Chinas widersprüchliche Kohle-Strategie

Wenn der größte Klimaverschmutzer der Welt plant, bis 2060 klimaneutral zu werden, warum baut er dann so viele Kohlekraftwerke?

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Chinas widersprüchliche Kohle-Strategie

(Bild: Photo by Nick Nice on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • James Temple

Chinas Präsident Xi Jinping hat am 22. September Pläne vorgestellt, wie seine Nation bis 2060 klimaneutral werden soll. Damit hat sich der größte Klimaverschmutzer der Welt ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Es ist allerdings schwierig, Xis vor der UN-Generalversammlung abgegeben Versprechen mit den jüngsten Aktionen des Riesenreichs in Einklang zu bringen.

Allem voran erlebt China derzeit einen Kohleboom. Ende letzten Jahres hatte das Land Kohlekraftwerke im Wert von fast 150 Gigawatt in der Entwicklungspipeline. Das entspricht ungefähr der Gesamtkapazität der Europäischen Union, sagt die gemeinnützige Organisation „Global Energy Monitor“, die Kohleprojekte auf der ganzen Welt verfolgt. Die Anlagen werden 60 Jahre oder länger betrieben, sodass alles, was heute gebaut wird, über die Frist von 2060 hinaus noch Jahrzehnte lang Treibhausgase ausstoßen kann.

Einerseits brüstet sich China also als Klimaführer zu einer Zeit, in der US-Präsident Donald Trump auf eine solche Rolle der Vereinigten Staaten verzichtet. Sein Rollback bei der Umweltpolitik wird sogar sicherlich zunehmen, sollte er wiedergewählt werden.

China hofft, seine Dominanz als weltweit führende Nation im Cleantech-Bereich auszubauen und den Löwenanteil der Einnahmen aus der globalen Verlagerung auf emissionsarme Energiequellen zu erzielen. Das Landproduziert bereits die meisten Lithium-Ionen-Batterien, Sonnenkollektoren und Windkraftanlagen der Welt und verkauft den größten Anteil an Elektrofahrzeugen.

Chinas Konjunkturpaket in Höhe von sieben Billionen Dollar zu Beginn dieses Jahres hat jedoch noch mehr Mittel für den Bau von Kohlekraftwerken bereitgestellt. Darüber hinaus finanzieren chinesische Banken Dutzende von Kohlekraftwerken in anderen Ländern im Rahmen der „Belt and Road“-Entwicklungsinitiative. Insgesamt gibt es also deutliche Diskrepanzen zwischen Chinas Worten und Taten.

Die jüngst angekündigten Pläne könnten jedoch immer noch von Bedeutung sein. China entwickelt gerade seinen nächsten Fünfjahresplan, sagt Jonas Nahm, Assistenzprofessor an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies.

Dies könnte signalisieren, dass sich die Nation auf die Umsetzung einer strengeren Emissionspolitik vorbereitet, auch wenn diese nicht ausreicht, um das Ziel von 2060 zu erreichen. Doch wann kommt die?

Wenn China irgendwie doch CO2-Neutralität erreicht, beispielsweise durch die Einmottung seiner vielen Kohlekraftwerke oder die Installation teurer Kohlenstoffabscheidungssysteme, hätte dies enorme globale Auswirkungen. Die Nation ist ein so großer Emittent, dass diese Reduzierungen laut einer Analyse von Climate Action Tracker im Alleingang bis zu 0,3 Grad der Prognosen zur globalen Erwärmung einsparen könnten.

Auf jedem Fall könnte die Ankündigung einen größeren Druck auf andere Nationen ausüben, ihre Klimaziele ebenfalls zu steigern, denn Cleantech und Emissionsreduktionsverpflichtungen werden gerade zur Währung aufstrebender Handelspartnerschaften, Marktplätze und Einflussbereiche. (vsz)