtigere Rolle in Büros spielen könnten. Nach einer Prognose der Marktforschungsfirma Gartner werden bis zum Jahr 2019 rund 25 Prozent aller Haushalte intelligente Assistenten nutzen, um auf Online-Dienste zuzugreifen.

Die große Herausforderung liegt bei allen Chatbots darin, dafür zu sorgen, dass sie ihre Nutzer richtig verstehen. Zuletzt hat es dramatische Fortschritte in vielen Bereichen der KI gegeben, doch die Verarbeitung natürlicher Sprache ist immer noch eine enorme Herausforderung.

Talla nutzt deshalb neueste Techniken für Maschinenlernen und Sprachverarbeitung. Um herauszufinden, ob eine Äußerung eine Frage oder ein Befehl ist, wird zum Beispiel ein Deep-Learning-Klassifizierer eingesetzt – ein großes und recht grobes Netzwerk von mathematisch simulierten Neuronen, das sich darauf trainieren lässt, Eingaben zu erkennen.

Ebenfalls zum Einsatz kommen Word Embeddings, eine Methode, um die Bedeutung von Worten und Ausdrücken über mathematische Vektoren mit mehreren Dimensionen abzubilden. Dadurch können auch eigenwillig formulierte Befehle oder Fragen verstanden werden. Laut May versteht die Basisversion von Talla Aufforderungen zum Handeln zu etwa 97 Prozent korrekt. Der Prototyp auf Slack wurde mit eigenen Daten trainiert. Andere Unternehmensnutzer würden dem System Informationen aus ihren Handbüchern zur Verfügung stellen und müssen es vor dem Praxiseinsatz möglicherweise etwas trainieren und testen.

Deep-Learning unf Word Embedding werden bei Systemen zur Sprachverarbeitung immer häufiger genutzt, erklärt Noah Smith, der als Professor an der University of Washington Algorithmen für das Verstehen natürlicher Sprache entwickelt. Ein Personal-Chatbots klinge „interessant und ist einen Versuch wert“, so Smith. In einer umfassenden Form sei das allerdings wegen der Komplexität der zu verstehenden Sprache nicht einfach. „Personalwesen scheint mir für Maschinen ein schwieriges Problem zu sein, denn die meisten Modelle für Spracherzeugung integrieren noch nicht alles, was Menschen wissen und tun. Aber es könnte eine interessante Herausforderung sein“, sagt er.

Irgendwann könnte Talla laut May sogar bei der Entscheidung darüber helfen, wer zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Entwickler in seinem Unternehmen hätten ein Maschinenlern-System geschrieben, das nach Ähnlichkeiten in den Lebensläufen von Bewerbern und bestehenden Mitarbeitern, die sich als gut erwiesen haben, sucht. „Das funktioniert sehr gut“, sagt er, „es ist wirklich cool.“

(sma)