Chip-Schrumpfungsrekord mit Nanoröhrchen

Transistoren auf der Basis von Kohlenstoff-Nanoröhrchen könnten das Moore'sche Gesetz von den stetig schrumpfenden Strukturen bis weit in die Zukunft tragen.

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Von
  • Jan Oliver Löfken

Neunzig Millionstel Millimeter messen die kleinsten Strukturen auf Siliziumchips, die heute die modernsten Fabriken verlassen. Gleich fünfmal kleiner jedoch ist das Herzstück eines neuen Transistors, den Forscher des Münchener Chipproduzenten Infineon mit Nanoröhrchen aus Kohlenstoff hergestellt haben. Mit einer so genannten Gate-Länge von nur 18 Nanometern setzt sich das deutsche Unternehmen an die Spitze der Entwicklung für die zukunftsweisende Nanoelektronik, die nicht mehr auf komplexe Siliziumschaltkreise aufbaut. Über diesen Vorsprung vor anderen Chipherstellern wie IBM, Intel und Co. berichten die Forscher im Fachblatt "Nano Letters". "In Zukunft würden Chips mit Nanoröhrchen bei größeren Schaltgeschwindigkeiten deutlich weniger Strom verbrauchen als Silizium-Module", sagt Franz Kreupl, Leiter der Nanoröhrchen-Gruppe bei Infineon. Der nur rund einen Nanometer dünne Hohlkörper kann bei einer geringen Versorgungsspannung von nur 0,4 Volt Ströme von über 15 Mikroampère liefern. Dabei beobachteten Kreupl und Kollegen eine Stromdichte, die etwa um den Faktor 10 über dem von Silizium, dem derzeitigen Standard-Werkstoffes für Chips, liegt. Prinzipiell sind damit Strom sparende Schaltkreise möglich, die Laptops länger laufen lassen und mit weniger Kühlung auskommen könnten.

Für ihren Prototyp ließen die Infineon-Forscher das halbleitende Kohlenstoff-Röhrchen direkt aus einer heißen Methanatmosphäre auf einer geeigneten Unterlage wachsen. "In Prinzip ist dieser Prozess so einfach, dass man für die Transistoren deutlich weniger Arbeitsschritte braucht als bei der Silizium-Technologie", erklärt Doktorand Robert Seidel, der wesentlich zu diesem Ergebnis beigetragen hat. Neben den hervorragenden Schalteigenschaften könnten so diese Nanoteilchen in Zukunft zu wesentlich günstigeren Produktionsprozessen führen.

"Unsere Nanoröhrchen zeigen dazu eine 100fach höhere Elektronenmobilität im Vergleich zu Silizium", sagt Kreupl. In der Praxis ergäben sich dadurch beschleunigte Schaltraten. Mit diesem so genannten "ballistischen" Leitverhalten der schaltenden Elektronen erfüllt das Nanoröhrchen die Anforderungen, die die Halbleiterindustrie in ihrer Roadmap erst für das kommende Jahrzehnt angepeilt hat.

Bis zur Serienfertigung ist es allerdings noch ein weiter Weg: "Jeder Röhrchen-Transistor ist heute noch ein Einzelstück", räumt Seidel ein. Wann das erste Nanoröhrchen-Herz in einem Computer schlagen wird, wagen die Forscher daher nicht zu prognostizieren. Denn so einfach die Herstellung auf den ersten Blick ist - es gibt noch ungelöste Probleme. "Ob auf dem Substrat eine leitende oder halbleitende Röhre wächst, ist leider immer noch vom Zufall abhängig", erklärt Seidel. Denn jedes dritte gewachsene Kohlenstoffteilchen glänzt als hervorragender Stromleiter und kann daher nicht als der notwendige Halbleiter dienen. Eine verlässliche Technik, die Röhrchen im Vorfeld zu sortieren, gibt es noch nicht. Zudem wollen die Forscher das Wachstum der Nanoteilchen besser kontrollieren, damit auch bei jedem Versuch zuverlässige Kontakte auf ihrem Transistor entstehen.

"Solche Nanoröhrchen-Transistoren lassen sich noch deutlich schrumpfen", sagt Kreupl. Da neben Infineon mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums auch IBM und Intel an der Nanoröhrchen-Technik forschen, ist weiter mit einem Wettlauf um neue Rekordwerte zu rechnen.

Doch auch in der etablierten Silizium-Technologie werden fortlaufend Fortschritte gemacht. Neue Belichtungsverfahren bespielsweise mit Extremen Ultravioletten Licht (EUV) werden auch hier Strukturen weit unter 90 Nanometern ermöglichen. Der derzeitige Labor-Schrumpfrekord für Silizium soll bei rund fünf Nanometer liegen soll. Doch Größe ist laut Kreupl nicht der alleinige Maßstab. So wird der Wettlauf zwischen Silizium und Nanoröhrchen wahrscheinlich bis in das kommende Jahrzehnt fortgeführt. Welche Technologie dann das Rennen machtt, hängt wesentlich vom Ideenreichtum der Chipforscher in den Nanolaboren weltweit ab. (sma)