China als Zentrum der Welt des E-Sports

Wenn Elite-Zocker bei Turnieren aufeinandertreffen, dominieren seit Jahren meist die chinesischen Teams. Normalen Bürgern war diese Beschäftigung lange Zeit ein Dorn im Auge – doch allmählich wird sie ernster genommen.

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Von
  • Michael Reilly

Die Besten der Besten unter den PC-Spielern im sogenannten E-Sport können heutzutage bei einem einzigen Turnier Millionen von Dollar gewinnen. Manchen aus der Zocker-Elite gelingt es auch, in den Kader eines Fußball-Clubs in der englischen Premier League aufgenommen zu werden. So weit hat sich die Welt des E-Sports bereits entwickelt – das Spielen von Einzel- oder Mannschaftssportarten am PC oder der Konsole ist von einem obskuren Nerd-Hobby zu einem riesigen Geschäft geworden. Und in China wird es allmählich sogar zu einem Grund für Nationalstolz.

Das war nicht immer so. Zwar mischen chinesische Teams bei E-Sport-Veranstaltungen seit Jahren auf den obersten Rängen mit – zum Beispiel auch bei The International, einem Turnier in Seattle, bei dem es in diesem Jahr mehr als 20 Millionen Dollar zu gewinnen gab. Oft dominieren sie ihre Gegner – in dem Strategiespiel DOTA 2 (Defense of the Ancients 2) haben sie drei der fünf jüngsten Meisterschaften gewonnen. Trotzdem gab es in der chinesischen Kultur bislang hauptsächlich Missbilligung für Video-Spiele, wie ein aktueller Artikel der Zeitschrift Foreign Policy erklärt.

Demnach wollten Eltern lieber, dass ihr Nachwuchs Zeit mit der Familie verbringt oder lernt, damit er im extrem strengen Schulsystem des Landes vorankommt. Manche schickten ihre Kinder deshalb in Lager zur Behandlung von Internet-Sucht, wo sie ein anstrengendes Training im militärischen Stil hinter sich bringen mussten und keinerlei Zugriff auf Mobiltelefone und andere elektronische Geräte hatten. In einem der berüchtigsten dieser Lager soll der Psychiater Yang Yongxin als wichtige Therapiemethode sogar Elektroschocks eingesetzt und seinen jungen Patienten Psychopharmaka verschrieben haben. Elektrotherapie wurde von der chinesischen Regierung inzwischen verboten. Viele frühere Lager-Bewohner sagen aber, der Aufenthalt habe ihnen lebenslänglich emotionale Narben beigebracht.

Jetzt jedoch scheint sich die Lage rasch zu verändern: Vor kurzem verpasste das chinesische Team Wings Gaming dem Team DC aus Nordamerika eine Abreibung in einem Match mit fünf Runden – und selbst die Chinesen feierten die Sieger in dem Kurznachrichtendienst Weibo und zeigten sich begeistert über den Triumph.

Noch allerdings ist die Entwicklung längst nicht so weit wie im Westen, wo junge Leute oft ermutigt werden, zugunsten ihrer Träume auf eine formale Ausbildung zu verzichten. Der Kapitän des Wings-Teams, der 18 Jahre alte Zhang Yiping, der zusammen mit seinen Mitstreitern ansehnliche 9 Millionen Dollar gewonnen hatte, dankte seinen Fans auf Weibo. Von einem Kommentator bekam er dann trotzdem die Empfehlung, das Spielen lieber aufzugeben und wieder zur Schule zu gehen.

(sma)