Corona-Forschung: Freiwillige lassen sich infizieren

In London sollen sich – wenn alles nach Plan läuft – ab Januar Probanden mit SARS-Cov-2 infizieren lassen. Manche werden geimpft sein, andere nicht.

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Krank für die Forschung: Absichtlich Infizierte sollen helfen, bessere Therapien zu finden.

(Bild: Shutterstock)

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Von
  • Charlotte Jee

Im kommenden Januar soll in London die weltweit erste „Human Challenge“-Studie für Covid-19 starten. Ihr Ziel: Junge, gesunde Erwachsene werden unter Aufsicht mit aufgereinigten Sars-CoV-2-Viren infiziert, um wichtige Fragen zu beantworten, die sich durch die Untersuchung von Patienten nicht beantworten lassen. Gesucht werden zunächst 50 gesunde Freiwillige zwischen 18 und 30 Jahren. Zunächst mussten die Forscher noch auf die Genehmigung eines eigens dafür eingesetzten Ethikkomitees sowie der britischen Zulassungsbehörde „Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency“ (MHRA) warten; letztere erteilte die Zulassung Mitte Dezember.

Die Studie soll zum einen den Infektions- und Krankheitsverlauf genauer als bisher unter die Lupe nehmen. In der ersten Phase wollen die Forscher unter anderem die geringste Virendosis ermitteln, die für eine Infizierung erforderlich ist. Auch die Immunantwort wollen sie genauer untersuchen. Im Frühjahr sollen die Versuche mit weiteren Freiwilligen ausgedehnt werden. Diese würden in einer sogenannten Provokationsstudie erst einen Impfstoffkandidaten und später das Coronavirus verabreicht bekommen. So können die Ärzte schneller feststellen, welches Vakzin eine Infektion verhindert, da sie nicht darauf warten müssen, bis sich die Probanden auf natürlichem Weg infizieren.

Ein weiterer Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass Forscher mehrere Impfstoffkandidaten parallel untersuchen können. So können sie herausfinden, welcher am effektivsten vor der Infektion schützt und damit die Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 beschleunigen. Darüber hinaus helfen Human-Challenge-Studien auch dabei, Therapien an bereits Erkrankten zu erforschen. Die Wirksamkeit von Medikamenten, die die Viren zurückdrängen sollen, die Lunge oder den Kreislauf unterstützen, können bisher nur durch Beobachtungsstudien in Krankenhäusern erforscht werden – mit nur mäßig zuverlässigen Ergebnissen.

Die freiwilligen Probanden werden für ihre Teilnahme an der mehrwöchigen Studie bezahlt und für deren Dauer auf einer Biosicherheitsstation des Royal Free Hospital isoliert. Nach ihrer Entlassung werden sie noch bis zu einem Jahr überwacht, um eventuelle Nebenwirkungen festzustellen.

Die britische Regierung hat 33,6 Millionen Pfund (37,2 Millionen Euro) für die Studie zugesagt. Organisiert wird sie in Zusammenarbeit mit dem auf derartige Untersuchungen spezialisierten Unternehmen hVIVO. Zu den Krankheiten, für die hVIVO bereits Human-Challenge-Studien durchgeführt hat, gehören Typhus, durch Noroviren verursachte Magen-Darm-Entzündungen und die Grippe.

Anders als bei bisherigen Human-Challenge-Studien gibt es bei Covid-19 jedoch keine wirksame Behandlung, auch wenn derzeit viele umfangreiche Studien dazu laufen. Wie die „Washington Post“ schreibt, sollen die Teilnehmer zwar unter anderem das frisch zugelassene Medikament Remdesivir erhalten, seine Wirksamkeit ist aber umstritten – Human-Challenge-Studien werden daher heiß diskutiert. Die Freiwilligen könnten schwer krank werden und sogar sterben.

„Die absichtliche Infektion von Freiwilligen mit einem bekannten humanpathogenen Erreger wird niemals leichtfertig unternommen“, sagte dazu Peter Openshaw vom Imperial College London in einer Erklärung. „Solche Studien sind jedoch enorm informativ, selbst über Krankheiten, die so gut untersucht sind wie Covid-19. Es ist wirklich wichtig, dass wir so schnell wie möglich wirksame Impfstoffe und andere Behandlungen für Covid-19 erhalten.“

(bsc)