Das Rätsel der Uranwürfel

Noch immer existiert Uran aus den Atomexperimenten des Dritten Reichs. Als zwei Physikern einer davon in die Hände fällt, entdecken sie bei Nachforschungen, dass die Deutschen einem Kernreaktor – und damit den Voraussetzungen für eine Atombombe – näher waren als bisher gedacht.

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Das Rätsel der Uranwürfel

Dieser Uranwürfel lan­dete 2013 an der University of Maryland. Er war Bestandteil der Atomwaffenforschung im Dritten Reich.

(Bild: John T. Consoli/ University of Maryland)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Miriam Hiebert
  • Timothy Koeth

* Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des American Institute of Physics

Im Sommer 2013 fand ein Würfel aus Uran mit circa fünf Zentimeter Seitenlänge und einem Gewicht von etwa fünf Pfund seinen Weg zu uns an die University of Maryland. Als ob das plötzliche Erscheinen dieses ungewöhnlichen Metallwürfels nicht rätselhaft genug war, kam er mit einer Nachricht, die ­lautete: "Aus dem Reaktor, den Hitler zu bauen versuchte. Ein Geschenk von Ninninger."

Die Welt trat in das nukleare Zeitalter ein, als die Trinity-Bombe am 16. Juli 1945 in der Nähe von Alamogordo, New Mexico, detonierte. Das Manhattan-Projekt, in dem diese Bombe konstruiert wurde, entstand als Reaktion auf die Befürchtung, dass Wissenschaftler in Nazi-Deutschland an einer eigenen atomaren Waffe arbeiten. Der Würfel sollte offenbar ein Überbleibsel dieses gescheiterten Unterfangens darstellen.

Aber wie kam ein Stück Uran aus Deutschland 70 Jahre später nach Maryland? Wie viele von diesen Würfeln gibt es da draußen? Was ist mit dem Rest passiert? Wer ist Ninninger? Auf der Suche nach Antworten auf all diese Fragen haben wir einige neue Erkenntnisse über das deutsche Atomprogramm selbst gewonnen. Die wohl weitreichenste ist: Die Deutschen hätten tatsächlich einen Atomreaktor bauen können.

Unsere Untersuchung der Herkunft des Würfels begann mit dem Offensichtlichen. Der Hinweis „Aus dem Reaktor, den Hitler zu bauen versuchte“ bezog sich zweifellos auf das Kernforschungsprogramm, das deutsche Wissenschaftler während des Zweiten Weltkriegs durchgeführt haben. An diesem Forschungsprogramm waren mehrere deutsche Physiker beteiligt; der vielleicht bekannteste war Werner Heisenberg.

Anstatt unter zentraler Leitung so zusammenzuarbeiten, wie es die Wissenschaftler des Manhattan-Projekts schließlich tun würden, wurden die deutschen Kernforscher in drei Gruppen eingeteilt, die jeweils eine eigene Experimentserie durchführten. Jede Gruppe wurde nach der Stadt benannt, in der die Experimente stattfanden: Berlin (B), Gottow (G) und Leipzig (L). Obwohl die Deutschen ihre Arbeit bereits 1941 – fast zwei Jahre vor Beginn der ernsthaften US-Bemühungen – begannen, waren ihre Fortschritte jedoch extrem langsam.

Im Winter 1944, als die Alliierten ihre Invasion in Deutschland begannen, versuchten die deutschen Kernforscher immer noch verzweifelt, einen Reaktor zu bauen, in dem eine sich selbst erhaltende Kernspaltung ablief. Ohne die immensen Fortschritte des Manhattan-Projekts zu kennen, hofften die Deutschen, dass sie, obwohl sie mit ziemlicher Sicherheit den Krieg verlieren würden, auf diese Weise wenigstens den Ruf ihrer Wissenschaft zu retten.

(wst)